Huckepack Kinderförderung gGmbH: Wie ein Bildungsprojekt soziale Ungleichheit bekämpft

Das Problem: Ungleiche Startbedingungen für Kinder in Deutschland

Soziale Ungleichheit beginnt oft früher, als man vermuten würde – bereits im Kindesalter zeigen sich die Folgen sozialer Disparitäten. Kinder aus ökonomisch benachteiligten Familien haben weniger Zugang zu hochwertiger frühkindlicher Bildung, kulturellen Angeboten oder emotionaler Unterstützung. Diese Kinder starten mit einem erheblichen Nachteil in ihre schulische Laufbahn, was sich in geringerem Selbstbewusstsein, schlechteren Noten und geringeren Chancen auf einen höheren Bildungsabschluss äußern kann. Studien belegen, dass sich die Kluft zwischen sozial schwächeren und besser gestellten Familien oft vergrößert, anstatt geschlossen zu werden (Bertelsmann Stiftung, 2020).

Ein weiterer Faktor ist die soziale Segregation: Viele Kitas nehmen Kinder auf, deren Familien sich in ähnlichen sozialen Schichten bewegen. Dadurch fehlen oft der Austausch und das gegenseitige Lernen zwischen Kindern unterschiedlicher Hintergründe. Diese ungleichen Voraussetzungen verstärken nicht nur die persönliche Ungerechtigkeit, sondern haben auch gesamtgesellschaftliche Folgen: Ein Mangel an Chancengleichheit führt langfristig zu weniger sozialem Zusammenhalt und geringerer Innovationsfähigkeit.

Die Lösung: Das Huckepack-Projekt

Die Huckepack gGmbH wurde gegründet, um soziale Ungleichheiten bereits im frühen Kindesalter abzubauen. Die Idee dahinter ist ebenso simpel wie wirkungsvoll: Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten sollen zusammen in einer fördernden Umgebung betreut werden, in der sie voneinander lernen und ihre Potenziale entfalten können. Ergänzt wird dieser Ansatz durch gezielte Bildungs- und Fördermaßnahmen, die soziale, emotionale und kognitive Fähigkeiten der Kinder stärken.

Das Projekt setzt auf Integration und Inklusion, also die bewusste Durchmischung von Kindern verschiedener sozialer und kultureller Hintergründe. Es geht nicht nur darum, Defizite bei sozial benachteiligten Kindern auszugleichen, sondern auch darum, alle Kinder – unabhängig von ihrem familiären Hintergrund – auf ein höheres Niveau der sozialen Kompetenz und des Lernens zu bringen.

Die Entstehung des Projekts

Die Huckepack gGmbH wurde im Jahr 2009 in Chemnitz von Prof. Dr. Udo Rudolph, einem erfahrenen Psychologen, und Dr. André Körner, einem Bildungsforscher, ins Leben gerufen. Beide Gründer waren überzeugt davon, dass Bildung der Schlüssel ist, um soziale Ungerechtigkeit nachhaltig zu bekämpfen. Mit ihrer gemeinsamen Expertise entwickelten sie ein Modell, das wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie mit praktischen Ansätzen der frühkindlichen Bildung verbindet.

Die Wahl der Rechtsform – eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) – war dabei kein Zufall. Diese Form ermöglicht es, effizient wie ein Unternehmen zu arbeiten, aber die Gewinne ausschließlich für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Bis heute arbeitet die Huckepack gGmbH mit einem kleinen, engagierten Team von etwa 15 Mitarbeitenden sowie zahlreichen Ehrenamtlichen und Kooperationspartnern. Der Schwerpunkt liegt in Sachsen, wo sie mit mehreren Kindertagesstätten zusammenarbeitet, die das Konzept erfolgreich umsetzen.

Was das Huckepack-Projekt besonders macht

1. Mentoring-Programme

Das Herzstück des Projekts ist ein Mentoring-Programm, das von Psychologiestudierenden der Technischen Universität Chemnitz durchgeführt wird. Jede Woche verbringen diese Mentorinnen und Mentoren Zeit mit den Kindern und arbeiten gezielt an deren sozialen und emotionalen Kompetenzen. Die Sitzungen beinhalten Rollenspiele, kooperative Spiele und kreative Aktivitäten, die das Selbstbewusstsein und die Konfliktfähigkeit der Kinder fördern.

Ein Beispiel verdeutlicht die Wirkung: Anna, ein fünfjähriges Mädchen, das zu Beginn des Programms oft still und zurückgezogen war, blühte nach nur wenigen Wochen Mentoring auf. Ihre Mentorin führte regelmäßig Gespräche mit ihr, in denen sie lernte, ihre Gefühle auszudrücken. Heute nimmt Anna aktiv an Gruppenspielen teil und hat sogar begonnen, anderen Kindern zu helfen, Konflikte zu lösen.

2. Enge Zusammenarbeit mit den Eltern

Ein weiteres zentrales Element des Huckepack-Projekts ist die Einbindung der Eltern. Viele Programme scheitern daran, dass die erzielten Fortschritte der Kinder im familiären Umfeld nicht unterstützt werden. Deshalb bietet Huckepack regelmäßige Elternabende, Workshops und Einzelgespräche an, in denen Eltern Strategien lernen, um ihre Kinder zu fördern.

Zum Beispiel wurde ein Workshop zum Thema „Umgang mit Wutanfällen“ angeboten, bei dem Eltern Techniken erlernten, um mit schwierigen Situationen gelassener umzugehen. Einer der Teilnehmer, ein alleinerziehender Vater, berichtete später, dass die neu erlernten Methoden nicht nur die Beziehung zu seinem Sohn, sondern auch sein eigenes Stressniveau verbessert hätten.

3. Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

Das Huckepack-Projekt wird kontinuierlich wissenschaftlich begleitet, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen ihre gewünschten Wirkungen entfalten. Eine Studie, die über einen Zeitraum von drei Jahren durchgeführt wurde, zeigte, dass die Kinder, die am Programm teilnahmen, signifikant besser auf die Schule vorbereitet waren als ihre Altersgenossen aus vergleichbaren sozialen Hintergründen. Besonders auffällig waren Verbesserungen in den Bereichen soziale Kompetenz und Sprachfähigkeit.

Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chemnitz, was sicherstellt, dass neue Erkenntnisse aus der Forschung direkt in die Praxis einfließen können.

Erfolge und Herausforderungen

Seit seiner Gründung hat das Huckepack-Projekt Hunderte von Kindern und deren Familien erreicht. Viele dieser Kinder haben dank der Unterstützung des Programms die Grundschule mit überdurchschnittlichen Leistungen begonnen, obwohl sie aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen.

Ein Beispiel ist das Kita-Projekt „Regenbogen“ in Chemnitz. Dort wurde das Huckepack-Konzept vor fünf Jahren eingeführt. Mittlerweile ist die Kita ein Vorzeigemodell für integrative Bildung: Die Kinder arbeiten in altersgemischten Gruppen, und es gibt regelmäßige Projekte, bei denen auch die Eltern einbezogen werden, wie etwa interkulturelle Kochworkshops.

Natürlich gibt es auch Herausforderungen: Der finanzielle Druck ist hoch, und die Abhängigkeit von Fördergeldern und Spenden erschwert die langfristige Planung. Dennoch hat es das Huckepack-Team immer wieder geschafft, neue Unterstützer zu gewinnen – von lokalen Unternehmen bis hin zu internationalen Stiftungen.

Ein Modell für die Zukunft?

Die Huckepack gGmbH zeigt, dass Bildung ein mächtiges Werkzeug ist, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Durch die Kombination von wissenschaftlicher Fundierung, praktischem Ansatz und persönlichem Engagement hat das Projekt eine Blaupause geschaffen, die auch in anderen Regionen und Ländern angewendet werden könnte.

Indem Kinder von Anfang an lernen, dass Vielfalt eine Bereicherung ist und dass jeder unabhängig von seiner Herkunft Chancen verdient, legt das Huckepack-Projekt den Grundstein für eine gerechtere Gesellschaft.

Quellen

  1. Huckepack Kinderförderung e.V. Mentorengestützte Prävention zur Entwicklung sozialer Kompetenzen im Vorschulalter. Verfügbar unter: https://www.huckepack-kinderfoerderung.de
  2. Nimm mich Huckepack – Bildung + Innovation – Innovationsportal des Deutschen Bildungsservers. Verfügbar unter: https://www.bildungsserver.de/innovationsportal/bildungplusartikel.html?artid=1037
  3. Gesellschaftsrecht der gGmbH – SpringerLink. Verfügbar unter: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-20775-5_2
  4. Bertelsmann Stiftung: Bildungschancen in Deutschland. Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de

 

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