Wettbewerb „Gemeinsames Wohnen“: Ein Modell für die Zukunft des Wohnungsbaus

Die Wohnraumkrise: Warum wir neue Ansätze brauchen

Die anhaltende Wohnraumkrise in Deutschland betrifft insbesondere Ballungsräume wie Frankfurt am Main, Darmstadt oder Wiesbaden. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum übersteigt das Angebot erheblich, während die Mietpreise weiter steigen. Im Jahr 2024 erreichte die durchschnittliche Miete in Frankfurt 14,11 Euro pro Quadratmeter – ein Anstieg um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr (Welt, 2024a). Besonders betroffen sind Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen, für die es zunehmend schwierig wird, geeigneten Wohnraum zu finden.

Mehrere Faktoren verstärken diese Situation:

  • Begrenztes Bauvolumen: Durch steigende Baukosten und strenge Vorschriften sinkt die Zahl der neuen Bauprojekte. Die Baugenehmigungen in Deutschland sanken im ersten Halbjahr 2024 um über 20 Prozent (Welt, 2024b).
  • Fehlende Flächen: In urbanen Gebieten ist die Verfügbarkeit von Grundstücken knapp. Eine Nachverdichtung wird immer häufiger als Lösung diskutiert.
  • Soziale Herausforderungen: Neben dem Mangel an Wohnraum steht auch die soziale Isolation im Fokus. Die Individualisierung der Gesellschaft lässt das Bedürfnis nach Gemeinschaft wachsen.

Vor diesem Hintergrund gewinnen innovative Projekte, die bezahlbaren Wohnraum mit gemeinschaftlichen Ansätzen verbinden, zunehmend an Bedeutung.

Wettbewerb „Gemeinsames Wohnen“: Ursprung und Ziele

Um kreative Antworten auf die Herausforderungen des Wohnungsbaus zu fördern, wurde der Wettbewerb „Gemeinsames Wohnen“ ins Leben gerufen. Der Wettbewerb ist eine Initiative des Hessischen Wirtschaftsministeriums und wird in Zusammenarbeit mit der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen sowie dem Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) organisiert (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, n.d.).

Seit seiner Einführung im Jahr 2018 richtet sich der Wettbewerb an Architekten, Planer, Genossenschaften und private Initiativen, die zukunftsweisende Modelle für gemeinschaftliches Wohnen entwickeln. Der Fokus liegt auf Projekten, die:

  • Bezahlbaren Wohnraum schaffen: Mietpreise sollen auch für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen erschwinglich bleiben.
  • Gemeinschaft stärken: Gemeinsame Räume und Konzepte sollen nachbarschaftliches Miteinander fördern.
  • Nachhaltigkeit und Innovation: Ressourcenschonende Bauweisen und integrative Wohnmodelle stehen im Vordergrund.
  • Soziale Durchmischung: Wohnprojekte sollen unterschiedliche Zielgruppen, Altersklassen und Einkommensschichten zusammenbringen.

Der Wettbewerb zielt darauf ab, Modellprojekte auszuzeichnen, die als Inspiration für andere Kommunen und Entwickler dienen können.

Erfolgreiche Projekte: Beispiele aus Hessen

„Zum Feldlager“ in Kassel: Ein Leuchtturmprojekt

Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Ziele des Wettbewerbs ist das Wohnprojekt „Zum Feldlager“ in Kassel. Die Wohnanlage, die durch eine Genossenschaft organisiert wird, vereint unterschiedliche Wohnungstypen mit gemeinschaftlich nutzbaren Räumen. So gibt es beispielsweise Gemeinschaftsküchen und Gärten, die den Austausch und das Zusammenleben fördern. Darüber hinaus wird durch die genossenschaftliche Struktur eine langfristige Preisstabilität für die Mieter gewährleistet (Baukultur Hessen, 2024a).

Die Idee für das Projekt entstand aus der Erkenntnis, dass viele Menschen nicht nur bezahlbaren Wohnraum suchen, sondern auch soziale Netzwerke in ihrer Nachbarschaft aufbauen möchten. Mit einem breiten Angebot an Wohnformen – von Einzelapartments bis hin zu Wohngemeinschaften für Senioren – wird eine soziale Durchmischung erreicht, die sowohl junge Familien als auch ältere Menschen anspricht.

„Hessenring“ in Rüsselsheim: Mehr Raum ohne Neubau

Ein weiteres herausragendes Beispiel ist die Wohnanlage „Hessenring“ in Rüsselsheim, die durch Aufstockung und Nachverdichtung zusätzlichen Wohnraum geschaffen hat, ohne neue Flächen zu versiegeln. Die Bauweise berücksichtigt sowohl ökologische Aspekte als auch die Bedürfnisse der Bewohner. Gemeinschaftsflächen wie ein Dachgarten oder ein Co-Working-Bereich fördern zudem den sozialen Austausch (Baukultur Hessen, 2024b).

Nachhaltigkeit und Gemeinsinn: Ein Erfolgsmodell

Ein gemeinsamer Nenner bei allen prämierten Projekten ist die Kombination aus ökologischem Bewusstsein und sozialer Innovation. Nachhaltige Baustoffe, energieeffiziente Bauweisen und ein geringerer Flächenverbrauch tragen zur Klimafreundlichkeit bei. Gleichzeitig sorgen Konzepte wie Gemeinschaftsgärten, Nachbarschaftscafés oder geteilte Arbeitsräume dafür, dass sich die Bewohner als Teil einer aktiven Gemeinschaft fühlen.

Herausforderungen und Potenzial für die Zukunft

Trotz des Erfolgs des Wettbewerbs bleibt die Umsetzung solcher Projekte eine Herausforderung. Finanzierung und Genehmigungsverfahren sind oft komplex und zeitaufwendig. Doch gerade hier zeigt sich der Mehrwert des Wettbewerbs: Er bietet nicht nur eine Plattform zur Würdigung bestehender Projekte, sondern dient auch als Impulsgeber für die politische und gesellschaftliche Diskussion.

Das langfristige Ziel des Wettbewerbs ist es, gemeinschaftliches Wohnen als festen Bestandteil des urbanen Wohnungsbaus zu etablieren. Durch die Förderung von Pilotprojekten sollen Kommunen und Investoren ermutigt werden, ähnliche Ansätze zu verfolgen. Dabei wird auch die Rolle von Genossenschaften immer wichtiger, da sie oft die treibende Kraft hinter solchen Projekten sind.

Fazit: Gemeinsam statt einsam

Der Wettbewerb „Gemeinsames Wohnen“ zeigt, dass innovative und gemeinschaftsorientierte Wohnformen ein Schlüssel zur Lösung der Wohnraumkrise sein können. Projekte wie „Zum Feldlager“ oder „Hessenring“ beweisen, dass sich sozialer Zusammenhalt, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht ausschließen, sondern gegenseitig befruchten können.

Mit weiteren kreativen Ansätzen, der Unterstützung durch öffentliche Förderprogramme und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit kann gemeinschaftliches Wohnen von einer Ausnahme zu einem Modell für die Zukunft werden.


Quellenangaben

Baukultur Hessen (2024a) 4. Hessischer Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau verliehen. Available at: https://www.baukultur-hessen.de/4-hessischer-preis-fuer-innovation-und-gemeinsinn-im-wohnungsbau-verliehen/ (Accessed: 28 November 2024).

Baukultur Hessen (2024b) Genossenschaftliches Wohnprojekt in Kassel prämiert. Available at: https://www.baukultur-hessen.de/4-hessischer-preis-fuer-innovation-und-gemeinsinn-im-wohnungsbau-verliehen/ (Accessed: 28 November 2024).

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (n.d.) Hessischer Preis für Innovation und Gemeinsinn im Wohnungsbau. Available at: https://wohnungsbau.hessen.de/Themen-A-Z/hessischer-preis-fuer-innovation-und-gemeinsinn-im-wohnungsbau (Accessed: 28 November 2024).

Welt (2024a) Mietpreise in Frankfurt steigen erneut. Available at: https://www.welt.de/253549802 (Accessed: 28 November 2024).

Welt (2024b) Rückgang bei Baugenehmigungen in Deutschland. Available at: https://www.welt.de/253038450 (Accessed: 28 November 2024).

 

 

guteideen.org © 2024 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert