Warum herkömmliche Saugnäpfe oft versagen
Wer kennt das nicht? Man bringt einen Saugnapf an der Wand, an einer Fliese oder am Fenster an – und nach kurzer Zeit liegt das, was eigentlich sicher befestigt sein sollte, am Boden. Der Grund ist simpel: Die meisten Saugnäpfe benötigen glatte, saubere Oberflächen, um zuverlässig zu halten. Selbst kleinste Unebenheiten, Staub oder Schmutzpartikel können die Funktion stark beeinträchtigen. Das ist nicht nur im Haushalt ärgerlich, sondern auch in der Industrie ein ernstes Problem.
Ob in der Logistik, der Medizintechnik oder bei komplexen Bauvorhaben – überall dort, wo Saugnäpfe zum Einsatz kommen, sind raue und unebene Oberflächen oft ein Hindernis. Vor allem in der Unterwasserforschung oder bei der Montage schwerer Objekte stoßen herkömmliche Lösungen schnell an ihre Grenzen. Doch genau hier setzt eine faszinierende Entwicklung an, die von der Natur inspiriert wurde: der bionische Saugnapf von Dr. Petra Ditsche.
Die Idee aus der Natur: Ein kleiner Fisch, große Inspiration
Dr. Petra Ditsche, eine renommierte Biologin und Ingenieurin, fand ihre Inspiration im Meer. Genauer gesagt, bei einem kleinen Fisch aus dem Pazifik: der Gemeinen Haftscheibe (Echeneis naucrates). Dieser Fisch hat die bemerkenswerte Fähigkeit, sich mit seinem Saugnapf an rauen und unebenen Oberflächen festzuhalten – und das selbst bei starken Strömungen.
Die Haftscheibe des Fisches besteht aus einer Kombination aus flexiblen, adaptiven Strukturen und mikroskopisch kleinen Borsten, die sich perfekt an die Oberfläche anpassen können. Diese biologische Feinheit war der Ausgangspunkt für Dr. Ditsche und ihr Team. „Die Natur bietet uns oft Lösungen für Probleme, die uns seit Jahrzehnten beschäftigen. Es war klar, dass wir diese Mechanismen technisch nachbilden müssen“, erklärt Dr. Ditsche in einem Interview.
Der bionische Saugnapf: Wie er funktioniert und warum er einzigartig ist
Der bionische Saugnapf, den Dr. Ditsche entwickelt hat, kombiniert mehrere innovative Ansätze. Das Herzstück ist ein flexibles Material, das mit einer speziellen Mikrostruktur versehen ist. Diese Struktur imitiert die Borsten des Fisches und sorgt dafür, dass der Saugnapf sich auch an raue und unebene Oberflächen anpassen kann.
Zusätzlich ist der Saugnapf mit einem selbstversiegelnden Mechanismus ausgestattet. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass selbst kleinste Lecks im Unterdrucksystem automatisch geschlossen werden. Das Ergebnis: Der Saugnapf hält selbst bei widrigsten Bedingungen ein Gewicht von bis zu 20 Kilogramm – eine revolutionäre Leistung, insbesondere für Anwendungen in der Industrie.
Die Entstehungsgeschichte: Ein interdisziplinäres Projekt
Hinter dem bionischen Saugnapf steht eine bemerkenswerte Geschichte. Dr. Petra Ditsche gründete gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Markus Voss das Unternehmen „BioGrip Solutions“. Gegründet 2018 in Hamburg, hat sich das Start-up auf die Entwicklung bionischer Hafttechnologien spezialisiert.
„Am Anfang standen nur ein paar Skizzen und viel Experimentierfreude“, erinnert sich Ditsche. Mithilfe von Fördergeldern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg gelang es dem Team, erste Prototypen zu entwickeln. Heute beschäftigt BioGrip Solutions 15 Mitarbeiter und hat sich international einen Namen gemacht. Die Rechtsform des Unternehmens, eine GmbH, wurde bewusst gewählt, um flexibel auf die Anforderungen von Investoren und Industriepartnern reagieren zu können.
Einsatzbereiche: Vom Haushalt bis zur Tiefseeforschung
Die möglichen Anwendungen des bionischen Saugnapfes sind vielfältig. In der Logistik können die Saugnäpfe beispielsweise genutzt werden, um schwere und unhandliche Waren sicher zu bewegen. In der Medizintechnik könnten sie bei Operationen zum Einsatz kommen, um chirurgische Instrumente oder andere Hilfsmittel an Ort und Stelle zu halten.
Ein besonderes Highlight ist der Einsatz in der Unterwasserforschung. Dort stoßen Taucher und Roboter immer wieder auf das Problem, dass herkömmliche Saugnäpfe auf den rauen Oberflächen von Korallen, Felsen oder Schiffswracks versagen. Mit dem bionischen Saugnapf können nun Proben sicher entnommen oder technische Geräte befestigt werden.
Ein realer Erfolg: Während einer Expedition im Roten Meer gelang es einem Forscherteam, mithilfe des bionischen Saugnapfes empfindliche Proben von Korallenriffen zu entnehmen, ohne diese zu beschädigen. „Das war ein Durchbruch für die Meeresbiologie“, sagt Ditsche stolz.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Natürlich gab es auf dem Weg zum Erfolg auch Herausforderungen. Die Herstellung der Mikrostruktur des Saugnapfes erwies sich als technisch äußerst anspruchsvoll. Doch durch die enge Zusammenarbeit mit Materialwissenschaftlern und Ingenieuren konnte das Problem gelöst werden.
In Zukunft plant BioGrip Solutions, den Saugnapf weiterzuentwickeln. „Wir möchten die Technologie skalierbar machen, sodass sie in noch mehr Bereichen eingesetzt werden kann – von der Raumfahrt bis zur Bauindustrie“, so Ditsche. Zudem arbeitet das Unternehmen an einer umweltfreundlichen Variante, die vollständig biologisch abbaubar ist.
Quellenangaben
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2023, Förderprogramm „Innovationen in der Bionik“, https://www.bmbf.de
- Universität Hamburg 2022, „Bionik als Schlüsseltechnologie der Zukunft“, https://www.uni-hamburg.de
- Ditsche, P., Voss, M. & BioGrip Solutions GmbH 2021, „Revolutionäre Hafttechnologien“, https://www.biogrip-solutions.com
- Nature Communications 2020, „Biomimetic approaches in adhesion technology“, https://www.nature.com/articles/ncomms2020
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