Die Metallindustrie steht am Scheideweg: Als einer der größten Verursacher von CO₂-Emissionen weltweit sieht sich die Branche unter immensem Druck, ihre Prozesse zu modernisieren und nachhaltiger zu gestalten. Metalle wie Stahl, Aluminium und Kupfer sind die Lebensadern moderner Volkswirtschaften, doch ihre Herstellung ist energieintensiv und ökologisch problematisch. Mit einem Anteil von etwa 7-9 % an den globalen CO₂-Emissionen (laut International Energy Agency) gehört die Metallproduktion zu den größten industriellen Klimasündern.
In Düsseldorf hat das Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) eine Führungsrolle in der Suche nach Lösungen für eine Nachhaltige Metallproduktion übernommen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts arbeiten mit Hochdruck an neuen Verfahren, die es ermöglichen, Metalle klimaneutral und ressourcenschonend zu produzieren – ohne dabei wirtschaftliche Effizienz aus den Augen zu verlieren. Ihr Fokus liegt unter anderem auf dem Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel in der Stahlproduktion, einer bahnbrechenden Methode, die die CO₂-Emissionen der Branche drastisch senken könnte. Doch wie kam es zu diesen Forschungsschwerpunkten, welche Herausforderungen stehen im Raum, und wie erfolgreich sind die bisherigen Projekte?
Die CO₂-Problematik der Metallindustrie
Der Bedarf an Nachhaltige Metallproduktion ist enorm: Vom Automobilbau über den Maschinenbau bis hin zur Bauindustrie hängen zahllose Sektoren von Stahl und anderen Metallen ab. Doch die traditionelle Herstellung, insbesondere die Stahlproduktion, ist äußerst klimaschädlich. Der Prozess, bei dem Eisenerz im Hochofen mit Koks (einem kohlenstoffreichen Brennstoff) reduziert wird, setzt riesige Mengen an Kohlendioxid frei. Ein Hochofen kann jährlich mehr als zwei Millionen Tonnen Stahl produzieren – und dabei etwa 1,6 Tonnen CO₂ pro Tonne Stahl emittieren. Angesichts steigender Klimaziele, wie sie im Pariser Abkommen verankert sind, ist diese Praxis nicht mehr tragbar.
Zusätzlich zur CO₂-Belastung sind die Rohstoff- und Energiepreise ein wachsendes Problem. Mit der Verknappung fossiler Brennstoffe und steigenden Umweltauflagen stehen Hersteller vor der Herausforderung, ihre Prozesse nicht nur nachhaltiger, sondern auch kosteneffizienter zu gestalten. In diesem Spannungsfeld wird klar: Eine nachhaltige Metallproduktion ist unbedingt notwendig.
Das Max-Planck-Institut für Eisenforschung: Ein Überblick über nachhaltige Metallproduktion.
Das MPIE blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. Gegründet 1917 als Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung, wurde es 1971 in eine GmbH umgewandelt, getragen von der Max-Planck-Gesellschaft und dem Stahlinstitut VDEh. Heute ist das Institut eine weltweit führende Einrichtung für Grundlagenforschung im Bereich Materialwissenschaften. Mit rund 230 Mitarbeitenden vereint es interdisziplinäre Expertise aus Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften, um zukunftsweisende Lösungen für die Metallindustrie zu entwickeln.
Die Forschungsschwerpunkte des MPIE reichen von der Entwicklung neuer Legierungen über die Optimierung von Herstellungsverfahren bis hin zu nachhaltigen Produktionsmethoden. In den letzten Jahren hat sich das Institut verstärkt der Frage gewidmet, wie Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen in der Metallproduktion eingesetzt werden kann.
Wasserstoff: Der Schlüssel zu grünem Stahl
Wasserstoff gilt als einer der vielversprechendsten Energieträger der Zukunft – nicht nur im Bereich der Energieversorgung, sondern auch in der Industrie. In der Stahlproduktion könnte Wasserstoff als Reduktionsmittel den traditionellen Einsatz von Koks ersetzen. Statt CO₂ entsteht dabei lediglich Wasser. Die Einführung dieses Verfahrens, bekannt als „Direktreduktion mit Wasserstoff“, könnte die CO₂-Emissionen der Stahlindustrie um bis zu 95 % senken, so eine Studie des Fraunhofer-Instituts.
Am MPIE wird intensiv daran geforscht, die Grundlagen für diese Technologie zu legen. Dazu gehört die Untersuchung der chemischen und physikalischen Prozesse, die bei der Reduktion von Eisenerz mit Wasserstoff ablaufen. Ein bedeutender Forschungserfolg des Instituts war die Entwicklung von Modellen, die den Energieverbrauch und die Effizienz des Verfahrens präzise vorhersagen können. Diese Modelle helfen Unternehmen dabei, den Einsatz von Wasserstoff wirtschaftlich zu bewerten.
Technische Herausforderungen: Wasserstoff und die Materialproblematik
Die Umstellung auf wasserstoffbasierte Prozesse ist jedoch kein Selbstläufer. Eine der größten Herausforderungen ist die sogenannte Wasserstoffversprödung. Dabei dringen Wasserstoffatome in das Metall ein und verändern dessen Mikrostruktur, was zu Sprödigkeit und Brüchen führen kann. Besonders kritisch ist dies bei hochfesten Stählen, die in der Automobil- und Bauindustrie verwendet werden.
Am MPIE wird mit hochmodernen Techniken untersucht, wie sich Wasserstoff in Metallstrukturen verhält. Beispielsweise nutzen die Forschenden hochauflösende Mikroskope und computergestützte Simulationen, um die Bewegungen einzelner Wasserstoffatome nachzuvollziehen. Ziel ist es, Legierungen zu entwickeln, die resistent gegen Wasserstoffversprödung sind, ohne dabei an mechanischer Festigkeit einzubüßen.
Erfolgreiche Projekte und Zusammenarbeit mit der Industrie
Das MPIE versteht sich nicht nur als akademische Forschungseinrichtung, sondern auch als Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. In enger Zusammenarbeit mit Industriepartnern, darunter führende Stahlproduzenten und Maschinenbauer, wird daran gearbeitet, die entwickelten Technologien in die Praxis zu überführen. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation mit der Salzgitter AG, die eines der ersten Pilotprojekte für wasserstoffbasierte Stahlproduktion in Deutschland betreibt.
Die Zusammenarbeit umfasst nicht nur den Wissenstransfer, sondern auch die praktische Erprobung neuer Verfahren. So wurde in einem gemeinsamen Projekt getestet, wie sich wasserstoffbasierte Prozesse in bestehenden Produktionsanlagen integrieren lassen. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung technisch machbar ist, wenn auch mit erheblichen Investitionen verbunden. Langfristig könnten solche Projekte jedoch den Grundstein für eine grüne Transformation der gesamten Branche legen.
Die gesellschaftliche Bedeutung der Forschung
Die Bedeutung der Forschung des MPIE geht über die Industrie hinaus. Eine nachhaltigere Metallproduktion ist ein zentraler Baustein, um die Klimaziele der Europäischen Union zu erreichen. Laut EU-Kommission müssen die CO₂-Emissionen der Industrie bis 2050 um mindestens 90 % reduziert werden, um Klimaneutralität zu erreichen. Die Ergebnisse aus Düsseldorf könnten hierbei eine Schlüsselrolle spielen.
Darüber hinaus trägt das Institut zur Ausbildung der nächsten Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bei. Es bietet Doktoranden- und Postdoktorandenprogramme an, die jungen Talenten die Möglichkeit geben, an den Grenzen des Wissens zu arbeiten und dabei praxisnahe Lösungen zu entwickeln.
Ein Blick in die Zukunft: Eine Nachhaltige Metallproduktion ist Wettbewerbsvorteil
Die Transformation der Metallindustrie ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine ökonomische Chance. Unternehmen, die frühzeitig in Nachhaltige Metallproduktion investieren, könnten sich langfristig Wettbewerbsvorteile sichern. Insbesondere in einem Markt, der zunehmend von Umweltauflagen und einem steigenden Bewusstsein der Verbraucher geprägt ist, wird grüne Technologie zum Verkaufsargument.
Das Max-Planck-Institut für Eisenforschung leistet hierbei Pionierarbeit. Durch die Kombination von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Entwicklung schafft es die Basis für eine klimafreundliche und wirtschaftlich zukunftsfähige nachhaltige Metallproduktion. Die Arbeit des Instituts zeigt, dass Wissenschaft eine entscheidende Rolle dabei spielt, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.
Quellenangaben
- Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH. (n.d.). Geschichte des Instituts. Available at: https://www.mpie.de/4025369/geschichte (Accessed: 8 November 2024).
- Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH. (n.d.). Wasserstoff als zukünftiger Energieträger. Available at: https://www.mpie.de/4806911/hydrogen-as-future-fuel-source (Accessed: 8 November 2024).
- Max-Planck-Gesellschaft. (2024). Nachhaltige Metallproduktion. Available at: https://www.mpg.de/21854142/nachaltige-metallindustrie-gruener-stahl (Accessed: 8 November 2024).
- Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH. (n.d.). Wie lässt sich Materialversagen durch Wasserstoffversprödung verhindern? Available at: https://www.mpie.de/4885551/prevent-hydrogen-embrittlement (Accessed: 8 November 2024).
guteideen.org – Gute Ideen entstehen oft, wenn man merkt es geht nicht so weiter wie bisher.