Das Problem: Eine Gesellschaft voller Ungleichheiten
In vielen Teilen Indiens sind tief verwurzelte Geschlechterungleichheiten weiterhin eine erhebliche gesellschaftliche Herausforderung. Insbesondere in benachteiligten Gemeinschaften und Slums sind traditionelle Rollenbilder, Gewalt gegen Frauen und begrenzte Bildungschancen für Mädchen und Frauen nach wie vor an der Tagesordnung. Die Ursache liegt oft in der Sozialisation: Jungen werden häufig in Umfeldern erzogen, die stereotype Männlichkeitsbilder fördern und Empathie oder Respekt gegenüber anderen Geschlechtern vernachlässigen. Dies trägt zur Aufrechterhaltung patriarchalischer Strukturen bei.
Laut einer Studie der National Family Health Survey haben etwa 30 % der indischen Frauen in ihrem Leben physische oder sexuelle Gewalt erfahren. Diese Statistik ist nicht nur ein Symptom individueller Verhaltensweisen, sondern ein Spiegel gesellschaftlicher Strukturen (NFHS, 2020). Für eine nachhaltige Veränderung braucht es deshalb nicht nur Frauenförderung, sondern auch eine gezielte Arbeit mit Jungen und Männern.
Die Lösung: Die Equal Community Foundation
Inmitten dieser Herausforderungen hat die Equal Community Foundation (ECF) in Pune, Indien, eine bemerkenswerte Mission gestartet: Jungen und junge Männer aus sozioökonomisch benachteiligten Gemeinschaften zu sensitiven, empathischen und verantwortungsvollen Erwachsenen zu erziehen. Gegründet wurde die Organisation im Jahr 2009 von Will Muir und Chaitanya Mandalik. Beide teilten die Überzeugung, dass Gendergleichheit nur dann erreicht werden kann, wenn Jungen aktiv in den Prozess einbezogen werden.
Die Non-Profit-Organisation ist heute als Trust registriert und hat mittlerweile mehr als 7.000 Jungen in ihren Programmen erreicht. Die Initiative setzt auf eine Kombination aus Bildung, Sensibilisierung und aktiver Einbindung der Gemeinschaft. Ihr Flaggschiffprogramm, „Action for Equality“, richtet sich an Jungen im Alter von 13 bis 17 Jahren. Ziel ist es, stereotype Denkmuster aufzubrechen und positive Verhaltensänderungen anzustoßen.
Erfolgsgeschichten: Veränderung beginnt zu Hause
Ein eindrucksvolles Beispiel für die Arbeit von ECF ist die Geschichte von Asha und ihrem Sohn Ashutosh. Asha, eine Mutter von drei Kindern, lebt in einer Gemeinschaft, in der frühe Heiraten und konservative Geschlechterrollen die Norm sind. Trotz ihrer eigenen Herausforderungen entschied sie sich, aktiv an Programmen von ECF und Antarang teilzunehmen. Ihr ältester Sohn Ashutosh schloss sich den ECF-Programmen an und lernte, wie wichtig Respekt, Gleichberechtigung und Empathie sind.
Heute studiert Ashutosh Betriebswirtschaftslehre und setzt sich für die Rechte von Frauen und für Gendergerechtigkeit in seiner Gemeinschaft ein. Seine Mutter berichtet von sichtbaren Veränderungen in seinem Verhalten: Er unterstützt im Haushalt, respektiert die Meinungen seiner Schwestern und hat begonnen, Gleichaltrige zu ermutigen, traditionelle Rollenbilder zu hinterfragen.
Programme und Ansätze von ECF
Das „Action for Equality“-Programm besteht aus drei Phasen:
- Awareness (Bewusstsein schaffen): Jungen lernen, wie Genderungleichheit ihr eigenes Leben und das ihrer Familien beeinflusst.
- Behaviour Change (Verhaltensänderung): Durch Rollenspiele, Diskussionen und Gruppenaktivitäten entwickeln sie neue Denkweisen und Verhaltensmuster.
- Leadership (Führungskompetenz): Absolventen werden ermutigt, in ihren Gemeinschaften als Botschafter für Gleichheit aktiv zu werden.
Neben der Arbeit mit Jugendlichen legt ECF großen Wert auf die Einbindung von Eltern und Lehrkräften. Workshops für Eltern wie Asha helfen, Genderfragen zu verstehen und die Erziehung positiv zu beeinflussen.
Herausforderungen und Erfolge
Die Arbeit von ECF ist nicht frei von Hürden. In patriarchalisch geprägten Gemeinschaften stößt die Idee, Jungen für Gendergleichheit zu sensibilisieren, oft auf Widerstand. Doch die Ergebnisse sprechen für sich: Laut internen Evaluierungen berichten über 80 % der Teilnehmer von einem positiven Wandel in ihren Einstellungen und Verhaltensweisen (ECF, 2022).
Ein Beispiel aus dem Alltag: In einer kleinen Gemeinde im Bundesstaat Maharashtra begann ein Jugendlicher nach der Teilnahme am Programm, seine Mutter bei ihrer Arbeit als Hausangestellte zu unterstützen und sie vor verbaler Gewalt durch seinen Vater zu schützen. Diese Veränderung beeinflusste nicht nur seine Familie, sondern inspirierte auch Nachbarn, ähnliche Schritte zu unternehmen.
Eine Vision für die Zukunft
Die Kampagne #RaisingBoysRight steht im Mittelpunkt der Mission von ECF. Sie zielt darauf ab, eine Generation von Jungen heranzuziehen, die traditionelle Geschlechterrollen hinterfragen, Empathie entwickeln und Verantwortung übernehmen. Langfristig hofft die Organisation, nicht nur individuelle Leben zu verändern, sondern auch gesellschaftliche Normen nachhaltig zu beeinflussen.
Die Erfolgsgeschichte von Asha und Ashutosh zeigt, dass Veränderung möglich ist – wenn man sie an der Wurzel anpackt. Durch gezielte Programme, Gemeinschaftsarbeit und die unermüdliche Hingabe von Organisationen wie ECF kann eine gerechtere Zukunft geschaffen werden.
Quellen
- Equal Community Foundation (2022) „Annual Report“. Verfügbar unter: https://www.equalcommunityfoundation.org
- National Family Health Survey (2020) „Gender Violence Statistics“. Verfügbar unter: http://rchiips.org/nfhs
- Antarang Foundation (2023) „Programme Impact“. Verfügbar unter: https://antarangfoundation.org
- The Better India (2022) „How ECF is Transforming Communities“. Verfügbar unter: https://www.thebetterindia.com
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