Senioren werden Kita-Naturbotschafter in Schleswig-Holstein und zeigen Kindern die Natur.

In Schleswig-Holstein starten jetzt Seniorinnen und Senioren ein neues Ehrenamt, das Naturerfahrung mit generationsübergreifender Bildung verbindet: In den Regionen Lübeck, Plön, Neumünster und Bad Segeberg können ältere Menschen sich zu sogenannten Kita-Naturbotschafterinnen und -botschaftern ausbilden lassen. Ziel ist es, Kinder in Kitas für Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit zu begeistern – und zugleich die Erfahrung und Weisheit der Älteren ins pädagogische Geschehen einzubringen. Ein Modell, das Brücken zwischen Generationen baut und Antworten auf gleich mehrere gesellschaftliche Herausforderungen gibt.

Von der Rente in die Naturvermittlung

Die Initiative, die seit Anfang 2025 in den vier Kreisen und Städten läuft, wurde vom Netzwerk „Natur in Kitas Schleswig-Holstein“ initiiert, einem Zusammenschluss aus Umweltverbänden, Kommunen und Bildungseinrichtungen. Koordiniert wird das Projekt durch den Landesverband Naturschutz Schleswig-Holstein (LKN SH), der die Erwachsenenbildung im Umweltbereich lange vorantreibt. Unterstützt wird es außerdem vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein.

„Die Idee entstand aus der Beobachtung, dass viele Seniorinnen und Senioren ihre Zeit nach dem Berufsleben sinnvoll nutzen wollen, aber häufig nicht wissen, wie sie ihre Zeit mit gesellschaftlichem Mehrwert füllen können“, erklärt Dr. Anne Petersen, Projektleiterin beim LKN SH. „Zugleich gibt es in Kitas großen Bedarf an Fachwissen und persönlicher Begleitung bei Naturprojekten. Die Kita-Naturbotschafter verknüpfen diese Bedürfnisse auf ganz natürliche Weise.“

Externes Video bei der ARD: https://www.ardmediathek.de/video/morgenmagazin/ehrenamt-kita-naturbotschafter/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21vcmdlbm1hZ2F6aW4vYjA5MGRjMjQtMWFlNS00YzNjLTkxMTQtNjFkMjY0OWY4ZGY3

Warum Seniorinnen und Senioren?

Senioren verfügen häufig über umfangreiche Lebens- und Berufserfahrung, Zeit und die Motivation, sich sozial zu engagieren. Gerade in ländlichen Regionen Schleswig-Holsteins, wo es oft an pädagogischem Personal mit speziellem Umweltwissen mangelt, können Ältere eine wichtige Lücke füllen. Außerdem fördert der regelmäßige Kontakt mit Kindern die soziale Teilhabe der Seniorinnen und Senioren und wirkt Vereinsamung entgegen – ein wachsendes Problem im demografischen Wandel.

Diese Doppelrolle – Brückenbauer und Wissensvermittler – macht das Konzept so wertvoll. „Unsere Kita-Naturbotschafter sind keine Ersatzlehrkräfte, sondern freundliche Begleiter, die mit den Kindern nach draußen gehen, kleine Experimente machen und Geschichten erzählen“, so Petersen. Die pädagogischen Fachkräfte der Kitas bleiben selbstverständlich die Verantwortlichen.

Ausbildung und Inhalte: Naturpädagogik für Einsteiger

Bevor die Senioren in den Kitas aktiv werden, erhalten sie eine gezielte Ausbildung. In einem modularen Kursprogramm lernen sie kindgerechte Methoden der Naturvermittlung, Grundlagen der Pflanzen- und Tierwelt der Region sowie didaktische Fähigkeiten. Die Weiterbildung umfasst praktische Einheiten, etwa zum Bau von Insektenhotels, zum Bestimmen von Vogelstimmen und zu Umweltprojekten, die in der Kita umgesetzt werden können.

„Die Ausbildung dauert etwa 40 Stunden und wird als ehrenamtliche Weiterbildung mit Teilnahmebestätigung angeboten“, erläutert Dr. Petersen. „Wir legen großen Wert darauf, dass sich die Seniorinnen und Senioren in ihrem Tempo weiterbilden können und nicht überfordert sind.“ Die Kurse finden in kleinen Gruppen statt, oft in Kooperation mit Volkshochschulen und Umweltzentren.

Erste Erfolge und Rückmeldungen

Bereits seit 2023 liefen Pilotprojekte in einzelnen Kitas in Lübeck und Umgebung. Die Resonanz ist durchweg positiv: „Die Kinder lieben die Ausflüge mit den Kita-Naturbotschaftern“, berichtet Kita-Leiterin Sabine Müller aus Lübeck. „Es sind keine normalen Ausflüge, sondern kleine Abenteuer, bei denen sie die Natur mit allen Sinnen erleben.“ Für die Seniorinnen und Senioren sei es „ein Geschenk, die Freude der Kinder zu sehen und das Wissen weitergeben zu können“.

Der 72-jährige Klaus Hansen, einer der ersten zertifizierten Kita-Naturbotschafter, erzählt: „Ich habe früher als Gärtner gearbeitet und fühle mich hier richtig wertgeschätzt. Die Kinder stellen so viele Fragen – das hält auch meinen Geist fit.“ Ähnliche Erfahrungen machen viele der rund 60 bisherigen Teilnehmer aus den Pilotregionen.

Herausforderungen und offene Fragen

Trotz der vielen positiven Aspekte gibt es auch Herausforderungen: Die Organisation und Koordination zwischen Kitas und Ehrenamtlichen ist aufwändig, zudem erfordert die Begleitung der Kinder eine gute Absprache mit den pädagogischen Teams. Nicht alle Seniorinnen und Senioren fühlen sich körperlich fit genug für regelmäßige Naturaktivitäten, was bei der Auswahl und Betreuung berücksichtigt wird.

Außerdem ist die langfristige Finanzierung der Ausbildung und Betreuung noch nicht vollständig gesichert. Das Projekt wird bisher durch Landesmittel und Förderprogramme unterstützt, die aber befristet sind. „Wir hoffen auf eine nachhaltige Verankerung in der kommunalen Bildungspolitik“, so Dr. Petersen.

Warum gerade jetzt das Projekt „Kita-Naturbotschafter“?

Das Projekt kommt zu einer Zeit, in der die Bedeutung von Umweltbildung wächst – nicht nur in Schulen, sondern schon im frühkindlichen Bereich. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass frühe Naturerfahrungen das Umweltbewusstsein langfristig prägen und psychische sowie motorische Entwicklung der Kinder fördern (vgl. Ernst, 2014; Wells & Lekies, 2006). Parallel dazu wächst der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung, deren Potenziale für die Gesellschaft oft unterschätzt werden.

In Schleswig-Holstein, einem der Flächenländer mit relativ hoher Lebenserwartung und zugleich ländlich geprägter Bevölkerung, ist das Modell besonders geeignet. Es adressiert gleich zwei Trends: den Wunsch nach aktiver Seniorenteilnahme und die Notwendigkeit, Kinder früh für Natur und Umwelt zu begeistern.

Ausblick: Vernetzung und Skalierung

Das Projekt „Kita-Naturbotschafter“ will nun auf weitere Regionen Schleswig-Holsteins ausgeweitet werden. Die Akteure setzen auf Vernetzung mit Seniorenzentren, Naturschutzvereinen und Bildungsträgern. Auch digitale Fortbildungsangebote und Begleitmaterialien sind in Planung, um das Engagement für alle Beteiligten attraktiver zu machen.

Langfristig könnten ähnliche Modelle bundesweit Schule machen. Denn während der gesellschaftliche Dialog über Klimawandel und Naturschutz intensiv geführt wird, gilt es, mit praktischer, generationsübergreifender Bildung bereits im Kindesalter anzusetzen – und ältere Menschen als wertvolle Partner dafür zu gewinnen.

Fazit

Das Projekt „Kita-Naturbotschafter“ in Schleswig-Holstein zeigt eindrucksvoll, wie sich gesellschaftliche Herausforderungen kreativ verknüpfen lassen: Die Verbindung von Seniorenerfahrung und frühkindlicher Naturbildung stärkt soziale Teilhabe, Umweltbewusstsein und generationsübergreifende Solidarität. Es ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Ehrenamt, Bildung und Umwelt miteinander verwoben werden können – mit Gewinn für alle Altersgruppen.


Quellen

guteideen.org © 2025 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert