Zahnmedizin für Menschen mit Behinderungen an der Universität Witten/Herdecke

Ein oft übersehenes Problem: Zahnmedizinische Versorgung für Menschen mit Behinderungen

In Deutschland stehen Menschen mit Behinderungen häufig vor erheblichen Herausforderungen, wenn es um ihre zahnmedizinische Versorgung geht. Lange Anfahrtswege, begrenzte Anzahl spezialisierter Praxen und mangelnde Sensibilität für ihre besonderen Bedürfnisse erschweren den Zugang zu adäquater Behandlung. Diese Versorgungslücke führt nicht selten zu einer Verschlechterung der Mundgesundheit, was wiederum die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigt.

Pionierarbeit in Witten: Der Lehrstuhl für Behindertenorientierte Zahnmedizin

Um dieser Problematik entgegenzuwirken, wurde an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) eine einzigartige Initiative ins Leben gerufen. Bereits 1987 begann Prof. Dr. Peter Cichon, sich intensiv mit der zahnmedizinischen Betreuung von Menschen mit Behinderungen zu befassen. Seine Bemühungen führten 2015 zur Gründung des bundesweit ersten Lehrstuhls für Behindertenorientierte Zahnmedizin, ermöglicht durch die Förderung der Software AG – Stiftung. Diese Einrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, die zahnmedizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu verbessern und Studierende für dieses wichtige Fachgebiet zu sensibilisieren.

Für ihre herausragenden Verdienste in der Behandlung von Menschen mit Behinderungen wurden Prof. Dr. Peter Cichon und Prof. Dr. Andreas Schulte mit der Silbernen Ehrennadel der Deutschen Zahnärzteschaft ausgezeichnet. Diese Ehrung würdigt ihren unermüdlichen Einsatz und die erfolgreiche Implementierung behindertenorientierter Zahnmedizin in Forschung, Lehre und Praxis. Prof. Schulte, der seit 2015 den Lehrstuhl innehat, betont die Bedeutung präventiver Maßnahmen: „Es gibt körperliche oder geistige Behinderungen, die die eigenständige Mundhygiene erschweren. Unser Ziel ist es, präventiv zu behandeln, um die eigenen Zähne möglichst lange zu erhalten.“

Zahnmedizin für Menschen mit Behinderungen: Studierende lernen von Anfang an

Ein zentraler Aspekt des Lehrstuhls ist die praxisnahe Ausbildung der Studierenden. Vom ersten Semester an werden sie in die Behandlung von Patient:innen mit Behinderungen eingebunden. Sie assistieren bei Behandlungen, lernen den einfühlsamen Umgang mit den Patient:innen und deren spezifischen Bedürfnissen kennen und begleiten das Team bei aufsuchenden zahnmedizinischen Betreuungen in externen Einrichtungen. Diese intensive Ausbildung bereitet die angehenden Zahnärzt:innen darauf vor, später selbst kompetent und sensibel in diesem Bereich tätig zu sein.

Die Arbeit des Lehrstuhls zeigt konkrete Erfolge. Jährlich werden rund 1.500 Patient:innen mit Behinderungen in der universitären Zahnklinik behandelt. Ein besonderes Angebot ist die „Mundsprechstunde“, die in Zusammenarbeit mit einer Logopädin durchgeführt wird. Hier erhalten Patient:innen und ihre Betreuer:innen individuelle Beratung und praktische Unterstützung zur Verbesserung der Mundhygiene und -gesundheit. Diese interdisziplinäre Herangehensweise trägt maßgeblich dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern.

Ein Blick in die Zukunft: Nachhaltige Verbesserung der Versorgung

Trotz der erzielten Fortschritte bleibt die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen eine Herausforderung. Die Universität Witten/Herdecke setzt sich daher weiterhin dafür ein, das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen und die Ausbildung entsprechend auszurichten. Langfristig soll die behindertenorientierte Zahnmedizin fest in der zahnärztlichen Praxis verankert werden, um allen Menschen den Zugang zu qualitativ hochwertiger zahnmedizinischer Versorgung zu ermöglichen.

Quellen

 

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