Stunde der Wintervögel wurde aus einer Not geboren.
Der Winter legt eine besondere Stille über unsere Landschaften, doch wer genau hinhört, kann sie dennoch wahrnehmen: die Rufe und Gesänge unserer heimischen Vögel. Doch diese kleinen Stimmen werden immer leiser. Der Rückgang vieler Vogelarten ist alarmierend. Laut Berichten des NABU (Naturschutzbund Deutschland) sind insbesondere Arten wie der Spatz, der Star oder der Grünfink in den letzten Jahren immer seltener geworden. Die Ursachen sind vielfältig: Lebensraumverlust durch intensive Landwirtschaft und Urbanisierung, weniger Insekten durch den Einsatz von Pestiziden, sowie der Klimawandel, der ihre Nahrungsketten stört.
Ein Blick in die Statistiken zeigt das Ausmaß. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz ist die Zahl der Brutvögel in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten um rund 15 Prozent zurückgegangen. Arten, die früher häufig anzutreffen waren, wie die Feldlerche, sind mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Arten zu finden (BfN, 2023). Dabei spielen Vögel eine entscheidende Rolle in unserem Ökosystem: Sie kontrollieren Schädlinge, verbreiten Samen und tragen zur biologischen Vielfalt bei. Der Verlust dieser Arten bedeutet einen direkten Schaden für die Umwelt und letztlich auch für uns.
Gemeinsam zählen: So entstand die Idee zur „Stunde der Wintervögel“
Um auf die Problematik aufmerksam zu machen und gleichzeitig Daten über die Vogelbestände zu sammeln, startete der NABU 2011 die Aktion „Stunde der Wintervögel“. Die Idee dahinter ist so einfach wie genial: Jeder kann mitmachen. Eine Stunde lang beobachten Teilnehmer ihre Umgebung – sei es der eigene Balkon, der Garten oder der Park – und notieren die gesichteten Vögel. Diese Daten liefern wertvolle Informationen über die Verbreitung und Häufigkeit von Arten und tragen dazu bei, Trends zu erkennen.
Die Gründer des Projekts „Stunde der Wintervögel“, ein Team aus Biologen und Naturschutzexperten beim NABU, wollten bewusst eine Aktion schaffen, die niedrigschwellig und gleichzeitig wirkungsvoll ist. „Naturschutz beginnt oft im Kleinen. Jeder, der mitmacht, hilft, das große Ganze besser zu verstehen“, erklärte Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzexperte und einer der Mitinitiatoren der Aktion. Der NABU selbst ist ein gemeinnütziger Verein, der 1899 gegründet wurde und inzwischen über 900.000 Mitglieder hat. Die Organisation setzt sich auf vielfältige Weise für den Schutz von Natur und Artenvielfalt ein – von lokalen Projekten bis hin zu internationalen Kooperationen.
Rekorde brechen und Leben retten: Die Erfolge der Aktion „Stunde der Wintervögel“
Im Laufe der Jahre hat die „Stunde der Wintervögel“ beeindruckende Dimensionen angenommen. Allein im Jahr 2024 nahmen über 140.000 Menschen teil und meldeten Beobachtungen von mehr als 4,5 Millionen Vögeln (NABU, 2024). Diese Daten fließen in umfangreiche wissenschaftliche Analysen ein, die nicht nur nationale Trends beleuchten, sondern auch lokale Besonderheiten aufzeigen.
Ein Beispiel für die praktischen Erfolge dieser Datenarbeit: Als in den 2010er-Jahren die Zahlen des Grünfinks alarmierend sanken, konnten die gesammelten Beobachtungen des NABU helfen, die Ursache zu identifizieren. Der Vogel war von einer Krankheit namens Trichomoniasis betroffen, die durch mangelnde Hygiene an Futterstellen begünstigt wird. Die Erkenntnis führte zu umfassenden Aufklärungskampagnen, die die Bevölkerung sensibilisierten, wie wichtig saubere Futterstellen sind. Heute hat sich der Grünfinkbestand dank solcher Maßnahmen zumindest stabilisiert.
Ein weiteres Beispiel ist der Rückgang des Haussperlings. Durch die NABU-Daten wurde klar, dass dieser Rückgang besonders in städtischen Gebieten drastisch ist, wo immer weniger Nistmöglichkeiten vorhanden sind. In Kooperation mit Kommunen initiierte der NABU Projekte wie das Anbringen von Nistkästen an öffentlichen Gebäuden oder die Begrünung von Dächern – mit Erfolg.
Natur erleben und verstehen: Warum Mitmachen zählt
Die „Stunde der Wintervögel“ ist mehr als nur eine wissenschaftliche Datenerhebung – sie ist ein Erlebnis. Wer eine Stunde lang die Augen offen hält, entdeckt nicht nur die Vielfalt unserer heimischen Vogelwelt, sondern wird oft auch zum Botschafter des Naturschutzes. Viele Teilnehmer berichten davon, wie die Aktion sie für die Natur vor ihrer Haustür sensibilisiert hat.
So etwa Familie Meyer aus Hamburg, die vor drei Jahren erstmals mitmachte. „Wir hatten nie gedacht, dass wir so viele Vögel in unserem kleinen Garten haben. Als wir einen Buntspecht entdeckten, waren die Kinder total begeistert“, erzählt Mutter Julia Meyer. Heute ist die Familie stolzer Besitzer eines selbstgebauten Vogelhauses und plant, in ihrem Garten noch mehr heimische Pflanzen anzusiedeln, um den Tieren Lebensraum zu bieten.
Auch für Schulen und Kitas bietet die Aktion eine ideale Gelegenheit, Kinder spielerisch an Naturthemen heranzuführen. Der NABU stellt hierzu Materialien und Lehrmittel zur Verfügung, um das Zählen zum pädagogischen Erlebnis zu machen.
Wie Sie mitmachen können
Die Teilnahme bei der Stunde der Wintervögel ist denkbar einfach. Vom 10. bis 12. Januar 2025 nehmen Sie sich eine Stunde Zeit, notieren alle Vögel, die Sie sehen, und melden Ihre Ergebnisse bis zum 20. Januar an den NABU. Das geht entweder online über die Website des NABU (https://www.nabu.de) oder per App. Zusätzlich gibt es Tipps, wie man Futterstellen richtig einrichtet und welche Futterarten für welche Vögel geeignet sind.
Wer noch mehr für Vögel tun möchte, kann sich langfristig engagieren, etwa durch das Anlegen eines vogelfreundlichen Gartens oder durch eine NABU-Mitgliedschaft. So wird aus einer Stunde ein nachhaltiger Beitrag zum Naturschutz.
Quellen
NABU (2024). „Ergebnisse der Stunde der Wintervögel 2024“. Verfügbar unter: https://www.nabu.de
Bundesamt für Naturschutz (2023). „Stunde der Wintervögel Zustand der biologischen Vielfalt in Deutschland“. Verfügbar unter: https://www.bfn.de
NABU (2023). „Tipps für einen vogelfreundlichen Garten“. Verfügbar unter: https://www.nabu.de
Vogelmonitoring Deutschland (2023). „Entwicklung der Brutvogelbestände“. Verfügbar unter: https://www.vogelmonitoring.de
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