Die Herausforderung: Mode und Nachhaltigkeit
Die Modeindustrie steht vor einer ihrer größten Herausforderungen: dem Ausgleich zwischen Ästhetik, Funktionalität und Nachhaltigkeit. Jährlich werden Millionen Tonnen Textilien produziert, die erhebliche Umweltbelastungen verursachen. Besonders problematisch ist die Herstellung von Wolle und anderen tierischen Fasern. Schafe werden nicht selten unter fragwürdigen Bedingungen gehalten, und die Umweltkosten, die durch die Viehzucht entstehen, sind enorm. Methanemissionen, Landnutzung und der Einsatz von Chemikalien bei der Weiterverarbeitung verschärfen das Problem. Konsument:innen verlangen zunehmend nach tierfreundlichen und ökologischen Alternativen, doch viele vegane Materialien können in puncto Qualität und Komfort nicht mithalten.
Inmitten dieser Problematik hat eine kleine, aber einflussreiche Initiative aus Indien eine bahnbrechende Lösung gefunden: Weganool, ein innovativer veganer Wollersatz, der nicht nur die Modeindustrie auf den Kopf stellt, sondern auch neue Maßstäbe für soziale und ökologische Verantwortung setzt.
Die Lösung: Weganool – Vegan, nachhaltig, luxuriös
Weganool ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit von Gauri Shankar, dem Gründer des indischen Start-ups Faborg. Die Grundlage für dieses revolutionäre Material ist die Calotropis-Pflanze, auch bekannt als „Riesen-Seidenpflanze“ oder „Giant Milkweed.“ Diese robuste Pflanze gedeiht in trockenen, unfruchtbaren Gebieten ohne den Einsatz von Wasser oder Pestiziden. Was früher oft als Unkraut abgetan wurde, ist nun der Rohstoff für eine nachhaltige Zukunft.
Weganool besteht aus 30 % Fasern der Calotropis-Pflanze und 70 % biologischer Baumwolle. Das Resultat ist ein weiches, luxuriöses Material, das mit Kaschmir vergleichbar ist. Die Produktion erfolgt weitgehend manuell und bindet lokale Gemeinschaften in den Prozess ein. Diese Herangehensweise stärkt nicht nur die regionale Wirtschaft, sondern minimiert auch den ökologischen Fußabdruck der Herstellung. Ein weiteres Highlight des Projekts ist die Verwertung von Reststoffen: Aus den übrig gebliebenen Pflanzenfasern wird „AARKA“ hergestellt, ein Bio-Nährstoff und Insektenschutzmittel. Dieser geschlossene Kreislauf unterstreicht den Anspruch von Faborg, eine komplett abfallfreie Produktion zu etablieren.
Wer steckt hinter Faborg?
Faborg wurde 2019 von Gauri Shankar ins Leben gerufen, einem Sozialunternehmer mit einer tiefen Leidenschaft für Nachhaltigkeit und Innovation. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Tamil Nadu, einer Region in Südindien, die für ihre reiche Textiltradition bekannt ist. Faborg operiert als privatwirtschaftliches Unternehmen mit einer klaren Mission: die Modeindustrie nachhaltiger und ethischer zu gestalten. Mit einem kleinen Team von weniger als 50 Mitarbeitenden hat das Start-up bereits internationale Aufmerksamkeit erlangt.
Die ersten Schritte waren jedoch alles andere als leicht. Shankar investierte sein eigenes Kapital, um das Projekt zu starten, und arbeitete eng mit lokalen Landwirt:innen zusammen, um die Calotropis-Pflanze zu kultivieren. Dank seiner Beharrlichkeit und dem wachsenden Interesse an nachhaltiger Mode gewann Faborg schnell an Fahrt. Bereits 2020 wurde Weganool mit dem PETA India Vegan Fashion Award ausgezeichnet, eine bedeutende Anerkennung in der Branche.
Erfolge und Meilensteine
Die erste große Öffentlichkeitspräsentation von Weganool erfolgte auf der Future Fabric Expo in London, einer der renommiertesten Plattformen für nachhaltige Textilien. Dort stieß das Material auf großes Interesse, insbesondere bei Designern und Marken, die nach Alternativen zu konventionellen Materialien suchten. Eine der ersten Marken, die Weganool in ihre Kollektion aufnahm, war das deutsche Label Infantium Victoria, das für seine ethische Kinderbekleidung bekannt ist.
Die Rückmeldungen waren durchweg positiv: Designer lobten die Weichheit und Vielseitigkeit des Materials, während Konsument:innen die Nachhaltigkeitsaspekte hervorhoben. Dieser Erfolg hat Faborg motiviert, die Produktion zu skalieren und Partnerschaften mit weiteren Marken einzugehen.
Ein weiteres Beispiel für den Erfolg des Projekts ist die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften. Faborg hat über 100 Menschen in ländlichen Gebieten beschäftigt, die nun durch das Sammeln und Verarbeiten der Calotropis-Fasern ein stabiles Einkommen erzielen. Dies hat nicht nur die Lebensqualität vor Ort verbessert, sondern auch ein Bewusstsein für nachhaltige Praktiken geschaffen.
Was macht Weganool so besonders?
Weganool unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von anderen veganen Textilien. Erstens ist es ein Naturprodukt, das keine synthetischen Bestandteile enthält. Zweitens wird die Umweltbelastung durch die Produktion auf ein Minimum reduziert. Die Calotropis-Pflanze benötigt weder Wasser noch Dünger und wächst in Gebieten, die für die Landwirtschaft unbrauchbar sind. Drittens ist das Material biologisch abbaubar, was es von vielen anderen veganen Stoffen wie Polyester abhebt.
Auch die sozialen Aspekte sind bemerkenswert. Faborg hat es geschafft, traditionelle Handwerkskunst mit modernen Technologien zu verbinden und gleichzeitig lokale Gemeinschaften zu stärken. Diese Kombination aus Innovation, Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung macht Weganool zu einem Vorreiter in der Branche.
Die Zukunft von Weganool und Faborg
Faborg hat große Pläne für die Zukunft. Das Unternehmen arbeitet an der Skalierung seiner Produktion, um den wachsenden Bedarf zu decken. Gleichzeitig investiert es in Forschung und Entwicklung, um die Eigenschaften von Weganool weiter zu verbessern und neue Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Ein weiteres Ziel ist die Expansion in internationale Märkte, insbesondere in Europa und Nordamerika, wo die Nachfrage nach nachhaltigen Textilien stetig wächst.
Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf der Zusammenarbeit mit Modeunternehmen. Faborg plant, mit großen Marken und kleinen Designern gleichermaßen zusammenzuarbeiten, um Weganool in verschiedene Kollektionen zu integrieren. Darüber hinaus sollen Bildungsprogramme ins Leben gerufen werden, um die Vorteile nachhaltiger Materialien in der Modeindustrie bekannter zu machen.
Fazit
Weganool ist mehr als nur ein Stoff – es ist ein Symbol für den Wandel hin zu einer nachhaltigeren und ethischeren Modeindustrie. Durch die Kombination aus ökologischer Innovation, sozialer Verantwortung und hochwertigem Design hat Faborg gezeigt, dass es möglich ist, Wirtschaft und Umwelt in Einklang zu bringen. Gauri Shankars Vision und der unermüdliche Einsatz seines Teams haben eine Bewegung ins Leben gerufen, die weit über die Grenzen der Textilindustrie hinausgeht.
Quellen
- PETA India (2020) Vegan Fashion Awards. Verfügbar unter: https://www.petaindia.com
- Future Fabric Expo (2021) Highlights und Innovationen. Verfügbar unter: https://www.futurefabricexpo.com
- Infantium Victoria (2021) Nachhaltige Kollektionen. Verfügbar unter: https://www.infantiumvictoria.com
- Faborg (2022) Unternehmenswebseite. Verfügbar unter: https://www.faborg.in
- Textile Exchange (2021) Bericht zur Nachhaltigkeit. Verfügbar unter: https://www.textileexchange.org