Am 22. Mai feiern wir den Internationalen Tag der Biodiversität. Ein Tag, der daran erinnert, wie eng das Leben auf unserer Erde miteinander verwoben ist – und wie dringend wir es schützen müssen. Gerade in der Landwirtschaft, wo einst weite Flächen der Natur Platz machten für Monokulturen, ist der Kampf um die Artenvielfalt seit Jahren Thema. In Niedersachsen zeigt sich, wie es anders gehen kann: Mit gezielten Blühstreifen, Feldgehölzen und kleinen Rückzugsorten schaffen Landwirte wertvolle Lebensräume für Insekten, Rebhühner, Hasen und sogar Reptilien.
Rückkehr der Vielfalt: Blühstreifen als Lebensadern
Blühstreifen – jene oft bunten, wild anmutenden Pflanzbänder am Feldrand – sind mehr als nur eine Augenweide. Sie sind wahre Lebensadern für zahlreiche Tierarten. Die Mischung aus heimischen Blumen, Kräutern und Gräsern bietet Nahrung, Nistplätze und Schutz.
Allein in Niedersachsen wurden 2024 mehr als 5.000 Hektar mit Blühmischungen eingesät, dazu kamen über 5.700 Hektar strukturierte Blühstreifen. Diese Flächen sind Teil eines breiteren Programms, das sich im „Niedersächsischen Weg“ niederschlägt – eine Vereinbarung zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik, die den Schutz der Biodiversität verbindlich macht (Niedersächsischer Weg, 2023).
Warum sind Blühstreifen so wichtig?
Der massive Rückgang von Insekten in den letzten Jahrzehnten ist alarmierend. Studien zeigen, dass Biomasse von Fluginsekten in einigen Gebieten Deutschlands um mehr als 75 % gesunken ist (Hallmann et al., 2017). Insekten sind aber nicht nur Nahrung für viele Vögel und Kleinsäuger, sie bestäuben auch viele Nutzpflanzen. Ohne sie droht ein Dominoeffekt im gesamten Ökosystem.
Blühstreifen schaffen ein Mosaik aus Lebensräumen und bieten eine alternative Nahrungsquelle, wenn umliegende Felder intensiv bewirtschaftet werden. Das schützt Wildbienen, Schmetterlinge, Hummeln – und damit die gesamte Nahrungskette.
Landwirtschaft und Naturschutz: Kein Widerspruch, sondern Partnerschaft
Oft wird Landwirtschaft als Feind der Natur gesehen. Doch Niedersachsen beweist das Gegenteil. Die Initiative „Eure Landwirte“ stellt Landwirte vor, die aktiv und freiwillig Flächen für Blühstreifen und Hecken bereitstellen, die besonders wertvolle Strukturen wie Sandhaufen oder Staudenbeete anlegen – und damit auch für Reptilien und Kleinsäuger wertvolle Habitate schaffen (Eure Landwirte, 2024).
Die „Wegrand-Initiative“ ist ein Beispiel, wie freiwilliges Engagement in der Landwirtschaft funktioniert. Seit einigen Jahren werden Wegränder gezielt gepflegt, auf chemische Behandlung verzichtet und gezielte Pflanzungen gefördert. Dies verbessert die Lebensbedingungen für Insekten und Vögel nachhaltig (Wegrand-Initiative, 2024).
Projekte mit Vorbildcharakter: FABiAN und die Wegrand-Initiative
Neben den Einzelaktivitäten der Landwirte sorgen Projekte wie FABiAN („Flächen für Artenvielfalt in der Agrarlandschaft Niedersachsen“) für mehr Struktur und wissenschaftliche Begleitung. Das Projekt arbeitet eng mit Landwirten zusammen, um Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität umzusetzen und gleichzeitig die landwirtschaftliche Produktivität zu erhalten. Dabei wird darauf geachtet, dass Blühstreifen und Feldgehölze nicht als Fläche verloren gehen, sondern ökologisch sinnvoll eingebunden werden (Stiftung Kulturlandpflege, 2024).
FABiAN zeigt, dass Landwirtschaft und Naturschutz keine Gegensätze sein müssen. Die landwirtschaftlichen Flächen erhalten durch die Blühstreifen nicht nur einen ökologischen Mehrwert, sondern auch einen Schutz vor Bodenerosion und schaffen ein ausgewogenes Mikroklima.
Die Wegrand-Initiative, die vom Niedersächsischen Ministerium für Umwelt gefördert wird, setzt dabei auf das Mitwirken der Kommunen und Bürger. Sie fördert die Anlage von blütenreichen Wegrändern und bindet damit auch Kleingärtner und Gartenbesitzer ein, um das Biotopnetz zu stärken (Wegrand-Initiative, 2024).
Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung: Jeder kann mitmachen
Nicht nur Landwirte können etwas tun. Gerade Gartenbesitzer, Stadtbewohner und Kommunen sind gefragt. Sandhaufen, Staudenbeete, heimische Blumen und der Verzicht auf Pestizide schaffen auch im kleinsten Garten Oasen für die Artenvielfalt.
Die Stiftung Kulturlandpflege empfiehlt hier gezielt heimische Pflanzen, die für Insekten besonders wertvoll sind. So werden private Gärten zu wichtigen Bausteinen im Netzwerk der Biodiversität (Stiftung Kulturlandpflege, 2024).
Herausforderungen und Widerstände: Zwischen Ökonomie und Ökologie
Natürlich stehen Landwirte nicht immer unter einem einfachen Stern. Die Umstellung auf biodiversitätsfördernde Maßnahmen kostet Zeit und Geld. Vor allem kleine Betriebe fühlen sich oft überfordert, wenn sie zusätzlich zu Produktion auch noch Naturschutz leisten sollen.
Zudem fehlt oft die passende Beratung und finanzielle Unterstützung. Zwar gibt es Förderprogramme, doch der bürokratische Aufwand schreckt manche ab. Die Folge ist, dass nicht alle bereit oder in der Lage sind, aktiv mitzuwirken.
Der „Niedersächsische Weg“ setzt daher auf klare Förderungen und Dialog. Er will Landwirte nicht als Verlierer des Naturschutzes sehen, sondern als Partner, die durch Beratung, finanzielle Anreize und gemeinsame Planung den Übergang zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft meistern können (Niedersächsischer Weg, 2023).
Fazit: Ein Weg zu mehr Vielfalt – und Lebensqualität
Der 22. Mai erinnert uns daran, wie kostbar die biologische Vielfalt ist. Blühstreifen, Hecken, strukturierte Wegränder – sie sind mehr als bloße Maßnahmen gegen Artensterben. Sie sind Zeichen einer neuen, verantwortungsvollen Landbewirtschaftung.
In Niedersachsen zeigen zahlreiche Landwirte, wie Landwirtschaft und Naturschutz Hand in Hand gehen können. Projekte wie FABiAN und die Wegrand-Initiative demonstrieren den Erfolg einer gemeinsamen Strategie.
Und auch im eigenen Garten kann jeder mithelfen – mit kleinen, aber wirksamen Maßnahmen.
Der Schutz der Biodiversität ist eine Gemeinschaftsaufgabe – und sie lohnt sich. Für die Insekten, die Vögel, die Reptilien – und für uns Menschen.
Quellenangaben
Eure Landwirte (2024). Blühstreifen und Biodiversität in Niedersachsen. Verfügbar unter: https://www.eure-landwirte.de (Abgerufen am 26.05.2025). [HRS]
Hallmann, C.A., Sorg, M., Jongejans, E. et al. (2017). More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS One, 12(10), e0185809. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809 [HRS]
Niedersächsischer Weg (2023). Gemeinsamer Weg für mehr Artenvielfalt. Verfügbar unter: https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/der-niedersaechsische-weg-202011.html (Abgerufen am 26.05.2025). [HRS]
Stiftung Kulturlandpflege (2024). Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften. Verfügbar unter: https://www.stiftungkulturlandpflege.de/home/ (Abgerufen am 26.05.2025). [HRS]
Wegrand-Initiative (2024). Lebensräume an Feldwegen schaffen. Verfügbar unter: https://www.wegraender.de (Abgerufen am 26.05.2025). [HRS]
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