Mieterstrom: Die urbane Energiewende auf Erfolgskurs

Die Herausforderung: Energieversorgung in Städten neu denken

Die Energiewende ist eines der ehrgeizigsten Vorhaben Deutschlands im 21. Jahrhundert. Mit dem Ziel, den CO₂-Ausstoß drastisch zu reduzieren und fossile Energieträger durch erneuerbare Quellen zu ersetzen, steht das Land jedoch vor einem komplexen Problem: Wie lässt sich eine nachhaltige Energieversorgung in urbanen Ballungsräumen realisieren? Während ländliche Gebiete durch große Windparks und Solarflächen ihre Energieversorgung zunehmend regenerativ gestalten, stoßen Städte an ihre Grenzen.

Ein Kernproblem ist die Struktur urbaner Bebauung. In dicht besiedelten Mehrfamilienhäusern haben Mieter

keine Möglichkeit, durch Photovoltaikanlagen oder private Energiespeicher von der Energiewende zu profitieren. Solche Technologien werden häufig nur auf Einfamilienhäusern oder Industriegebäuden genutzt. Die Folge: Millionen Haushalte sind weiterhin auf den konventionellen Strommix angewiesen, der oft aus fossilen Quellen stammt. Gleichzeitig steigen die Energiekosten, was den Druck auf Verbraucher

erhöht. Diese Problematik hat die Entwicklung innovativer Konzepte notwendig gemacht, die speziell auf städtische Gegebenheiten zugeschnitten sind. Eine dieser Lösungen ist Mieterstrom.

Die Lösung: Was ist Mieterstrom?

Mieterstrom bezeichnet ein Modell, bei dem Strom direkt im Gebäude, beispielsweise durch Photovoltaikanlagen, erzeugt und ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes an die Mieter

weitergegeben wird. Im Gegensatz zur klassischen Stromversorgung entfallen hier Netzentgelte, Umlagen und Steuern, was den Strom günstiger macht. Der produzierte Strom kann auch für Gemeinschaftseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Ladestationen für Elektroautos genutzt werden. Überschüssige Energie wird in das öffentliche Netz eingespeist und vergütet (Bundesnetzagentur, 2024).

Die Idee des Mieterstroms ist nicht neu, aber erst in den letzten Jahren hat das Modell an Dynamik gewonnen. Die Grundlage hierfür ist das 2017 eingeführte Mieterstromgesetz, das die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für solche Projekte schuf. Ziel war es, den Ausbau von Solaranlagen in Städten zu fördern und auch Mieter

an der Energiewende zu beteiligen (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2024).

Erfolgreiche Pioniere: Berliner Stadtwerke und ihre Mieterstromprojekte

Ein herausragendes Beispiel für die praktische Umsetzung von Mieterstrom ist das kommunale Unternehmen Berliner Stadtwerke. Gegründet im Jahr 2014, haben sie sich zur Aufgabe gemacht, nachhaltige Energieprojekte in der Hauptstadt voranzutreiben. Mit einer Vielzahl von Mieterstromprojekten haben sie bereits Tausende Haushalte erreicht. Besonders bemerkenswert ist das Pankeviertel in Berlin-Pankow, eines der größten Mieterstromprojekte Deutschlands.

Hier wurden 14 Gebäude mit insgesamt 24 Photovoltaikanlagen ausgestattet. Diese erzeugen rund 800.000 Kilowattstunden Solarstrom pro Jahr und versorgen mehr als 300 Wohnungen. Neben der Stromversorgung profitieren die Bewohner

von zusätzlichen Angeboten wie E-Ladesäulen und modernisierten Heizsystemen. Die Berliner Stadtwerke stellen auch die digitale Infrastruktur bereit, um die Verbräuche transparent und einfach für die Mieter

nachvollziehbar zu machen (Berliner Stadtwerke, 2024).

Vorbildprojekt: Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg

Einen anderen innovativen Ansatz zeigt die Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg, entworfen vom renommierten Architekten Rolf Disch. Die Siedlung gilt als weltweit erstes Plusenergiequartier. Hier erzeugen 59 Häuser durch Photovoltaikanlagen mehr Energie, als sie verbrauchen. Überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist oder in Batteriespeichern zwischengespeichert.

Das Projekt kombiniert nachhaltiges Bauen mit einer autarken Energieversorgung und zeigt eindrucksvoll, wie Mieterstrommodelle auch in Quartieren mit gemischter Nutzung funktionieren können. Die Solarsiedlung dient heute als Best-Practice-Beispiel für Städte weltweit (Rolf Disch, 2024).

Vorteile von Mieterstrom: Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz

Mieterstrommodelle bieten klare Vorteile:

  1. Nachhaltigkeit: Der direkte Einsatz von Solarstrom reduziert den CO₂-Ausstoß signifikant und macht Städte umweltfreundlicher.
  2. Kosteneffizienz: Da Netzentgelte und Steuern wegfallen, ist Mieterstrom oft günstiger als Strom aus dem öffentlichen Netz.
  3. Infrastrukturmodernisierung: Mieterstromprojekte gehen häufig mit der Einführung moderner Technologien wie Smart Grids und Ladesäulen einher.
  4. Stärkung der lokalen Wirtschaft: Die Installation und Wartung der Anlagen schafft Arbeitsplätze und stärkt lokale Energieversorger.

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz der vielen Vorteile stehen Mieterstrommodelle vor einigen Hürden. Eine zentrale Herausforderung ist die Wirtschaftlichkeit. Da Mieterstromprojekte auf die aktive Teilnahme der Bewohner

angewiesen sind, spielt die Akzeptanz eine entscheidende Rolle. Oft mangelt es jedoch an Information oder Anreizen, wodurch Projekte nur schleppend realisiert werden.

Zudem erschweren bürokratische Hürden und die Komplexität der Mietverträge die Umsetzung. Auch das Mieterstromgesetz wird kritisiert, da die Förderung bislang nicht ausreicht, um die Investitionskosten für Photovoltaikanlagen zu decken. Dennoch ist das Potenzial enorm: Allein in Deutschland könnten über vier Millionen Wohnungen mit Mieterstrom versorgt werden (Fraunhofer ISE, 2024).

Technologische Fortschritte wie die Einführung von Smart Metern und Batteriespeichern könnten die Akzeptanz und Effizienz von Mieterstrom weiter steigern. Smart Grids ermöglichen es, Stromflüsse in Echtzeit zu optimieren und Überschüsse intelligent zu nutzen. Gleichzeitig wird der Ausbau von Elektromobilität zusätzliche Anreize schaffen, Mieterstromprojekte in städtischen Gebieten zu fördern.

Fazit

Mieterstrom ist eine vielversprechende Lösung, um die Energiewende in Städten voranzutreiben. Erfolgreiche Projekte wie das Pankeviertel in Berlin oder die Solarsiedlung in Freiburg zeigen, dass nachhaltige und wirtschaftliche Modelle nicht nur möglich, sondern auch zukunftsweisend sind. Mit weiteren gesetzlichen Anpassungen und technologischem Fortschritt könnte Mieterstrom zu einem zentralen Baustein der urbanen Energiewende werden.


Quellen

  1. Berliner Stadtwerke (2024). Mieterstrom: Solarstrom vom eigenen Dach. Verfügbar unter: https://berlinerstadtwerke.de/energieprojekte/mieterstrom-pankow/
  2. Bundesnetzagentur (2024). Mieterstrommodelle. Verfügbar unter: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/Energie/Vertragsarten/Mieterstrom/start.html
  3. Rolf Disch Solararchitektur (2024). Solarsiedlung am Schlierberg. Verfügbar unter: https://www.rolfdisch.de/projekte/die-solarsiedlung/
  4. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2024). Mieterstromgesetz. Verfügbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/mieterstrom.html

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