Der Mann mit dem Besen: Wie Tom Pungel am Biggesee gegen Zigaretten kämpft

Posted on by guteidee

Am Ufer des Biggesees, inmitten von Wanderern, Radfahrern und Picknickdecken, liegt etwas, das kaum jemand sieht – und doch eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit darstellt: Zigarettenkippen. Für Tom Pungel ist es kein übersehener Kleinschmutz, sondern ein Zeichen kollektiver Gleichgültigkeit. Und ein persönlicher Auftrag.

Vom Gitarrenlehrer zum Müllsammler

Tom Pungel, 44 Jahre alt, ist Gitarrenlehrer in Attendorn. Musik ist sein Beruf – das Sammeln von Kippen seine Berufung geworden. Was mit dem Impuls begann, „seinen“ Spazierweg in der Waldenburger Bucht sauber zu halten, hat sich zu einem unbeirrbaren Ritual entwickelt. Bei Wind und Wetter ist Tom Pungel mit Besen und Kehrblech unterwegs, auf der Suche nach den kleinen weißen Filtern, die oft beiläufig in die Landschaft geschnippt werden.

An Spitzentagen findet er bis zu 1.000 Kippen auf einem einzigen Abschnitt – eine ernüchternde Bilanz, wenn man bedenkt, wie lange diese scheinbar kleinen Abfälle in der Natur verbleiben (WDR, 2024).

Warum Zigarettenkippen so gefährlich sind

Zigarettenkippen gehören weltweit zu den häufigsten Einwegkunststoffen. Ihr Filter besteht aus Celluloseacetat, einem Kunststoff, der nur langsam verrottet und dabei Mikroplastik freisetzt. Zusätzlich enthalten Kippen über 7.000 chemische Substanzen – darunter Blei, Arsen und Nikotin. Schon eine einzige Kippe kann bis zu 1.000 Liter Wasser kontaminieren (Verbraucherzentrale NRW, 2022).

Eine umfassende Studie der WHO verdeutlicht: Zwei Drittel aller weltweit gerauchten Zigaretten – jährlich rund 5,6 Billionen – enden auf dem Boden. Sie landen in Parks, Straßengräben, Flüssen, an Stränden – und eben auch am Biggesee (Tagesschau, 2023).

Ein Ehrenamt mit Gegenwind

Was Tom Pungel tut, könnte man als modernes Ehrenamt bezeichnen – oder als stille Rebellion gegen die Trägheit der Masse. Doch seine Aktion ist nicht immer willkommen. Während manche Spaziergänger ihm danken, erntet er von anderen Ablehnung – vereinzelt auch Drohungen. Der stille Aktivismus fordert nicht nur Ausdauer, sondern auch Haltung. Tom Pungel bleibt sachlich und zugewandt. Ihm geht es nicht um Anklage, sondern um Bewusstsein.

Parallel verteilt er Taschenaschenbecher an Raucherinnen und Raucher. Nicht, um zu belehren, sondern um Alternativen zu zeigen. Sein Ansatz: Freundlich bleiben, Gespräche suchen, Verständnis wecken – ein bemerkenswert deeskalierender Stil im oft polarisierten Umweltengagement (WDR, 2024).

Kommunale Strategien: Vorbilder und Innovationen

Der Kampf gegen Kippenmüll ist längst auch in Städten und Gemeinden angekommen. In Marburg etwa setzt die Stadt auf technische Innovation: Die sogenannte „City Bee“, ein handliches Absauggerät für Zigarettenkippen, kommt dort testweise zum Einsatz – auch zur Ausleihe für engagierte Bürger*innen (Deutscher Städtetag, 2024).

Andere Orte setzen auf Aufklärungskampagnen. Altötting sensibilisiert mit der Aktion #AÖKIPPENFREI und aufgestellten Kippensammlern. Dresden wiederum arbeitet mit der Initiative „Schnipp und weg“, die mittels provokativer Plakatmotive und Sammelbehälter Raucher zum Umdenken animieren soll (Stadt Altötting, 2023; MDR, 2023).

Dennoch bleibt das Problem strukturell ungelöst: Der Bund lehnt bislang eine Herstellerverantwortung – etwa in Form von Umweltabgaben – für Tabakfirmen ab. Die Reinigungskosten für die Straßenreinigung trägt weiterhin die Allgemeinheit. Allein in Deutschland belaufen sich diese jährlich auf rund 225 Millionen Euro (Verbraucherzentrale NRW, 2022).

Umweltbildung statt Verbote

Was Tom Pungel am Biggesee betreibt, ist ein Ansatz, der heute Seltenheitswert hat: Er konfrontiert nicht mit Schuld, sondern lädt zur Mitverantwortung ein. Sein Engagement hat mittlerweile auch medial Aufmerksamkeit gefunden. Der WDR porträtierte ihn als „Kippenaktivist“ – ein Begriff, der bei aller Medienwirksamkeit zu kurz greift. Denn Pungel ist kein lautstarker Protestler, sondern ein stiller Transformator im Nahbereich.

Während vielerorts auf Bußgelder und Verbote gesetzt wird, zeigt er, dass Umweltbildung im direkten Dialog oft wirksamer ist – auch wenn sie mühsamer ist.

Ein See als Spiegelbild

Der Biggesee ist ein touristisches Juwel im Sauerland. Doch seine Beliebtheit bringt Probleme mit sich: Massenbesuche im Sommer, Grillabende, Partys – und die übliche Hinterlassenschaft aus Plastikbechern, Verpackungen und eben Zigarettenresten. Die kommunalen Reinigungsdienste kommen oft nicht hinterher. Menschen wie Tom Pungel füllen genau diese Lücke – ehrenamtlich, unbeachtet, unbezahlbar.

Fazit: Ein Besen, der Wirkung zeigt

Tom Pungel hat nicht vor, aufzuhören. Im Gegenteil: Seine Spaziergänge mit Besen und Kehrblech sind für ihn längst zur Philosophie geworden – zur kleinen täglichen Weltverbesserung. Er beweist, dass es nicht immer große Organisationen oder Millionenbudgets braucht, um etwas zu bewegen. Manchmal reicht ein achtsamer Blick auf den Boden.

Wenn Tom Pungel von einem Biggesee ohne Kippen träumt, mag das naiv klingen. Doch es ist gerade diese Naivität, die im besten Sinne ansteckend wirkt.

Quellen

guteideen.org © 2025 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel. 

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