Die Herausforderung: Traditionelle Buchhandlungen im digitalen Zeitalter
In einer Zeit, in der digitale Medien und Online-Buchhandlungen den Markt dominieren, stehen traditionelle Buchhandlungen und Antiquariate vor enormen Herausforderungen. Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie Menschen Bücher entdecken und kaufen, grundlegend verändert. Online-Riesen wie Amazon bieten rund um die Uhr Zugang zu Millionen von Titeln, oft zu reduzierten Preisen und mit bequemer Lieferung nach Hause. Für kleine, unabhängige Buchhandlungen bedeutet dies einen erheblichen Wettbewerbsdruck. Viele kämpfen mit sinkenden Umsätzen und einer schwindenden Stammkundschaft. Die Pandemie hat diese Situation noch verschärft, da Lockdowns und Kontaktbeschränkungen den stationären Handel weiter beeinträchtigten (Handelsblatt, 2024).
Die Lösung: Ein mutiger Schritt in die digitale Welt
Klaus Willbrand, ein 83-jähriger Antiquar aus Köln, sah sich genau mit diesen Problemen konfrontiert. Seit über 20 Jahren führt er sein Antiquariat im Kölner Stadtteil Sülz. Die Regale seines Ladens sind gefüllt mit literarischen Schätzen vergangener Zeiten, von seltenen Erstausgaben bis hin zu längst vergriffenen Klassikern. Doch die Kundschaft blieb zunehmend aus, und die Existenz des Ladens stand auf dem Spiel (Tagesschau, 2024).
In dieser prekären Situation brachte eine junge Bekannte eine bahnbrechende Idee ein: Warum nicht die sozialen Medien nutzen, um auf das Antiquariat aufmerksam zu machen? Obwohl Willbrand selbst wenig Berührungspunkte mit Plattformen wie Instagram oder TikTok hatte, ließ er sich auf das Experiment ein. Gemeinsam begannen sie, kurze Videos zu produzieren, in denen Willbrand besondere Bücher aus seinem Sortiment vorstellte, literarische Anekdoten erzählte und Einblicke in die Welt der Antiquariate gab.
Die Resonanz war überwältigend. Innerhalb kurzer Zeit wuchs die Zahl seiner Follower auf Instagram auf über 115.000, bei TikTok sind es mehr als 44.000. Die charmante Art des betagten Buchhändlers, gepaart mit seinem tiefen Wissen über Literatur, traf einen Nerv – insbesondere bei jüngeren Nutzern, die sonst kaum den Weg in ein Antiquariat finden würden. Die Videos wurden tausendfach geteilt, kommentiert und geliked. Plötzlich strömten wieder Kunden in den Laden, viele davon zum ersten Mal (Handelsblatt, 2024).
Erfolgreiche Umsetzung: Tradition trifft Moderne
Der Erfolg von Klaus Willbrand ist kein Einzelfall. Immer mehr Buchhandlungen und Verlage erkennen die Chancen, die die Digitalisierung bietet, und nutzen soziale Medien, um neue Zielgruppen zu erschließen. Ein Beispiel dafür ist die Düsseldorfer Buchhandlung Bolland & Böttcher, die ihr Veranstaltungsformat „Ladies Night“ erfolgreich in den digitalen Raum verlegt hat – als kostenpflichtiges Online-Event (Buchmarkt, 2024).
Auch Verlage wie Bastei Lübbe setzen verstärkt auf digitale Strategien. Der Verlag verzeichnete im Geschäftsjahr 2023/24 ein Umsatzplus von 10% auf 110 Millionen Euro und eine Verdopplung des operativen Gewinns auf 14 Millionen Euro. Ein wesentlicher Wachstumstreiber sind dabei sogenannte „Community-getriebene Geschäftsmodelle“, bei denen Bücher durch soziale Medien wie TikTok und Instagram beworben werden (Welt, 2024).
Diese Beispiele zeigen, dass die Verbindung von traditionellen Werten mit modernen Technologien nicht nur möglich, sondern oft auch der Schlüssel zum Erfolg ist. Es geht darum, die eigene Leidenschaft und Expertise authentisch zu vermitteln und dabei die Kommunikationswege zu nutzen, die die Zielgruppen bevorzugen.
Fazit: Mut zur Veränderung
Die Geschichte von Klaus Willbrand und anderen zeigt, dass es nie zu spät ist, neue Wege zu gehen. Die Digitalisierung mag für viele traditionelle Buchhändler und Verleger eine Herausforderung darstellen, doch sie bietet auch immense Chancen. Es erfordert Mut, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und neue Formate auszuprobieren. Doch der Erfolg gibt denen Recht, die diesen Schritt wagen. Denn am Ende geht es darum, die Liebe zur Literatur und zum Buch mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen – egal über welchen Kanal.
Quellen:
- Handelsblatt (2024). „Wie ein 83-jähriger Buchhändler zum Social-Media-Phänomen wurde.“ Verfügbar unter: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/tiktok-und-instagram-wie-ein-83-jaehriger-buchhaendler-zum-social-media-phaenomen-wurde-01/100055423.html [Zugriff am 29. Januar 2025].
- Tagesschau (2024). „‚Bookfluencer‘ Willbrand: TikTok-Berühmtheit mit 83 Jahren.“ Verfügbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/bookfluencer-100.html [Zugriff am 29. Januar 2025].
- Buchmarkt (2024). „Warum im digitalen Raum niemand auf die Buchbranche wartet.“ Verfügbar unter: https://buchmarkt.de/warum-im-digitalen-raum-niemand-auf-die-buchbranche-wartet/ [Zugriff am 29. Januar 2025].
- Welt (2024). „Der Verlag, der seine Anleger glücklich macht.“ Verfügbar unter: https://www.welt.de/252532448 [Zugriff am 29. Januar 2025].
- Instagram-Profil von Klaus Willbrand. Verfügbar unter: https://www.instagram.com/buchantiquariat_willbrand/ [Zugriff am 29. Januar 2025].
- Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2024). „#Buch digital.“ Verfügbar unter: https://www.boersenverein.de/tx_file_download?cHash=d70dc869ad65916afbc3b1ba7b261323&tx_theme_pi1%5BfileUid%5D=12434&tx_theme_pi1%5BpageUid%5D=2219&tx_theme_pi1%5Breferer%5D=https%3A%2F%2Fwww.boersenverein.de%2Fpolitik-positionen%2Fbuch-digital%2F [Zugriff am 29. Januar 2025].
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