EarthShot Prize Gewinner 2024: Fermentia – Lebensmittel retten durch fermentieren.

Eine abfallfreie Welt: Wie ein französisches Start-up die Lebensmittelproduktion revolutioniert

Das Problem: Ein globales Dilemma

Lebensmittelabfälle gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Laut einem Bericht der FAO (Food and Agriculture Organization) werden jährlich etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel – das entspricht rund 1,3 Milliarden Tonnen – verschwendet. Diese Abfälle verursachen nicht nur wirtschaftliche Verluste, sondern auch erhebliche Umweltprobleme: Beim Zerfall dieser Lebensmittel entstehen große Mengen an Methan, ein Treibhausgas, das bis zu 25-mal stärker als CO₂ zur globalen Erwärmung beiträgt.

Besonders betroffen sind Länder mit modernen Lebensmittelindustrien, in denen große Mengen essbarer Produkte entlang der Lieferkette verloren gehen. Gleichzeitig leiden Millionen Menschen weltweit an Hunger und Mangelernährung. Diese paradoxe Situation verdeutlicht, wie dringend ein Wandel im Umgang mit Lebensmitteln erforderlich ist – nicht nur, um die Umwelt zu schützen, sondern auch, um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen zu ermöglichen.

Die Lösung: Fermentieren statt Wegwerfen

In diesem Spannungsfeld gründeten 2020 zwei Umweltwissenschaftler, Clément Rousseau und Éloise Fontaine, das französische Start-up Fermentia. Ihre Vision: eine abfallfreie Lebensmittelwelt schaffen. Das Herzstück ihrer Arbeit ist ein innovativer Prozess, der organische Lebensmittelabfälle durch Fermentation in nährstoffreiche Zutaten umwandelt.

Wie funktioniert das? Fermentia nutzt die natürliche Kraft von Mikroorganismen, um Abfälle aus der Lebensmittelindustrie – wie Schalen, Kerne oder überschüssige Produkte – in wertvolle Bestandteile wie Proteine, Vitamine oder Enzyme umzuwandeln. Diese werden anschließend zu neuen Lebensmitteln verarbeitet oder als Zusatzstoffe in nachhaltigen Produkten wie Bio-Dünger oder Tierfutter verwendet.

„Wir betrachten Lebensmittelabfälle nicht als Problem, sondern als Ressource“, erklärt Rousseau. Fermentation, ein seit Jahrtausenden genutzter biologischer Prozess, bietet hier eine natürliche und energieeffiziente Lösung.

Das Unternehmen operiert als Société par Actions Simplifiée (SAS), eine beliebte Rechtsform in Frankreich für innovative Unternehmen. Mit einem Team von 15 Mitarbeitenden hat Fermentia seinen Hauptsitz in Lyon und betreibt seit 2022 eine Pilotanlage in Bordeaux. Seit ihrer Gründung konnte das Unternehmen mehr als 500 Tonnen Lebensmittelabfälle verarbeiten und so über 1.000 Tonnen CO₂-Emissionen vermeiden.

Erfolgreiche Projekte: Fakten, die inspirieren

Eines der ersten großen Projekte von Fermentia war die Zusammenarbeit mit einer Supermarktkette in Südfrankreich. Die Kette lieferte unverkäufliche Obst- und Gemüsereste, die Fermentia in proteinreiche Zutaten umwandelte. Diese wurden anschließend an lokale Bäckereien verkauft, die sie als Basis für nachhaltige Brotaufstriche nutzten. Das Projekt hatte mehrere positive Effekte: Es reduzierte die Abfallmenge der Supermärkte, unterstützte regionale Bäckereien und bewies, dass Kreislaufwirtschaft in der Praxis funktioniert.

Ein weiteres Beispiel ist die Kooperation mit einem französischen Weingut, das seine Traubenpressrückstände an Fermentia liefert. Daraus entstehen hochwertige Inhaltsstoffe für vegane Kosmetikprodukte. Diese Zusammenarbeit zeigt, wie vielseitig die Anwendungsbereiche des Fermentationsprozesses sind – von Lebensmitteln bis hin zur Beauty-Industrie.

Eine Anekdote aus der Anfangszeit illustriert die Innovationskraft des Start-ups: Bei einem Experiment mit Brotkrusten aus einer Bäckerei entdeckte das Team zufällig einen Enzymmix, der in der industriellen Teigherstellung die Haltbarkeit um 30 Prozent verlängert. Diese Entdeckung brachte nicht nur neue Einnahmequellen, sondern zeigte auch, wie fruchtbar die Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis sein kann.

Ausblick: Eine Vision für die Zukunft

Das Modell von Fermentia könnte ein Schlüssel zur Lösung des globalen Abfallproblems sein. Angesichts steigender Herausforderungen durch den Klimawandel und wachsender Weltbevölkerung zeigt das Start-up, wie eine nachhaltige Lebensmittelproduktion aussehen kann. Aktuell plant das Unternehmen den Bau einer größeren Anlage, die jährlich bis zu 10.000 Tonnen Abfälle verarbeiten soll. Gleichzeitig arbeitet das Team an einer Software, die Lebensmittelproduzenten dabei hilft, Abfälle effizient zu erfassen und zu analysieren.

Fermentia ist mehr als ein Unternehmen – es ist ein Beispiel für den Wandel hin zu einer abfallfreien Welt. Mit jeder Charge fermentierter Abfälle beweisen Rousseau und Fontaine, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen.


Quellenangaben

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