Das Problem: Umweltbelastung durch Textilproduktion und landwirtschaftliche Abfälle
Die Textilindustrie gehört zu den größten Umweltverschmutzern der Welt. Schätzungen zufolge ist sie für rund 10 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich – mehr als internationale Flüge und die Schifffahrt zusammen. Die Produktion synthetischer Fasern wie Polyester, die in etwa 60 % aller Kleidungsstücke enthalten sind, basiert auf fossilen Brennstoffen und erfordert enorme Mengen an Energie und Wasser. Besonders problematisch ist, dass Polyester und andere Kunstfasern Mikroplastikpartikel absondern, die beim Waschen in die Umwelt gelangen und schließlich in den Ozeanen landen.
Gleichzeitig produziert die Landwirtschaft riesige Mengen an Nebenprodukten und Abfällen. In Kenia fallen jährlich Millionen Tonnen an landwirtschaftlichen Reststoffen an, darunter Zuckerrohr-Bagasse, Bananenschalen und Maisstroh. Diese Abfälle werden oft einfach verbrannt, was nicht nur CO₂-Emissionen freisetzt, sondern auch wertvolle organische Ressourcen ungenutzt lässt.
Die Kombination dieser beiden Herausforderungen – die umweltschädliche Textilproduktion und die ineffiziente Nutzung von Agrarabfällen – erfordert innovative Lösungen.
Die Lösung: Rethread Africa – Von der Idee zur Umsetzung
Gründung und Vision
Mit dem Ziel, diese Probleme zu lösen, gründete Charles Oyamo 2022 das kenianische Start-up Rethread Africa. Oyamo, der aus einer landwirtschaftlich geprägten Familie stammt, erkannte früh das ungenutzte Potenzial der Agrar-Nebenprodukte. Während seines Studiums der Entwicklungskommunikation an der Universität Nairobi kam er mit nachhaltigen Innovationsansätzen in Berührung. Die Idee, Abfallstoffe in biobasierte Textilien umzuwandeln, entstand aus der Notwendigkeit heraus, neue Wege für nachhaltige Produktion und wirtschaftliche Entwicklung zu finden.
Rethread Africa setzt sich dafür ein, die Textilindustrie zu transformieren, indem es fossile Rohstoffe durch pflanzliche Alternativen ersetzt. Gleichzeitig will das Unternehmen Kleinbauern eine neue Einkommensquelle bieten, indem es ihre landwirtschaftlichen Abfälle aufkauft und weiterverarbeitet.
Unternehmensstruktur und Arbeitsweise
Das Start-up arbeitet als Sozialunternehmen mit einem klaren Doppelziel: Es möchte einerseits ökologische Nachhaltigkeit fördern und andererseits wirtschaftliche Chancen für lokale Gemeinschaften schaffen. Die Rechtsform des Unternehmens ist eine Limited Company mit sozialem Impact-Fokus.
Das Team von Rethread Africa umfasst Expert:innen aus den Bereichen Biotechnologie, Materialwissenschaften und nachhaltige Entwicklung. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht es, innovative Lösungen zu entwickeln, die nicht nur theoretisch funktionieren, sondern auch praktisch umsetzbar sind.
Technologie und Produkte
Das Unternehmen nutzt eine speziell entwickelte biotechnologische Methode, um landwirtschaftliche Abfälle wie Zuckerrohr-Bagasse in umweltfreundliche Textilfasern umzuwandeln. Durch mikrobiologische Fermentation werden Polyhydroxyalkanoate (PHA) gewonnen – eine biobasierte Alternative zu synthetischen Polymeren. Das Endprodukt ist ein biologisch abbaubarer Stoff, der sich sowohl für die Mode- als auch für die Sportbekleidungsindustrie eignet.
Eine weitere Innovation von Rethread Africa ist das „CottonCycle“-System, das sich auf das Recycling von Textilabfällen konzentriert. Hierbei werden Polyester- und Baumwollfasern mithilfe eines speziellen Verfahrens getrennt, sodass beide Materialien wiederverwendet werden können. Während Polyester nahezu vollständig recycelt wird, kann Baumwolle in ein superabsorbierendes Polymer umgewandelt werden, das als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft dient. Dieses Polymer hilft, Wasser im Boden zu speichern und trägt so dazu bei, die Erträge in trockenen Regionen zu steigern.
Erfolgreiche Umsetzung und reale Projekte
Pilotprojekte und Partnerschaften
Rethread Africa hat bereits mehrere Pilotprojekte in Kenia gestartet, insbesondere im Homa-Bay-County im Westen des Landes. Die Zusammenarbeit mit Kleinbauern ist dabei ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells. Bauern, die früher ihre Ernteabfälle einfach verbrannten, haben nun die Möglichkeit, diese an Rethread Africa zu verkaufen und sich so eine zusätzliche Einnahmequelle zu erschließen.
Ein Bauer aus Olare berichtete, dass er durch die Zusammenarbeit mit Rethread Africa sein monatliches Einkommen um 40 % steigern konnte. Zuvor hatte er keine Möglichkeit, seine landwirtschaftlichen Nebenprodukte gewinnbringend zu nutzen. Nun liefert er regelmäßig Zuckerrohr-Bagasse an das Unternehmen, das daraus nachhaltige Fasern herstellt.
Das Start-up arbeitet zudem mit lokalen Textilfabriken zusammen, um die neuen Materialien in die Wertschöpfungskette zu integrieren. Einige kenianische Modehersteller haben bereits begonnen, mit Rethread Africa zusammenzuarbeiten und die biobasierten Stoffe in ihren Kollektionen einzusetzen.
Internationale Anerkennung und Auszeichnungen
Die innovativen Ansätze von Rethread Africa haben dem Unternehmen internationale Anerkennung eingebracht. 2023 wurde es als erstes afrikanisches Start-up mit dem renommierten Global Change Award der H&M Foundation ausgezeichnet. Diese Auszeichnung, die oft als „Nobelpreis der Mode“ bezeichnet wird, ehrt Unternehmen, die die Modeindustrie nachhaltiger gestalten.
Zusätzlich gewann Rethread Africa die „Make It Circular Challenge“, die von der IKEA Foundation und What Design Can Do organisiert wird. Dieser Wettbewerb fördert Start-ups, die Kreislaufwirtschaftslösungen für globale Umweltprobleme entwickeln.
Die Unterstützung durch diese Initiativen hilft dem Unternehmen nicht nur finanziell, sondern auch strategisch, da es Zugang zu Expertennetzwerken und potenziellen Investoren erhält.
Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Auswirkungen
Reduktion von Umweltbelastungen
Durch den Einsatz der biobasierten Fasern von Rethread Africa kann die Modeindustrie ihre Abhängigkeit von erdölbasierten Kunststoffen erheblich reduzieren. Ein Vergleich zeigt: Während die Herstellung von herkömmlichem Polyester etwa 125 Megajoule Energie pro Kilogramm benötigt, kommt die Produktion von PHA-basierten Fasern mit weniger als 30 Megajoule aus – eine Reduktion von über 75 %.
Zusätzlich sind die neuen Textilien biologisch abbaubar. Während Polyester mehrere hundert Jahre benötigt, um sich vollständig zu zersetzen, vergehen bei den biobasierten Fasern von Rethread Africa nur wenige Jahre, bis sie in natürliche Kreisläufe zurückgeführt werden.
Wirtschaftliche Vorteile für Kleinbauern
Die Initiative stärkt auch die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit von Kleinbauern, indem sie ihnen eine neue Einkommensquelle bietet. Dies ist besonders relevant in Zeiten des Klimawandels, in denen traditionelle Ernteerträge zunehmend unvorhersehbar werden.
Darüber hinaus schafft das Unternehmen neue Arbeitsplätze in der Weiterverarbeitung und Materialentwicklung. Besonders Frauen profitieren davon, da sie in der Textilproduktion traditionell eine zentrale Rolle spielen.
Fazit
Rethread Africa zeigt, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Entwicklung Hand in Hand gehen können. Das Unternehmen beweist, dass es möglich ist, Agrarabfälle in wertvolle Textilien zu verwandeln und dabei sowohl die Umwelt als auch die Menschen vor Ort zu unterstützen.
Mit seiner innovativen Technologie, den erfolgreichen Partnerschaften und der internationalen Anerkennung hat Rethread Africa das Potenzial, die Textilindustrie nachhaltig zu verändern. Das Unternehmen ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Social Entrepreneurship zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen kann.
Quellen
- Rethread Africa: https://rethread.africa/
- GoGettaz Agripreneur Prize: https://gogettaz.africa/agripreneurs/charles-oyamo-rethread-africa-kenya/
- Empower Africa: https://empowerafrica.com/charles-oyamo-is-innovating-sustainable-fashion-through-agricultural-waste-solutions/
- ChangemakerXchange: https://changemakerxchange.org/changemaker/charles-oyamo/
- The Org: https://theorg.com/org/rethread-africa/org-chart/charles-oyamo/
- H&M Foundation Global Change Award: https://globalchangeaward.com/
- What Design Can Do – Make It Circular Challenge: https://www.whatdesigncando.com/make-it-circular-challenge/
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