In einer Welt, die zunehmend von industrieller Landwirtschaft und exzessiver Landnutzung geprägt ist, stellt sich die Frage, wie es möglich ist, den Lebensraum bedrohter Tierarten zu schützen und die Biodiversität langfristig zu erhalten. Landwirte und Jäger, die oft als Kontrahenten im Naturschutz gelten, könnten hier jedoch wichtige Akteure für eine nachhaltige Lösung werden – wenn sie ihre Kräfte bündeln und gemeinsam für den Artenschutz eintreten.
Das Problem: Lebensräume in Bedrängnis und das Verschwinden der Arten
Das weltweite Artensterben hat besorgniserregende Ausmaße angenommen: Laut dem Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES sind rund eine Million Arten in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht (IPBES, 2019). Intensivierung der Landwirtschaft, Wildtierjagd ohne Rücksicht auf ökologische Kreisläufe und der Verlust natürlicher Lebensräume sind nur einige der Faktoren, die das Artensterben befeuern.
Landwirte und Jäger stehen in diesem Konflikt oft auf scheinbar gegensätzlichen Seiten: Während Landwirte ihre Anbauflächen und Erträge maximieren wollen, sind Jäger bestrebt, den Wildbestand zu verwalten – oft ohne dabei auf die ökologischen Langzeitfolgen zu achten. Dabei könnte die Zusammenarbeit dieser beiden Gruppen erstaunliche Ergebnisse erzielen, wenn man gemeinsame Ziele verfolgt, wie der Schutz bedrohter Arten oder der Erhalt von Lebensräumen.
Die Lösung: Ein Kollektives Artenschutz-Projekt für nachhaltige Landwirtschaft und Jagd
Das „Kollektive Artenschutz-Projekt“ zielt darauf ab, Bauern und Jäger durch Schulungen und Kooperationen für einen achtsameren Umgang mit der Natur zu sensibilisieren. Es geht darum, weniger invasive Methoden in der Landwirtschaft und Jagd zu etablieren, die den Lebensraum bedrohter Arten schonen und langfristig die Biodiversität schützen.
Die Gründer und das Projekt: Eine interdisziplinäre Vision
Die Idee stammt von der Stiftung Biodiversity Connect, gegründet 2017 von der Biologin Dr. Julia Weber und dem Wildtierökologen Prof. Dr. Stefan Meier. Die Stiftung hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) und beschäftigt mittlerweile rund 20 Mitarbeiter. Ihr Ziel ist es, ein Bewusstsein für die Vorteile einer naturnahen und kooperativen Landnutzung zu schaffen. In Zusammenarbeit mit regionalen Bauernverbänden und Jagdverbänden entwickelt das Team Strategien und Schulungsangebote, die den Beteiligten zeigen, wie sie nachhaltige Methoden in ihre täglichen Praktiken integrieren können.
Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist das Konzept der „Biodiversity Impact Zonen“: bestimmte Gebiete, die von den beteiligten Bauern und Jägern gemeinsam bewirtschaftet werden, um wertvolle Lebensräume für gefährdete Arten zu schützen und wiederherzustellen. Diese Zonen sind ein Pilotprojekt, das langfristig auf weitere Regionen ausgedehnt werden soll.
Erfolgreiche Projekte und konkrete Ergebnisse: Nachhaltige Landnutzung in der Praxis
Ein herausragendes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts ist die Region um das Naturschutzgebiet Schwarzwald-Ried, wo das Projekt im Jahr 2020 erstmals gestartet wurde. Dank einer kooperativen Zusammenarbeit zwischen Landwirten, die ihre Anbaumethoden auf weniger invasive Techniken umgestellt haben, und Jägern, die die Wildtierpopulationen gezielt und moderat steuern, konnten beeindruckende Fortschritte erzielt werden. Der Bestand des seltenen Auerhuhns, das auf Wiesen und lichte Wälder angewiesen ist, hat sich innerhalb von zwei Jahren um 15 Prozent erhöht (BfN, 2021).
Auch ökonomische Anreize spielen bei diesem Projekt eine wichtige Rolle: Die Stiftung fördert den regionalen Ökotourismus, indem sie gezielt „Biodiversity Trails“ entwickelt – Rundwege, die Naturliebhabern Zugang zu den Schutzzonen bieten und gleichzeitig die Einnahmen der Region durch sanften Tourismus fördern. Der Bauernverband Baden-Württemberg berichtet, dass dies zu einem Einkommensplus von etwa 8 Prozent für die beteiligten Landwirte führte, da die Nachfrage nach regionalen Produkten, die aus naturnaher Landwirtschaft stammen, stieg (Bauernverband Baden-Württemberg, 2022).
Mehr als nur ein Projekt: Das kollektive Bewusstsein für Arten- und Naturschutz
Das „Kollektive Artenschutz-Projekt“ bringt nicht nur ökologische, sondern auch soziale und medizinische Vorteile mit sich. Einige der in den Schutzzonen lebenden Pflanzenarten haben potenziell heilende Wirkungen, die in Kooperation mit Universitäten untersucht werden. Die Zusammenarbeit mit der medizinischen Forschung könnte in Zukunft zur Entdeckung neuer Naturheilmittel führen, die der Allgemeinheit zugutekommen. Zudem stärkt das Projekt das Bewusstsein der Bevölkerung für Artenschutz und ökologische Verantwortung.
Durch die Etablierung einer harmonischen Koexistenz zwischen Mensch und Tier zeigt das Projekt, dass ein respektvoller Umgang mit der Natur für beide Seiten – Mensch und Tier – Vorteile bringt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Modell auf weitere Regionen übertragen wird und somit einen wichtigen Beitrag zur Rettung unserer Biodiversität leistet.
Quellenangaben
- IPBES, 2019. „Global Assessment Report on Biodiversity and Ecosystem Services.“ Abgerufen am 3. November 2024 von: https://www.ipbes.net/global-assessment-report-biodiversity-ecosystem-services
- Bundesamt für Naturschutz (BfN), 2021. „Artenschutz in Deutschland: Herausforderungen und Lösungen.“ Abgerufen am 3. November 2024 von: https://www.bfn.de/artenschutz
- Bauernverband Baden-Württemberg, 2022. „Erfolgsmodelle der nachhaltigen Landwirtschaft: Das Projekt Biodiversity Trails.“ Abgerufen am 3. November 2024 von: https://www.bauernverband-bw.de/nachhaltigkeit
- Stiftung Biodiversity Connect, 2024. „Über das Projekt: Nachhaltiger Artenschutz durch Zusammenarbeit.“ Abgerufen am 3. November 2024 von: https://www.biodiversity-connect.de