Ein doppeltes Dilemma: Wohnraummangel und Einsamkeit
In deutschen Großstädten wie Köln spitzen sich zwei gesellschaftliche Herausforderungen zu: Auf der einen Seite kämpfen Studierende mit exorbitanten Mieten und einem knappen Wohnungsmarkt; auf der anderen Seite erleben viele Seniorinnen und Senioren Einsamkeit und benötigen Unterstützung im Alltag. Diese beiden Probleme scheinen auf den ersten Blick unabhängig voneinander zu sein, doch das Projekt „Wohnen für Hilfe“ der Universität zu Köln zeigt, wie sie sich gegenseitig lösen lassen.
Die Entstehung von „Wohnen für Hilfe“
„Wohnen für Hilfe“ wurde ins Leben gerufen, um eine Win-Win-Situation für beide Generationen zu schaffen. Die Idee ist simpel: Ältere Menschen oder Familien mit freiem Wohnraum bieten Studierenden eine kostengünstige Unterkunft an. Im Gegenzug unterstützen die Studierenden ihre Vermieterinnen und Vermieter im Alltag, sei es durch Einkäufe, Gartenarbeit oder einfach Gesellschaft leisten. Pflegeleistungen sind dabei ausdrücklich ausgeschlossen.
Dieses Konzept wurde in Köln durch eine Kooperation zwischen dem Amt für Wohnungswesen der Stadt Köln, der Universität zu Köln und der Seniorenvertretung der Stadt Köln umgesetzt. Seit seiner Gründung hat das Projekt zahlreiche Wohnpartnerschaften vermittelt und dabei geholfen, die Wohnsituation von Studierenden zu verbessern und gleichzeitig den Alltag von Seniorinnen und Senioren zu bereichern.
Erfolgreiche Wohnpartnerschaften: Geschichten aus dem Alltag
Die Praxis zeigt, wie bereichernd solche Wohnpartnerschaften sein können. Ein Beispiel ist die Geschichte von Clara Panne und der Studentin Nourhan El Kouche. Clara, die mit ihrer Mutter Christina zusammenlebt, bot im Rahmen von „Wohnen für Hilfe“ ein Zimmer an. Nourhan zog ein und wurde schnell mehr als nur eine Mitbewohnerin; sie wurde Teil der Familie. Gemeinsam kochen sie, unternehmen Ausflüge und unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Für Nourhan bedeutet dies nicht nur eine bezahlbare Wohnmöglichkeit, sondern auch familiären Anschluss in einer fremden Stadt. Für Clara und Christina bringt die junge Mitbewohnerin frischen Wind und Unterstützung in den Alltag.
Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit zwischen der 92-jährigen Maria Straub und einem Studenten. Maria, lebenslange Bayern-Fan, bot ein Zimmer in ihrem Haus an. Der Student half ihr im Haushalt und begleitete sie zu Fußballspielen. Diese Partnerschaft führte nicht nur zu einer Entlastung im Alltag, sondern auch zu einer tiefen Freundschaft zwischen den Generationen.
Die Struktur des Projekts
„Wohnen für Hilfe“ in Köln ist als gemeinsames Projekt organisiert und hat seinen Sitz an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln. Interessierte Wohnraumanbietende und Studierende können sich an das Projektteam wenden, das den Vermittlungsprozess koordiniert. Nach einer ersten Kontaktaufnahme werden die Bedürfnisse und Erwartungen beider Seiten erfasst, um passende Wohnpartnerschaften zu ermöglichen. Ein detaillierter Vertrag regelt die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit, wobei als Faustregel gilt: Pro Quadratmeter Wohnraum leistet die oder der Studierende eine Stunde Hilfe im Monat.
Positive Resonanz und Auszeichnungen
Das Projekt hat seit seiner Einführung positive Resonanz erfahren und wurde mehrfach ausgezeichnet. So erhielt „Wohnen für Hilfe“ im November 2012 eine Ehrung und stand 2014 als einer von 15 Finalisten für den Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises zur Wahl. Diese Anerkennungen unterstreichen den gesellschaftlichen Wert und die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts.
Ein Modell mit Zukunft
Angesichts des demografischen Wandels und der angespannten Wohnraumsituation in vielen Städten bietet „Wohnen für Hilfe“ ein zukunftsweisendes Modell des Zusammenlebens. Es fördert den intergenerationalen Austausch, baut Vorurteile ab und schafft ein solidarisches Miteinander. Die Erfolgsgeschichten aus Köln könnten als Vorbild für weitere Städte dienen, um ähnliche Projekte zu initiieren und somit sowohl den Wohnraummangel als auch die Einsamkeit im Alter zu bekämpfen.
Quellenangaben
- Stadt Köln. (n.d.). Wohnen für Hilfe. Abgerufen am 15. Februar 2025, von https://www.stadt-koeln.de/service/produkt/wohnen-fuer-hilfe-1
- Universität zu Köln. (n.d.). Wohnen für Hilfe – Wohnpartnerschaften in Köln. Abgerufen am 15. Februar 2025, von https://www.hf.uni-koeln.de/33042
- Deutsches Studentenwerk. (n.d.). Wohnen für Hilfe. Abgerufen am 15. Februar 2025, von https://www.studierendenwerke.de/themen/wohnen/tipps-zur-wohnungssuche/wohnen-fuer-hilfe
- Biallo. (2016, September 26). Senioren und Studenten helfen sich gegenseitig. Abgerufen am 15. Februar 2025, von https://www.biallo.de/soziales/news/senioren-und-studenten-helfen-sich-gegenseitig/
- Rundschau Online. (2023, Oktober 12). Mietfrei leben in Köln? Ein Projekt der Uni macht’s möglich. Abgerufen am 15. Februar 2025, von https://www.rundschau-online.de/koeln/mietfrei-leben-in-koeln-ein-projekt-der-uni-macht-s-moeglich-662111
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