Die Herausforderung der Obdachlosigkeit in Hamburg
Hamburg, die pulsierende Metropole im Norden Deutschlands, steht nicht nur für Reichtum und kulturelle Vielfalt, sondern auch für soziale Herausforderungen. Eine der gravierendsten ist die Obdachlosigkeit. Schätzungen zufolge leben in der Hansestadt etwa 2.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. Diese Zahl verdeutlicht die Dringlichkeit, mit der das Thema angegangen werden muss. Obdachlosigkeit ist nicht nur ein Mangel an Wohnraum, sondern oft das Ergebnis komplexer Lebensumstände wie Arbeitslosigkeit, Suchtprobleme oder familiäre Zerwürfnisse. Die Betroffenen sind häufig isoliert und haben kaum Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe.
Die Entstehung von Hinz&Kunzt
Inmitten dieser Problematik entstand 1993 eine Initiative, die das Leben vieler Obdachloser nachhaltig verändern sollte: Hinz&Kunzt. Inspiriert vom britischen Vorbild „The Big Issue“ wurde das Straßenmagazin von Stephan Reimers, dem damaligen Leiter des Diakonischen Werks Hamburg, ins Leben gerufen. Ziel war es, obdachlosen Menschen eine würdige Einkommensquelle zu bieten und gleichzeitig die Öffentlichkeit für ihre Situation zu sensibilisieren. Die erste Ausgabe erschien im November 1993 mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Bereits im Mai 1994 stieg die Auflage auf beeindruckende 150.000 Stück, was den Bedarf und das Interesse der Hamburger Bevölkerung widerspiegelte (Hinz&Kunzt, 2009).
Struktur und Finanzierung
Hinz&Kunzt ist als gemeinnützige GmbH organisiert. Die Gesellschafter sind das Diakonische Werk Hamburg mit einem Anteil von 66,6 % und die Patriotische Gesellschaft von 1765 mit 33,3 %. Diese Struktur gewährleistet eine stabile Basis für die vielfältigen Aktivitäten des Projekts. Die Finanzierung erfolgt zu etwa einem Drittel aus Verkaufserlösen und Anzeigen des Magazins, während die restlichen zwei Drittel durch Spenden gedeckt werden. Öffentliche Zuschüsse erhält Hinz&Kunzt nicht, was die Unabhängigkeit und journalistische Freiheit des Magazins unterstreicht (Hinz&Kunzt, 2023).
Das Magazin und seine Verkäufer
Das monatlich erscheinende Magazin wird von professionellen Journalist erstellt und deckt Themen aus den Bereichen Sozialpolitik, Hamburg und Kultur ab. Die Inhalte sind kritisch und beleuchten gesellschaftliche Missstände, wobei stets konstruktive Lösungsansätze aufgezeigt werden. Die Verkäufer , oft als „Hinz&Künztler“ bezeichnet, erwerben das Magazin für 1,10 Euro und verkaufen es für 2,20 Euro weiter. Der Gewinn von 1,10 Euro pro Exemplar ermöglicht ihnen ein selbstbestimmtes Einkommen. Aktuell sind über 500 Menschen als Verkäufer tätig, darunter Obdachlose, Wohnungslose und Personen in prekären Lebenslagen (Hinz&Kunzt, 2023).
Soziale Unterstützung und Arbeitsprojekte
Neben dem Magazinverkauf bietet Hinz&Kunzt umfassende soziale Unterstützung. Ein Team von Sozialarbeiter steht den Verkäufer bei Suchtproblemen, Geldsorgen oder der Wohnungssuche zur Seite. Zudem werden Postadressen bereitgestellt, die den Betroffenen helfen, wieder in den gesellschaftlichen Alltag integriert zu werden. Ein bemerkenswertes Arbeitsprojekt ist „Spende dein Pfand“ am Hamburger Flughafen. Hier sammeln ehemalige Obdachlose Pfandflaschen, die von Reisenden gespendet werden. Dieses Projekt bietet nicht nur eine Beschäftigung, sondern auch eine sozialversicherungspflichtige Anstellung für die Beteiligten (Hinz&Kunzt, 2023).
Erfolgreiche Projekte und persönliche Geschichten
Die Erfolgsgeschichten von Hinz&Kunzt sind vielfältig. Ein Beispiel ist das Wohnprojekt in der Minenstraße 9, das im September 2021 eröffnet wurde. Hier finden 24 Hinz&Künztler ein Zuhause und profitieren von der Nähe zur Geschäftsstelle, was den Zugang zu Unterstützung erleichtert. Ein weiteres Highlight ist die „Homeless Gallery“, eine Ausstellung mit 30 Kunstwerken, die in Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz und Hinz&Künztler entstanden sind. Diese Ausstellung machte die Lebensgeschichten von Obdachlosen sichtbar und fand großen Anklang in der Hamburger Bevölkerung (Hinz&Kunzt, 2023).
Herausforderungen und Ausblick
Trotz der Erfolge steht Hinz&Kunzt vor Herausforderungen. Die Auflage des Magazins ist in den letzten Jahren zurückgegangen, was auf verändertes Leseverhalten und die Digitalisierung zurückzuführen ist. Zudem steigt die Zahl der Obdachlosen in Hamburg, was den Bedarf an Unterstützung erhöht. Hinz&Kunzt setzt sich weiterhin für innovative Lösungen ein, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Projekte wie „Housing First“, die obdachlosen Menschen direkt Wohnraum bieten, sind vielversprechende Ansätze, die jedoch eine Ausweitung erfordern, um nachhaltig Wirkung zu zeigen (taz, 2023).
Fazit
Hinz&Kunzt ist mehr als nur ein Straßenmagazin. Es ist eine Institution, die seit über 30 Jahren einen bedeutenden Beitrag zur Unterstützung obdachloser Menschen in Hamburg leistet. Durch die Kombination aus journalistischer Arbeit, sozialer Unterstützung und innovativen Projekten bietet Hinz&Kunzt Betroffenen eine Perspektive und sensibilisiert die Gesellschaft für die Herausforderungen der Obdachlosigkeit. Die Erfolgsgeschichten zeigen, dass mit Engagement und Kreativität nachhaltige Veränderungen möglich sind.
Quellen
Hinz&Kunzt (2009). Wie alles begann… Verfügbar unter: https://www.hinzundkunzt.de/wie-alles-begann/
Hinz&Kunzt (2023). Projekt. Verfügbar unter: https://www.hinzundkunzt.de/projekt/
Hinz&Kunzt (2023). Arbeitsprojekt. Verfügbar unter: https://www.hinzundkunzt.de/arbeitsprojekte/
taz (2023). Housing First in Hamburg: Nur ein kleiner Tropfen. Verfügbar unter: https://taz.de/Housing-First-in-Hamburg/!6046585/
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