Agri-Photovoltaik: Wie Obstbau und Solarstrom im Einklang gedeihen

Inmitten der sanften Hügel von Rheinland-Pfalz, genauer gesagt im beschaulichen Gelsdorf, gedeiht nicht nur hochwertiges Obst, sondern auch eine wegweisende Innovation: die gleichzeitige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Obstbau und die Erzeugung von Solarstrom. Diese Methode, bekannt als Agri-Photovoltaik (Agri-PV), könnte die Landwirtschaft nachhaltig transformieren und gleichzeitig zur Energiewende beitragen.

Die Idee hinter Agri-PV ist einfach, aber effektiv: Speziell konstruierte Solarmodule lassen genug Sonnenlicht für das Wachstum der Pflanzen durch, während sie parallel Strom erzeugen. Damit bietet diese Technologie eine Lösung für die wachsende Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen, die zunehmend für Wohnraum, Infrastruktur und erneuerbare Energien genutzt werden sollen. Gleichzeitig schützen die Module die Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen wie Hagel, Starkregen oder starker Sonneneinstrahlung, wodurch die Ernteverluste minimiert werden.

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Unregelmäßige Niederschläge, Hitzewellen und unerwartete Frostperioden haben gravierende Auswirkungen auf die Ernteerträge. Agri-PV könnte hier eine zentrale Rolle spielen, indem sie nicht nur Schutz bietet, sondern durch die erzeugte Solarenergie auch eine nachhaltige Bewässerung und künftige automatisierte Anbaumethoden ermöglicht (Fraunhofer ISE, 2021).

Die Lösung: Agri-Photovoltaik in Gelsdorf

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde im Jahr 2020 auf dem Bio-Obsthof Nachtwey in Gelsdorf Deutschlands erste Agri-PV-Anlage auf einer Obstplantage errichtet (Agglomerationsprogramm, o.D.). Auf einer Fläche von einem Drittel Hektar werden hier acht Apfelsorten unter speziellen Solarmodulen angebaut. Diese Module bestehen aus halbtransparenten Photovoltaik-Paneelen, die in einer optimalen Höhe von etwa fünf Metern über den Bäumen installiert sind. Dadurch bleibt genügend Raum für eine mechanisierte Bewirtschaftung der Obstplantage, während die Module gleichzeitig diffuses Sonnenlicht durchlassen, das für das Wachstum der Pflanzen essenziell ist.

Die spezielle Konstruktion der Module ermöglicht zudem eine dynamische Steuerung der Lichtdurchlässigkeit. Sensoren messen die Lichtintensität und steuern die Module so, dass bei starker Sonneneinstrahlung mehr Schatten gespendet wird, während sie bei bewölktem Wetter mehr Licht durchlassen. Dadurch werden die Früchte nicht nur vor Sonnenbrand und Hitzestress geschützt, sondern es wird auch die Photosyntheseleistung der Pflanzen optimiert.

Zusätzlich zur Stromerzeugung bieten die Module Schutz vor extremen Wetterbedingungen wie Hagel, Starkregen oder Spätfrösten, die in den letzten Jahren zunehmend problematisch geworden sind. Durch die gleichzeitige Nutzung der erzeugten Solarenergie für das Bewässerungssystem und den Antrieb von Elektrofahrzeugen auf dem Hof wird das Konzept noch nachhaltiger und energieeffizienter.

Das Projekt „Agri-PV Obstbau“ ist eine Kooperation zwischen BayWa r.e., dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und weiteren Forschungspartnern (Energie-Experten, 2020). Ziel ist es, die Doppelnutzung von Flächen für Landwirtschaft und Solarstromerzeugung zu erforschen und praktikable Lösungen für die Praxis zu entwickeln. Die Anlage in Gelsdorf dient dabei als Pilotprojekt, um Erkenntnisse über die Auswirkungen verschiedener Photovoltaikmodule auf das Pflanzenwachstum und die Ernteerträge zu gewinnen.

Die ersten Ergebnisse des Projekts sind vielversprechend. Die Apfelproduktion unter den Solarmodulen wird mit dem Anbau unter herkömmlichen Folien und Hagelschutzsystemen verglichen. Dabei zeigt sich, dass die Agri-PV-Anlage nicht nur einen effektiven Schutz für die Pflanzen bietet, sondern auch eine effiziente Stromproduktion ermöglicht. Der erzeugte Strom wird direkt vor Ort genutzt, beispielsweise zum Aufladen eines batterieelektrischen Traktors und zur Versorgung des Bewässerungssystems (Fraunhofer ISE, 2021).

Ein anderes Pionierprojekt: Demeterhof Heggelbach

In der Nähe des Bodensees, auf dem Demeterhof Heggelbach, wurde im Jahr 2016 ein wegweisendes Projekt ins Leben gerufen, das zeigt, wie Landwirtschaft und Solarenergie harmonisch auf derselben Fläche koexistieren können (Hofgemeinschaft Heggelbach, o.D.).

Die Entstehung des Projekts

Die Hofgemeinschaft Heggelbach, bestehend aus mehreren Familien, legt seit jeher großen Wert auf nachhaltiges Wirtschaften. Bereits 2004 wurde der Fokus auf regenerative Energien gelegt, was zur Gründung der Heggelbach Süd GbR führte (Hofgemeinschaft Heggelbach, o.D.). Im Jahr 2016 wurde auf einer 2,5 Hektar großen Fläche eine Agri-Photovoltaik (Agri-PV)-Anlage installiert. Dabei wurden jedoch nur 2.500 Quadratmeter mit Solarmodulen überbaut, während der Rest als Referenzfläche dient. Die Module sind in einer Höhe von etwa sechs Metern über dem Boden angebracht, sodass landwirtschaftliche Maschinen problemlos darunter arbeiten können (Hofgemeinschaft Heggelbach, o.D.).

Ziele und Vorteile der Agri-PV-Anlage

Das Hauptziel der Anlage ist die gleichzeitige Nutzung der Fläche für die Nahrungsmittelproduktion und die Stromerzeugung. Durch die erhöhte Anbringung der Solarmodule bleibt genügend Raum für den Anbau von Nutzpflanzen wie Weizen, Kleegras, Kartoffeln und Sellerie (Hofgemeinschaft Heggelbach, o.D.). Ein weiterer Vorteil ist der Schutz der Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen. Die Module bieten Schatten, was insbesondere in heißen Sommern von Vorteil ist, und schützen vor Hagel und Starkregen (Energiewinde Ørsted, 2022).

Bereits nach dem ersten Projektjahr zeigte sich, dass die Agri-PV-Anlage die Landnutzungseffizienz um über 60 Prozent steigern konnte. Im Hitzesommer 2018 stieg dieser Wert sogar auf 86 Prozent, da die Pflanzen vom Schatten profitierten und gleichzeitig eine hohe Stromproduktion erzielt wurde (Helmholtz Klima, 2023).

Trotz der positiven Ergebnisse gibt es Herausforderungen. Die Installation solcher Anlagen ist mit hohen Investitionskosten verbunden, insbesondere aufgrund der benötigten Gerüstkonstruktionen. Zudem erfordert die Bewirtschaftung unter den Modulen Anpassungen im landwirtschaftlichen Betrieb (Energiewinde Ørsted, 2022). Dennoch zeigt das Projekt auf dem Demeterhof Heggelbach, dass Agri-Photovoltaik ein vielversprechender Ansatz ist, um Landwirtschaft und Energieerzeugung zu verbinden und somit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Agri-Photovoltaik: Eine Win-Win-Situation für Landwirtschaft und Energiewende

Die Agri-Photovoltaik bietet eine vielversprechende Lösung für die Herausforderungen der modernen Landwirtschaft. Durch die Doppelnutzung der Flächen können Landwirte ihre Erträge sichern und gleichzeitig einen Beitrag zur nachhaltigen Energieerzeugung leisten. Projekte wie das in Gelsdorf zeigen, dass diese Technologie nicht nur theoretisch funktioniert, sondern auch in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann. Es bleibt zu hoffen, dass solche Initiativen Schule machen und die Agri-PV bald flächendeckend Einzug in die Landwirtschaft hält.

Quellen

 

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