Ein Mieterstromprojekt mit Strahlkraft
In der Liboristraße im Dortmunder Stadtteil Körne wird derzeit ein zukunftsweisendes Mieterstromprojekt realisiert. Auf den Dächern der Hausnummern 22 bis 28 wurden rund 500 Solarmodule mit einer Gesamtleistung von knapp 200 Kilowatt-Peak (kWp) installiert. Seit Januar 2025 speist die Anlage Strom ins Netz ein. Ab dem 1. Juni 2025 sollen nun auch die Bewohnerinnen und Bewohner direkt von diesem Sonnenstrom profitieren (BürgerEnergie Dortmund, 2025a).
Was bedeutet Mieterstrom eigentlich?
Mieterstrom ist ein Konzept, das es Mieterinnen und Mietern ermöglicht, lokal erzeugten Solarstrom direkt vom Dach ihres Wohngebäudes zu beziehen – ohne den Umweg über das öffentliche Stromnetz. Technisch wird die auf dem Dach erzeugte Energie zunächst in einen zentralen Hausanschluss eingespeist. Von dort aus fließt sie zu den einzelnen Wohnungen. Über moderne Messeinrichtungen – sogenannte „Smart Meter“ – wird der Verbrauch des Solarstroms getrennt vom Netzstrom erfasst. Der überschüssige Strom, der nicht direkt im Haus verbraucht werden kann, wird ins öffentliche Netz eingespeist und vergütet (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, 2023).
Das Besondere: Der lokal erzeugte Strom ist für die Bewohner meist günstiger als herkömmlicher Haushaltsstrom, da Netzentgelte, Stromsteuer und andere Umlagen entfallen. Dennoch müssen auch Mieterstromkunden zu Spitzenlastzeiten oder bei schlechtem Wetter auf Netzstrom zurückgreifen. Anbieter wie die BürgerEnergie Dortmund eG liefern daher einen sogenannten „Mieterstrommix“, bestehend aus lokalem Solarstrom und ergänzendem Netzstrom. Diese Mischung garantiert Versorgungssicherheit bei gleichzeitig reduziertem CO₂-Ausstoß (Agora Energiewende, 2017).
Rechtlich geregelt ist Mieterstrom im § 21b EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz). Das Modell ist freiwillig – niemand muss sich verpflichten, den Strom zu beziehen. Gleichzeitig ist der Verwaltungsaufwand für Anbieter beträchtlich: Vertragsgestaltung, Messtechnik, Abrechnung und Förderanträge machen Mieterstrom bislang zu einem eher selten umgesetzten Modell. Laut einer Analyse des BDEW (2023) sind in Deutschland bisher nur rund 400 echte Mieterstromanlagen in Betrieb – bei einem Potenzial von mehreren Tausend Projekten.
Wer steckt hinter dem Dortmunder Mieterstromprojekt?
Treibende Kraft hinter diesem Mieterstromprojekt ist die im Mai 2023 gegründete BürgerEnergie Dortmund eG – eine Genossenschaft, deren Ziel es ist, die Energiewende durch bürgergetragenen Ausbau von Photovoltaik voranzubringen. Der Ansatz: Menschen schließen sich zusammen, investieren gemeinsam in Solaranlagen auf geeigneten Dächern und profitieren ökologisch wie wirtschaftlich von der lokalen Stromproduktion (Nordstadtblogger, 2025a). Das Mieterstromprojekt an der Liboristraße ist ihr erstes großes Vorhaben.
Mieterstromprojekt: Engagement statt Profit
Was das Mieterstromprojekt besonders macht: Die Genossenschaft arbeitet vollständig ehrenamtlich. Ob technische Planung, Buchhaltung, Öffentlichkeitsarbeit oder Mitgliederwerbung – alles geschieht durch engagierte Bürgerinnen und Bürger, die ihre Expertise einbringen wollen. Einsteigen kann man bereits mit einem Anteil von 100 Euro (Nordstadtblogger, 2025b).
„Wir sind überzeugt, dass lokale Mieterstromprojekte das Rückgrat der Energiewende sein müssen“, sagt eines der Gründungsmitglieder in einem Interview (Mengede: InTakt!, 2025).
Widerstände und Lösungen
Mieterstromprojekte gelten in Deutschland zwar als vielversprechend, doch sie sind organisatorisch komplex. Der Rechtsrahmen ist anspruchsvoll, Netzanschlüsse und Messtechnik müssen genau geplant, Förderungen beantragt und Verträge mit Mietern geschlossen werden. In Dortmund kam zusätzlich erschwerend hinzu, dass die meisten Hausverwaltungen wenig Erfahrung mit solchen Modellen hatten – ein Umstand, den die Genossenschaft mit zahlreichen Informationsveranstaltungen zu beheben versuchte (BürgerEnergie Dortmund, 2025b).
Auch die Anmeldung beim Netzbetreiber konnte sich als Geduldsprobe entpuppen: Wochenlange Wartezeiten waren keine Seltenheit. Doch der Aufwand hat sich gelohnt – das Mieterstromprojekt ist startklar.
Ein Vorbild für andere Städte
In einer Zeit, in der die Energiewende oft durch politische Bremsspuren und hohe Investitionshürden ausgebremst wird, zeigt das Projekt in der Liboristraße, wie zivilgesellschaftliches Engagement konkrete Veränderung schafft. Die BürgerEnergie Dortmund eG plant bereits weitere Anlagen in anderen Stadtteilen – sofern sich geeignete Dächer und motivierte Miteigentümer finden (Mengede: InTakt!, 2025).
Solche Modelle können nicht nur den CO₂-Ausstoß senken, sondern auch das Bewusstsein für Energieverbrauch in der Nachbarschaft stärken. Gerade in städtischen Gebieten, in denen viele Menschen zur Miete wohnen und selbst kein eigenes Dach besitzen, bietet Mieterstrom eine wichtige Option zur Teilhabe an der Energiewende.
Sonnenstrom als Gemeinschaftsleistung
Das Dortmunder Beispiel beweist, dass Energiewende nicht von oben verordnet werden muss. Wenn Menschen sich zusammentun, rechtliche und technische Hürden gemeinsam meistern und dabei auch noch wirtschaftlich profitieren – dann entsteht etwas Nachhaltiges. Die Liboristraße ist damit nicht nur ein Straßenzug in Dortmund, sondern ein Symbol für die Kraft lokaler Initiativen.
Quellenangaben
- Agora Energiewende (2017). Mieterstrom: Modelle, Potenziale und Perspektiven für eine dezentrale Energiewende. Verfügbar unter: https://static.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2016/Mieterstrom/Agora_Mieterstrom_Papier_WEB.pdf [Zugriff am 23. Mai 2025].
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023). Energieeffizienz und Mieterstrom. Verfügbar unter: https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Energie/mieterstrom.html [Zugriff am 23. Mai 2025].
- BürgerEnergie Dortmund (2025a). Projekt Liboristraße – Mieterstrom für die Hausgemeinschaft. Verfügbar unter: https://buergerenergiedortmund.de/projekt-liboristrasse/ [Zugriff am 23. Mai 2025].
- BürgerEnergie Dortmund (2025b). Libori – BürgerEnergie Dortmund eG Projekte. Verfügbar unter: https://buergerenergiedortmund.de/projekte/libori/ [Zugriff am 23. Mai 2025].
- Nordstadtblogger (2025a). Die Genossenschaft „BürgerEnergie Dortmund eG“ errichtet ihre ersten Photovoltaik-Anlagen. Verfügbar unter: https://www.nordstadtblogger.de/die-genossenschaft-buergerenergie-dortmund-eg-errichtet-ihre-ersten-photovoltaik-anlagen/ [Zugriff am 23. Mai 2025].
- Nordstadtblogger (2025b). Bürgerenergiegenossenschaft realisiert erstes großes Solarprojekt in der Liboristraße in Körne. Verfügbar unter: https://www.nordstadtblogger.de/buergerenergiegenossenschaft-realisiert-erstes-grosses-solarprojekt-in-der-liboristrasse-in-koerne/ [Zugriff am 23. Mai 2025].
- Mengede: InTakt! (2025). Sonnenstrom von Dortmunds Dächern: Ein Genossenschaftsprojekt wächst. Verfügbar unter: https://www.mengede-intakt.de/2025/01/22/sonnenstrom-von-dortmunds-daechern/ [Zugriff am 23. Mai 2025].
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