Die serbische Hauptstadt Belgrad steht vor einer Herausforderung, die viele Metropolen teilen: massive Luftverschmutzung und ein überlasteter Individualverkehr. Doch die Stadt hat einen radikalen Plan gefasst, um die Lage zu verbessern: Ab dem 1. Januar 2025 wird der öffentliche Nahverkehr für alle kostenlos. Dieser ambitionierte Schritt ist Teil eines umfassenden Programms, um die Lebensqualität zu steigern und die Umweltbelastung zu senken.
Luftverschmutzung – Ein drängendes Problem
Belgrad, eine Stadt mit etwa 1,7 Millionen Einwohnern, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der am stärksten verschmutzten urbanen Zentren Europas entwickelt. Die Feinstaubbelastung liegt regelmäßig über den empfohlenen Werten der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Besonders in den Wintermonaten wird die Luft durch veraltete Heizsysteme und minderwertige Brennstoffe belastet. Hinzu kommt der stark zunehmende Verkehr: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Autos in Belgrad um etwa 250.000 gestiegen, was die Schadstoffbelastung und die Staus weiter verschärft (taz, 2022).
Die gesundheitlichen Folgen sind erheblich. Laut Studien verursacht die schlechte Luftqualität in Serbien jährlich Tausende vorzeitige Todesfälle. Darüber hinaus hemmen Smog und Staus die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt (Umwelt-Panorama, 2024).
Kostenloser Nahverkehr als Lösung
Angesichts der drängenden Probleme hat die Stadtverwaltung unter der Leitung von Bürgermeister Aleksandar Šapić beschlossen, den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei anzubieten. Ziel ist es, den Individualverkehr zu reduzieren, den Zugang zu nachhaltigen Verkehrsmitteln zu erleichtern und die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Belgrad reiht sich damit in eine kleine, aber wachsende Liste europäischer Städte ein, die ähnliche Maßnahmen ergriffen haben, darunter Tallinn in Estland und Luxemburg (eKapija, 2024).
Das Verkehrsnetz der Stadt umfasst derzeit elf Straßenbahnlinien, acht Oberleitungsbuslinien sowie über 200 Buslinien. Zusätzlich wird an der ersten U-Bahn-Linie gearbeitet, deren Fertigstellung für 2028 geplant ist. Die Einführung des kostenlosen Nahverkehrs soll dieses bestehende Angebot attraktiver machen und die Mobilität in der Stadt revolutionieren (news.de, 2024).
Finanzierung und Herausforderungen
Die Finanzierung dieses groß angelegten Projekts erfolgt aus dem städtischen Haushalt. Die Stadt plant, die Einnahmeausfälle durch effizientere Mittelverwendung und Einsparungen in anderen Bereichen zu kompensieren. Gleichzeitig wird die Fahrzeugflotte modernisiert und erweitert, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden (eKapija, 2024).
Doch es gibt auch Herausforderungen: Experten warnen, dass ein kostenloser Nahverkehr allein nicht ausreicht, um die Verkehrsprobleme einer Großstadt zu lösen. Ohne begleitende Maßnahmen wie eine verbesserte Infrastruktur, höhere Servicequalität und mögliche Einschränkungen für den Autoverkehr könnte der erhoffte Effekt ausbleiben (taz, 2022).
Erfolgreiche Beispiele und Lehren
Ein Blick auf andere Städte zeigt, dass der kostenlose Nahverkehr positive Effekte haben kann. In Tallinn, wo der öffentliche Verkehr für Einwohner seit 2013 kostenfrei ist, führte die Maßnahme zu einer Erhöhung der Fahrgastzahlen und einer Reduzierung des Individualverkehrs. Ähnliche Ergebnisse wurden in Luxemburg beobachtet, wo seit 2020 landesweit keine Fahrkarten mehr benötigt werden (Umwelt-Panorama, 2024).
Dennoch zeigen diese Beispiele auch Grenzen auf: Viele ehemalige Fußgänger wechselten auf den Nahverkehr, anstatt den Autoverkehr zu reduzieren. Umfassende Maßnahmen wie Fahrverbote für Autos oder höhere Parkgebühren könnten nötig sein, um langfristige Ergebnisse zu erzielen.
Innovationen zur Verbesserung der Luftqualität
Neben dem kostenlosen Nahverkehr hat Belgrad auch innovative Projekte gestartet, um die Luftqualität zu verbessern. In der Stadt wurden sogenannte „flüssige Bäume“ installiert – Tanks mit Mikroalgen, die Kohlendioxid binden und Sauerstoff abgeben. Diese Pilotprojekte zielen darauf ab, die Schadstoffbelastung in stark betroffenen Gebieten zu reduzieren (Basic Thinking, 2023).
Fazit
Belgrads Entscheidung für einen kostenlosen Nahverkehr ist ein mutiger Schritt, der viele Chancen bietet, aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Die Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass ergänzende Maßnahmen nötig sind, um die gewünschte Verlagerung vom Auto auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu erreichen. Dennoch setzt Belgrad ein starkes Zeichen für nachhaltige Mobilität und einen verbesserten urbanen Lebensraum. Ob dieses ambitionierte Vorhaben gelingt, wird die Zukunft zeigen.
Quellenangaben
- Basic Thinking (2023) Flüssige Bäume: Algentanks verbessern Luftqualität in Belgrad. Verfügbar unter: https://www.basicthinking.de/blog/2023/05/16/fluessige-baeume/ (Zugriff: 27. Dezember 2024).
- eKapija (2024) Šapić: Kostenloser öffentlicher Nahverkehr in Belgrad ab dem 1. Januar. Verfügbar unter: https://www.ekapija.com/de/news/4993441/sapic-kostenloser-oeffentlicher-nahverkehr-in-belgrad-ab-dem-1-januar (Zugriff: 27. Dezember 2024).
- news.de (2024) Öffentlicher Verkehr in Belgrad ab 1. Januar gratis. Verfügbar unter: https://www.news.de/auto/858240734/ (Zugriff: 27. Dezember 2024).
- taz (2022) Luftverschmutzung auf dem Balkan: Dreckiger als Delhi. Verfügbar unter: https://taz.de/Luftverschmutzung-auf-dem-Balkan/%215887379/ (Zugriff: 27. Dezember 2024).
- Umwelt-Panorama (2024) Kostenloser öffentlicher Nahverkehr in Belgrad. Verfügbar unter: https://umwelt-panorama.de/news.php?newsid=6640446 (Zugriff: 27. Dezember 2024)
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