Eine innovative Antwort auf die Luftverschmutzung
Die Luft in vielen Städten der Welt ist sprichwörtlich zum Schneiden dick. Steigende Feinstaubwerte, zurückgehende Grünflächen und zunehmende Verkehrsbelastung tragen dazu bei, dass die Luftqualität in urbanen Zentren zunehmend schlechter wird. Ein besonders betroffenes Beispiel ist Belgrad, die Hauptstadt Serbiens. Doch dort hat man sich für eine bahnbrechende Lösung entschieden, die nicht nur die Luft verbessert, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltige Technologien schärfen soll: sogenannte „flüssige Bäume“.
Das Problem: Feinstaub, CO2 und schrumpfende Grünflächen
Belgrad ist eine wachsende Metropole mit knapp 1,7 Millionen Einwohnern. Die Stadt hat in den letzten Jahren einen starken Anstieg der Luftverschmutzung verzeichnet, was vor allem auf den Verkehr und die industrielle Entwicklung zurückzuführen ist. Hinzu kommt, dass sich viele Grünflächen in Bauland verwandeln – ein Trend, der auch aus anderen Großstädten bekannt ist. Ohne Bäume und Parks, die als natürliche Filter für Feinstaub und CO2 dienen, verschlechtert sich das Stadtklima rapide.
Die gesundheitlichen Folgen sind alarmierend: Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme und sogar eine erhöhte Sterblichkeit stehen in engem Zusammenhang mit hoher Luftverschmutzung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, dass allein Feinstaub weltweit Millionen Todesfälle verursacht. In Serbien – und besonders in Belgrad – schlagen Ärzte und Umweltorganisationen daher schon länger Alarm.
Die Lösung: Algen im Tank
Das Projekt „Liquid 3“ wurde 2021 in Belgrad ins Leben gerufen, um einen innovativen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität zu leisten. Die Idee: Algen in speziell entwickelten Tanks nutzen, um CO2 zu binden und Sauerstoff zu produzieren. Diese Algentanks, die an strategischen Orten der Stadt aufgestellt werden, sollen das leisten, was in Belgrad immer schwieriger wird: die Luft reinigen.
Die „flüssigen Bäume“ basieren auf einem einfachen, aber effektiven Prinzip. Algen, winzige Wasserorganismen, sind bekannt für ihre Fähigkeit, durch Photosynthese CO2 in Sauerstoff umzuwandeln. Tatsächlich kann ein solcher Tank mit Algen dieselbe Menge CO2 aufnehmen wie ein zehn Jahre alter Baum. Dabei sind die Tanks kompakt, mobil und können problemlos in dicht bebauten Stadtgebieten eingesetzt werden, wo kein Platz für Bäume ist.
Die Entstehung von Liquid 3
Die Entwicklung der „flüssigen Bäume“ geht auf das serbische Innovationszentrum der Universität Belgrad zurück. Geleitet wird das Projekt von einem interdisziplinären Team aus Biologen, Ingenieuren und Umweltwissenschaftlern. Der Leiter des Projekts, Dr. Ivan Spasojević, erklärte in einem Interview, dass die Idee aus der dringenden Notwendigkeit entstand, pragmatische Lösungen für die urbane Umweltverschmutzung zu finden. „Wir wollten eine Technologie entwickeln, die effektiv, kostengünstig und leicht skalierbar ist“, so Spasojević.
Die Umsetzung des Projekts erfolgte unterstützt von staatlichen Mitteln sowie privaten Spenden. Liquid 3 ist in der Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins organisiert, um den Fokus auf die gesellschaftliche Wirkung zu legen. Die ersten Prototypen wurden an belebten Plätzen Belgrads aufgestellt, darunter der beliebte Studentenpark und das stark frequentierte Stadtzentrum.
Wie die Tanks funktionieren
Die Tanks sind mit einem Algengemisch gefüllt, das in einem geschlossenen Wasserkreislauf gehalten wird. Die Algen erhalten durch Solarzellen auf den Tanks die notwendige Energie, um Photosynthese zu betreiben. Dabei wird CO2 aus der Umgebungsluft aufgenommen und Sauerstoff freigesetzt.
Ein weiterer Vorteil: Die Tanks sind mit Sensoren ausgestattet, die Daten zur Luftqualität sammeln und in Echtzeit über eine App abrufbar machen. So können Bürger nicht nur die Wirkung der Tanks nachvollziehen, sondern auch ein Bewusstsein für die Problematik der Luftverschmutzung entwickeln.
Erste Erfolge und Herausforderungen
Die „flüssigen Bäume“ haben schnell Aufmerksamkeit auf sich gezogen – sowohl in der Bevölkerung als auch in der internationalen Wissenschaft. Studien zeigen, dass die Tanks täglich bis zu 2 kg CO2 binden können. Gleichzeitig verbessern sie die Sauerstoffsättigung der Umgebung und tragen zur Kühlung überhitzter Stadtgebiete bei.
Doch es gibt auch Herausforderungen. Der Betrieb der Tanks erfordert regelmäßige Wartung, insbesondere um das Algenwachstum zu optimieren und Verunreinigungen zu vermeiden. Zudem ist die bisherige Reichweite des Projekts begrenzt. Zwar wurden in Belgrad bereits mehrere Tanks aufgestellt, doch flächendeckend sind sie noch lange nicht.
Inspiration für andere Städte?
Die Idee der „flüssigen Bäume“ hat das Potenzial, auch in anderen Städten Nachahmer zu finden. Besonders in urbanen Zentren, wo Flächen für klassische Bepflanzung knapp sind, könnten die Algentanks eine wertvolle Ergänzung darstellen. Bereits jetzt zeigen sich Städte wie Budapest und Athen interessiert, die Technologie zu übernehmen.
Die Entwickler betonen jedoch, dass die Tanks nicht als Ersatz für natürliche Grünflächen gedacht sind. „Wir sehen Liquid 3 als ergänzende Lösung, nicht als Allheilmittel“, erklärt Dr. Spasojević. Tatsächlich bleibt die Renaturierung städtischer Gebiete ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die Luftverschmutzung.
Ein Blick in die Zukunft
Mit dem Projekt „Liquid 3“ zeigt Belgrad, dass innovative Technologien einen wichtigen Beitrag zur Lösung globaler Umweltprobleme leisten können. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Idee weiterentwickelt und ob sie in anderen Teilen der Welt adaptiert wird. Sicher ist jedoch: Die „flüssigen Bäume“ sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Technik Hand in Hand mit gesellschaftlichem Engagement gehen können, um die Lebensqualität in unseren Städten zu verbessern.
Quellen
- World Health Organization. (2023). „Air pollution and health.“ Verfügbar unter: https://www.who.int/airpollution
- Innovation Center of the University of Belgrade. (2022). „Liquid 3 Project.“ Verfügbar unter: https://www.innovationcenter.rs
- Balkan Green Energy News. (2023). „How algae tanks are improving Belgrade’s air.“ Verfügbar unter: https://www.balkangreenenergynews.com
- Spasojević, I. (2023). „Interview: The science behind Liquid 3.“ Verfügbar unter: https://www.liquid3belgrade.rs
- Serbian Ministry of Environmental Protection. (2023). „Urban air quality initiatives.“ Verfügbar unter: https://www.ekologija.gov.rs
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