Betonkugeln als Stromspeicherung unter Wasser: Die Zukunft der Stromspeicherung?

Die Stromspeicherung ist eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur vollständigen Energiewende. Während erneuerbare Energiequellen wie Sonne und Wind immer mehr an Bedeutung gewinnen, bleibt eine Frage ungelöst: Wohin mit dem überschüssigen Strom, wenn Windräder sich schnell drehen und die Sonne intensiv scheint, aber der Verbrauch niedrig ist? Gleichzeitig muss genügend Energie verfügbar sein, wenn keine Sonne scheint oder der Wind stillsteht. Genau hier kommt eine faszinierende neue Technologie ins Spiel: riesige hohle Betonkugeln als Stromspeicherung. Doch wie funktioniert dieses Konzept, und warum könnte es den Markt für Stromspeicherung revolutionieren?

Warum Stromspeicherung entscheidend ist

Erneuerbare Energien sind unregelmäßig. Ein starker Wind am Nachmittag kann eine Überproduktion an Strom verursachen, während die Nachfrage niedrig ist. In den Abendstunden, wenn der Energiebedarf steigt, stehen die Windräder still. Solarenergie zeigt ein ähnliches Problem: Sie liefert Strom nur tagsüber. Diese Diskrepanz zwischen Energieerzeugung und Verbrauch führt dazu, dass Strom entweder verschwendet wird oder kostspielige Reservekapazitäten benötigt werden.

Batterien gelten bislang als Lösung. Doch Batterien sind teuer, haben begrenzte Lebenszyklen und erfordern seltene Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, deren Gewinnung umweltschädlich ist. Zudem sind sie für die Speicherung sehr großer Energiemengen nicht ideal. Es braucht also neue, kosteneffiziente und nachhaltige Ansätze, um das Energieproblem langfristig zu lösen.

Die Idee hinter den Betonkugeln als Stromspeicherung

Die Lösung könnte tief unter der Meeresoberfläche liegen. Das Konzept, das vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) entwickelt wurde, nutzt die physikalischen Eigenschaften des Wasserdrucks. Das Prinzip ist einfach und doch genial: Eine hohle Betonkugel, die auf dem Meeresgrund verankert wird, dient als Stromspeicherung. Wenn überschüssiger Strom verfügbar ist, wird Wasser aus der Kugel herausgepumpt. Dabei wird elektrische Energie in Form von potenzieller Energie gespeichert. Sobald Energie benötigt wird, lässt man das Wasser zurück in die Kugel strömen. Der dabei entstehende Druck treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Tiefe des Meeres. Je tiefer die Kugel installiert wird, desto höher ist der Wasserdruck, der auf sie einwirkt. Dadurch kann mehr Energie gespeichert werden. Das System ähnelt in seiner Funktionsweise den klassischen Pumpspeicherkraftwerken, bei denen Wasser in ein höher gelegenes Becken gepumpt wird. Doch die Unterwasser-Kugeln sind effizienter, da sie den natürlichen Wasserdruck des Ozeans nutzen, anstatt künstliche Höhenunterschiede zu erzeugen.

Der erste Prototyp: Erfolg im Bodensee

Die Idee mag futuristisch klingen, doch sie wurde bereits erfolgreich getestet. Im Jahr 2016 installierte das Fraunhofer IEE einen ersten Prototyp im Bodensee, einem der tiefsten Seen Deutschlands. Die Kugel hatte einen Durchmesser von drei Metern und wurde in 100 Metern Tiefe verankert. Über vier Wochen hinweg wurden mehrere Lade- und Entladezyklen durchgeführt. Dabei konnte das Team nachweisen, dass das System stabil und zuverlässig funktioniert.

Der Bodensee-Test war eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Realisierung des Konzepts. Er zeigte, dass die Betonkugeln als Stromspeicherung nicht nur theoretisch funktionieren, sondern auch in der Praxis anwendbar sind. Der nächste Schritt ist der Einsatz in größerem Maßstab, diesmal unter realen Bedingungen in tiefem Meerwasser.

 

Der Weg zum Meeresboden: Ein Großprojekt vor Kalifornien

Der nächste Prototyp soll an der Westküste der USA zum Einsatz kommen. Vor der kalifornischen Küste plant das Fraunhofer IEE gemeinsam mit Partnern eine groß angelegte Installation. Die neue Betonkugel hat einen Durchmesser von neun Metern und wiegt 400 Tonnen. Sie wird in Tiefen von 500 bis 600 Metern verankert. Diese tiefen Gewässer bieten ideale Bedingungen, da der Wasserdruck hier deutlich höher ist als im Bodensee.

Das Ziel dieses Tests ist es, die Funktionsfähigkeit des Systems unter den anspruchsvollen Bedingungen des Ozeans zu demonstrieren. Bei einer Tiefe von 600 Metern kann das System eine Leistung von 0,5 Megawatt und eine Kapazität von 0,4 Megawattstunden erreichen. Damit bietet es genug Energie, um beispielsweise eine kleinere Stadt für kurze Zeit mit Strom zu versorgen.

Dieses ehrgeizige Projekt ist eine Zusammenarbeit internationaler Akteure. Neben dem Fraunhofer IEE sind das US-amerikanische Start-up Sperra, das auf 3D-Betondruck spezialisiert ist, und das deutsche Unternehmen Pleuger Industries, das Turbinen- und Pumpentechnologien entwickelt, beteiligt. Gemeinsam arbeiten sie daran, diese neue Form der Stromspeicherung marktreif zu machen.

Wie funktionieren die Betonkugeln als Stromspeicherung im Detail?

Das System basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip. Im geladenen Zustand ist die hohle Kugel leer, das Wasser wurde mit überschüssiger Energie aus ihr herausgepumpt. Um Energie freizusetzen, wird eine Ventilöffnung freigegeben, durch die das umgebende Wasser in die Kugel strömt. Der Wasserdruck treibt eine Turbine an, die die Bewegung des Wassers in elektrische Energie umwandelt.

Der Clou ist, dass die Tiefe des Wassers die Speicherkapazität direkt beeinflusst. In 600 Metern Tiefe wirkt ein Druck von etwa 60 bar auf die Kugel, was bedeutet, dass jede Kubikmeter Wasser, der in die Kugel einströmt, eine enorme Energiemenge freisetzt. Die Effizienz des Systems hängt dabei von der Konstruktion der Kugel und der verwendeten Turbinen ab. Moderne Pumpen- und Turbinentechnologien sorgen dafür, dass die Energieverluste minimal sind.

Vorteile gegenüber herkömmlichen Stromspeicherung

Im Vergleich zu Batteriespeichern bietet das Konzept der Betonkugeln als Stromspeicherung zahlreiche Vorteile. Erstens sind die Kugeln langlebig und erfordern keine seltenen Rohstoffe. Beton und Stahl sind weit verbreitet und günstig. Zweitens ist das System umweltfreundlich, da es keine giftigen Materialien enthält und keinen Abfall produziert. Drittens kann es in großem Maßstab eingesetzt werden. Die Ozeane bieten nahezu unbegrenzte Kapazitäten für die Installation solcher Speicher.

Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität des Systems. Es kann Energie über Stunden, Tage oder sogar Wochen speichern, je nach Größe der Kugel und der Tiefe, in der sie installiert ist. Damit eignet sich das Konzept sowohl für den kurzzeitigen Ausgleich von Netzschwankungen als auch für die langfristige Speicherung von überschüssiger Energie.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es auch Herausforderungen. Die Installation und Wartung der Betonkugeln in großen Tiefen ist technisch anspruchsvoll und kostspielig. Es müssen spezielle Materialien und Verfahren entwickelt werden, um die Kugeln stabil und sicher zu verankern. Auch die Auswirkungen auf die Umwelt müssen sorgfältig geprüft werden, insbesondere in sensiblen maritimen Ökosystemen.

Langfristig könnte das Konzept jedoch eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen. Es bietet eine nachhaltige, skalierbare und kosteneffiziente Lösung für eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Mit fortschreitender Forschung und technologischer Entwicklung könnten die Betonkugeln als Stromspeicherung zu einem integralen Bestandteil der globalen Stromspeicherung werden.

Quellenangaben

 

 

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