Kulturhauptstädtla: Ein Nürnberger Vorzeigeprojekt für nachhaltige Stadtentwicklung

Im Sommer 2019 verwandelte sich der unscheinbare Richard-Wagner-Platz in Nürnberg für einen Monat in einen lebendigen Raum voller Kultur, Gemeinschaft und nachhaltiger Ideen. Das Projekt „Kulturhauptstädtla“, initiiert vom N.ORT Kollektiv, demonstrierte, wie ungenutzte urbane Flächen kreativ und ökologisch sinnvoll belebt werden können. Doch was genau macht das Projekt so besonders, und warum ist es ein Vorbild für andere Städte? Dieser Artikel beleuchtet das Problem, die Lösungsansätze und die erfolgreichen Ergebnisse.

Das Problem: Unorte in unseren Städten

Viele städtische Flächen fristen ein Dasein als sogenannte „Unorte“ – Plätze, die weder gestalterisch noch funktional einen Mehrwert bieten. Der Richard-Wagner-Platz in Nürnberg war ein typisches Beispiel dafür. Trotz seiner zentralen Lage, umgeben von bedeutenden Gebäuden wie dem Staatstheater und der Bundesagentur für Arbeit, fehlte es dem Platz an Aufenthaltsqualität. Er wurde überwiegend als Durchgangsort genutzt, ohne Anreiz zum Verweilen. Solche städtischen Unorte sind nicht nur ästhetisch unattraktiv, sondern auch eine verpasste Chance für soziale Interaktion, kulturelle Aktivitäten und nachhaltige Nutzung.

Darüber hinaus verstärken diese brachliegenden Flächen das Gefühl einer anonymen und entfremdeten Stadt. Sie stehen oft im Kontrast zur dringenden Notwendigkeit, den urbanen Raum effizient und nachhaltig zu nutzen. Ressourcenknappheit, die Klimakrise und der Wunsch nach mehr Lebensqualität in Städten machen es notwendig, über alternative Nutzungskonzepte nachzudenken.

Das N.ORT Kollektiv: Wer steckt dahinter?

Das N.ORT Kollektiv, gegründet im Jahr 2016 in Nürnberg, ist eine Initiative junger Architektinnen, Stadtplanerinnen, Designerinnen und Wissenschaftlerinnen aus den Bereichen Sozial- und Umweltwissenschaften. Die Vision des Kollektivs ist es, städtische Lebensräume neu zu denken und mitzugestalten. Ihr Ziel ist es, durch innovative Konzepte und kreative Ansätze nicht nur ungenutzte Flächen zu beleben, sondern auch gesellschaftliche und ökologische Werte zu fördern.

Das Kulturhauptstädtla wurde 2019 als eines ihrer Vorzeigeprojekte umgesetzt. Mit Sitz in Nürnberg agiert das Kollektiv als gemeinnützige Organisation und arbeitet mit lokalen Partnern, wie der Technischen Hochschule Nürnberg, sowie mit öffentlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen. Durch ihre interdisziplinäre Arbeitsweise vereint das Kollektiv Expertise aus verschiedenen Bereichen, um nachhaltige und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.

Das Kulturhauptstädtla: Ein Projekt mit Weitblick

Vom 29. Juni bis 28. Juli 2019 verwandelte das N.ORT Kollektiv den Richard-Wagner-Platz in einen temporären Begegnungsort. Das Zentrum des Projekts bildete ein Pavillon aus recyceltem Holz, entworfen und gebaut im Rahmen einer Masterarbeit von Benedikt Buchmüller, einem Architekturstudenten der Technischen Hochschule Nürnberg (Technische Hochschule Nürnberg, 2019). Die Struktur diente gleichzeitig als Café, Veranstaltungsort und Bühne.

Ein Herzstück des Kulturhauptstädtlas war das Café, das Speisen und Getränke auf Spendenbasis anbot. Die Besonderheit: Die angebotenen Lebensmittel stammten ausschließlich aus überschüssigen oder geretteten Beständen von lokalen Betrieben. Supermärkte, Marktstände und Gastronomiebetriebe steuerten Produkte bei, die andernfalls entsorgt worden wären (Sonntagsblatt, 2019). Dadurch wurde nicht nur ein Bewusstsein für die Problematik der Lebensmittelverschwendung geschaffen, sondern auch die Möglichkeiten lokaler Kreislaufwirtschaft demonstriert.

Ein Programm für alle: Gemeinschaft erleben

Während des Projektzeitraums bot das Kulturhauptstädtla ein vielfältiges Programm, das gezielt auf die Bedürfnisse und Interessen der Stadtbewohnerinnen zugeschnitten war. Dazu gehörten Urban Gardening, gemeinsames Gärtnern und Workshops zur Begrünung urbaner Räume. Im Repair-Café konnten Besucherinnen defekte Gegenstände mit Hilfe von Expertinnen reparieren und so Nachhaltigkeit praktisch erleben. Die Bühne des Pavillons diente als Plattform für lokale Künstlerinnen, Musikerinnen und Autorinnen. Lesungen, Konzerte und Performances brachten Menschen unterschiedlichster Hintergründe zusammen. Filmvorführungen unter freiem Himmel förderten den kulturellen Austausch und schufen ein Gemeinschaftserlebnis (Stadtmacherei Nürnberg, 2019).

Das Programm wurde bewusst niedrigschwellig gestaltet, um alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Insbesondere Familien, Jugendliche und ältere Menschen fanden hier einen Raum der Begegnung und Teilhabe.

Nachhaltigkeit als Grundpfeiler

Ein zentrales Element des Kulturhauptstädtlas war die konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Neben der Wiederverwendung von Baumaterialien wurden alle genutzten Ressourcen sorgfältig geplant. Die Veranstaltungsstruktur wurde nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft konzipiert. Die verwendeten Materialien waren recycelbar oder wurden nach dem Abbau des Projekts an andere Projekte weitergegeben.

Ein besonderes Beispiel für die kreative Ressourcennutzung war die Konstruktion des Pavillons aus Holzresten, die andernfalls im Müll gelandet wären. Auch die Energieversorgung wurde nachhaltig gestaltet. Der Strom für die Veranstaltungen wurde aus erneuerbaren Quellen bezogen.

Resonanz und Ausblick

Die Reaktionen auf das Kulturhauptstädtla waren durchweg positiv. Täglich strömten Hunderte von Besucherinnen auf den Platz, um die Veranstaltungen zu genießen oder einfach nur die Atmosphäre zu erleben. Lokale Medien und Bürgerinnen lobten das Projekt als beispielhafte Initiative für nachhaltige Stadtentwicklung. Besonders die kreative und gemeinschaftliche Nutzung des öffentlichen Raums wurde hervorgehoben (Nürnberg.de, 2019).

Das Kulturhauptstädtla zeigte eindrucksvoll, wie ein vermeintlich unattraktiver Stadtraum in einen lebendigen und einladenden Ort verwandelt werden kann. Es diente als Modellprojekt, das nicht nur in Nürnberg, sondern auch in anderen Städten zur Nachahmung anregen könnte. Die im Projekt gesammelten Erfahrungen flossen in die weitere Arbeit des N.ORT Kollektivs ein, das inzwischen an neuen Konzepten für nachhaltige Stadtentwicklung arbeitet.

Fazit

Das Kulturhauptstädtla war mehr als nur ein temporäres Kunst- und Kulturprojekt. Es war ein Beispiel dafür, wie kreative Ideen, gemeinschaftliches Engagement und ökologische Verantwortung städtischen Raum neu definieren können. Durch die gelungene Kombination aus Kultur, Nachhaltigkeit und sozialer Teilhabe setzte das N.ORT Kollektiv einen starken Impuls für die Zukunft unserer Städte. Solche Projekte zeigen, dass selbst kleine Initiativen große Wirkung entfalten können, wenn sie die Menschen vor Ort einbinden und inspirieren.

Literaturverzeichnis

Nürnberg.de (2019) Kulturhauptstädtla – N.ORT Kollektiv. Verfügbar unter: https://www.nuernberg.de/internet/agenda21/n_ort.html (Zugriff am 16. November 2024).
Stadtmacherei Nürnberg (2019) Kulturhauptstädtla: Ein Projekt von N.ORT. Verfügbar unter: https://stadtmacherei-nuernberg.de/projekte/n-ort/ (Zugriff am 16. November 2024).
Technische Hochschule Nürnberg (2019) LEONARDO und N.ORT: Ein nachhaltiger Begegnungsraum. Verfügbar unter: https://www.th-nuernberg.de/news/3537-leonardo-und-nort-schaff/ (Zugriff am 16. November 2024).
Sonntagsblatt (2019) Lebensmittelverschwendung im Fokus: Das Café-Projekt Kulturhauptstädtla. Verfügbar unter: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/bayern/wie-das-cafe-projekt-kulturhauptstaedtla-nuernberg-lebensmittelverschwendung (Zugriff am 16. November 2024).

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