Das Problem der städtischen Abfälle ist nicht nur ein logistisches, sondern auch ein ökologisches: Tonnenweise organischer Abfall landet täglich in den Müllverbrennungsanlagen, was nicht nur Energie kostet, sondern auch wertvolle Ressourcen verschwendet. Insbesondere in dicht besiedelten urbanen Gebieten stellt sich die Frage, wie diese Abfälle sinnvoller genutzt werden könnten. Schließlich besteht ein erheblicher Teil der Haushaltsabfälle – Schalen von Obst und Gemüse, Kaffeesatz, Teebeutel und Co. – aus biologisch abbaubaren Materialien, die bei richtiger Behandlung in wertvolle Nährstoffe umgewandelt werden können. Doch wohin damit?
In vielen Stadtteilen mangelt es zudem an Grünflächen, an Orten, die der Gemeinschaft dienen und das Bewusstsein für Naturkreisläufe fördern. Die Folge: Stadtbewohner verlieren oft den Bezug zur Natur und den eigenen Beitrag zur Umwelt. Gleichzeitig wächst jedoch das Interesse an städtischer Landwirtschaft und gemeinschaftlichen Gärten, die eine Alternative zur anonymen Supermarktkultur bieten und den Zusammenhalt im Viertel stärken können. Vor diesem Hintergrund entstand die Initiative Urbaner Kompost, die sich der Herausforderung angenommen hat, das Potenzial organischer Abfälle zu nutzen und gleichzeitig städtische Nachbarschaften zu beleben.
Urbaner Kompost: Von der Idee zur Umsetzung
Gegründet wurde Urbaner Kompost von den Umweltaktivisten Sophie Bergmann und Max Krüger, die bereits in anderen Projekten zur urbanen Nachhaltigkeit aktiv waren. Die Idee entstand in einem Café in Berlin-Kreuzberg, als die beiden über Möglichkeiten sprachen, den ökologischen Fußabdruck von Stadtbewohnern zu reduzieren und gleichzeitig ein Gemeinschaftsgefühl zu fördern. Anfang 2020 war es dann so weit: Sophie und Max gründeten das gemeinnützige Unternehmen Urbaner Kompost e.V., das sich auf die Errichtung von Gemeinschaftskompostanlagen in Stadtvierteln spezialisiert.
Der Verein ist mittlerweile in verschiedenen deutschen Städten aktiv und hat sich mit einem Netzwerk aus Freiwilligen, städtischen Partnern und Abfallunternehmen etabliert. Sophie Bergmann, die früher als Biologin in der Umweltforschung tätig war, kümmert sich um die technischen und ökologischen Aspekte des Projekts, während Max Krüger, ein ehemaliger Eventmanager, für die Organisation und Community-Events zuständig ist. Die erste Kompostanlage wurde in Berlin-Neukölln auf einem leerstehenden Hinterhof installiert. Innerhalb weniger Monate zeigte sich, dass das Interesse und die Nachfrage nach solchen Kompostanlagen groß sind: Anwohner waren begeistert von der Idee, ihre Küchenabfälle direkt vor Ort entsorgen und dabei sogar etwas für das eigene Gemüsebeet beitragen zu können.
Ein Gemeinschaftsprojekt wächst und gedeiht
Die Idee ist simpel: In Stadtteilen, in denen genügend Interessierte zusammenkommen, werden Kompostanlagen aufgestellt, die von den Anwohnern gemeinsam gepflegt werden. Dort können sie ihre organischen Abfälle entsorgen, die dann zu wertvollem Kompost verarbeitet werden. Der fertige Dünger steht allen Teilnehmern zur Verfügung und kann in den Beeten genutzt werden, die Urbaner Kompost ebenfalls zur Verfügung stellt. Der Verein unterstützt auch bei der Auswahl von Gemüsearten und gibt Workshops zur Pflanzenpflege. Die ersten Projekte wurden in Berliner Stadtteilen wie Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain umgesetzt, bald folgten weitere Standorte in Hamburg und München.
Ein besonders erfolgreicher Standort befindet sich im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Dort nutzen etwa 80 Haushalte die Kompostanlage, die auf einem öffentlich zugänglichen Hinterhof steht. Durch regelmäßige Treffen, bei denen die Teilnehmer gemeinsam Unkraut jäten und Gemüse pflanzen, hat sich über die Monate ein enger Zusammenhalt gebildet. „Die Nachbarschaft hat sich hier neu gefunden“, erzählt Max Krüger. „Menschen, die sich vorher kaum kannten, tauschen nun Rezepte aus oder treffen sich zum gemeinsamen Ernten.“ Einmal im Jahr veranstaltet Urbaner Kompost in Prenzlauer Berg ein Erntefest, bei dem die Teilnehmer gemeinsam die Früchte ihrer Arbeit genießen – frisch zubereitete Speisen, für die Zutaten direkt aus den eigenen Beeten stammen.
Ein anderes Beispiel für die Wirkung des Projekts findet sich in München im Stadtteil Haidhausen. Dort startete Urbaner Kompost eine Kooperation mit einer lokalen Schule, um bereits Kindern das Prinzip des natürlichen Kreislaufs näherzubringen. Der Biolehrer Tobias Weiß berichtet, dass die Schüler seither ein viel bewussteres Verständnis für die Natur entwickelt haben. „Für die Kinder ist es faszinierend, zu sehen, wie aus Abfall etwas so Wertvolles wie Kompost wird“, erzählt er. Zudem pflegen die Schüler ein eigenes Gemüsebeet auf dem Schulhof, das sie selbst bepflanzen, ernten und so erleben, wie Nahrung im Kreislauf der Natur entsteht.
Neue Wege für die urbane Zukunft
Urbaner Kompost hat in den letzten Jahren gezeigt, dass nachhaltiges Engagement nicht nur der Umwelt hilft, sondern auch das Leben in der Stadt bereichern kann. Durch die Kombination von Kompostierung und urbanem Gartenbau hat der Verein es geschafft, Stadtbewohner zu ermutigen, Verantwortung für ihre Abfälle zu übernehmen und gleichzeitig mehr über ökologische Zusammenhänge zu lernen. Die Gemeinschaftsarbeit, die dadurch entsteht, fördert nicht nur ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, sondern lehrt Menschen einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen.
Mit der zunehmenden Popularität plant der Verein nun, sich auf weitere Städte auszuweiten und sogar Pilotprojekte in europäischen Nachbarländern zu starten. Ein langfristiges Ziel von Sophie Bergmann und Max Krüger ist es, politische Unterstützung für städtische Kompostierung zu erhalten und kommunale Kompostanlagen als festen Bestandteil von Stadtentwicklungsprojekten zu verankern. Doch auch ohne offiziellen Rückhalt wächst die Bewegung stetig: Stadtteil für Stadtteil entwickelt sich Urbaner Kompost zu einem Symbol für nachhaltiges Miteinander in urbanen Räumen.
Quellenangaben
Bergmann, S. & Krüger, M. (2020). Urbaner Kompost e.V. Offizielle Website. https://www.urbanerkompost.org
Müller, L. (2023). „Wertvoller Abfall: Warum urbane Kompostierung das Stadtbild verändert.“ Berliner Umweltmagazin, 15(3), 12-15. https://www.berliner-umweltmagazin.de/artikel/urbane-kompostierung
Schulz, J. (2022). „Städtische Gemeinschaftsprojekte: Wie Abfall zur Ressource wird.“ Die Nachhaltige Stadt, 4(2), 34-39. https://www.nachhaltigestadt.de/gemeinschaftsprojekte
Weiß, T. (2023). „Lernen durch Gärtnern: Münchener Schule setzt auf Eigenanbau.“ Bildung & Umwelt, 21(5), 22-25. https://www.bildungundumwelt.de/schulgarten