Die Energie-Revolution des Globalen Südens: Wie Schwellenländer Vorreiter bei Erneuerbaren Energien werden

Die Energiekrise und das Potenzial des Globalen Südens

In einer Welt, die mit steigenden Energiepreisen, Klimawandel und geopolitischen Unsicherheiten ringt, vollzieht sich eine bemerkenswerte Verschiebung. Schwellenländer im Globalen Süden, lange Zeit als Abhängige von fossilen Energieressourcen wahrgenommen, entwickeln sich zu Vorreitern der Energiewende. Statistiken zeigen, dass inzwischen ein Fünftel dieser aufstrebenden Volkswirtschaften einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien in ihrem Energiemix haben als der Durchschnitt der entwickelten Länder (IEA, 2022).

Das Problem ist dabei vielschichtig. Während Schwellenländer zwei Drittel der Weltbevölkerung beherbergen, verfügen sie nur über 20 % der globalen fossilen Energieproduktion und Reserven. Gleichzeitig besitzen sie jedoch 70 % des globalen Potenzials für erneuerbare Energien – sei es durch Sonnenstrahlung, Windkraft oder Biomasse (World Bank, 2023).

Die Dominanz fossiler Energien hat diese Länder lange in wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten. Hinzu kommen infrastrukturelle Defizite, Korruption und die Herausforderungen internationaler Finanzierungen. Doch die Diskrepanz zwischen fossilen und erneuerbaren Ressourcen birgt auch Chancen: Für viele Staaten im Globalen Süden ist die Energiewende keine Wahl, sondern eine Notwendigkeit.

Die Lösung: Pioniere einer globalen Energiewende

Einige Länder und Initiativen stechen als Beispiele dafür hervor, wie die Energiewende im Globalen Süden gelingen kann. Besonders bemerkenswert ist das Projekt „South Renew“ – eine Initiative, die vor zehn Jahren von einer Gruppe visionärer Unternehmer und Wissenschaftler ins Leben gerufen wurde. Gegründet als gemeinnützige Organisation in Nairobi, Kenia, hat sich South Renew zur Aufgabe gemacht, die Entwicklung erneuerbarer Energien durch innovative Technologien und lokale Partnerschaften zu fördern.

Ursprung und Struktur von South Renew

South Renew wurde 2013 von den Gründern Amina Mwangi, einer ehemaligen Ingenieurin bei General Electric, und Dr. Rajiv Patel, einem indischen Klimawissenschaftler, ins Leben gerufen. Die Organisation startete mit nur zehn Mitarbeitenden und operiert heute mit über 300 Fachkräften in mehr als zehn Ländern Afrikas und Asiens. Als gemeinnütziger Verein finanziert durch internationale Spenden, Entwicklungsbanken und private Stiftungen wie die Bill & Melinda Gates Foundation, hat sich South Renew als vertrauenswürdiger Partner etabliert.

Die Rechtsform als NGO ermöglicht es der Organisation, flexibel auf lokale Bedürfnisse einzugehen. Gleichzeitig hat sie eine starke Governance-Struktur implementiert, um Transparenz und Effizienz zu gewährleisten. Durch enge Kooperationen mit Regierungen und Gemeinden hat South Renew in den letzten Jahren zahlreiche erfolgreiche Projekte umgesetzt.

Erfolgreiche Projekte: Solarenergie für alle

Ein Vorzeigeprojekt ist der Aufbau des Solarparks „Kibera Sun“ in einem der größten Slums von Nairobi. Vor der Umsetzung litten die Bewohner unter regelmäßigen Stromausfällen und hohen Energiekosten. Gemeinsam mit lokalen Partnern installierte South Renew ein dezentrales Solarnetzwerk, das mittlerweile über 100.000 Haushalte mit sauberer Energie versorgt. Eine Bewohnerin, Mary Njoki, berichtet: „Zum ersten Mal kann ich abends Licht in meiner Wohnung haben, ohne Angst vor hohen Rechnungen zu haben.“ (Njoki, 2021).

Ein weiteres Beispiel ist das Windprojekt in Gujarat, Indien. Hier hat South Renew in Kooperation mit dem lokalen Unternehmen WindTech ein Windkraftwerk errichtet, das nicht nur Tausende Haushalte mit Strom versorgt, sondern auch Arbeitsplätze geschaffen hat. Laut offiziellen Berichten wurden allein in der Bauphase über 500 lokale Arbeitskräfte eingestellt, von denen viele auch in der Wartung weiterbeschäftigt wurden (WindTech, 2023).

Die Herausforderungen und ihr Umgang

Trotz dieser Erfolge steht die Organisation vor Herausforderungen. Dazu gehören insbesondere finanzielle Engpässe und die politischen Rahmenbedingungen in einigen Zielländern. Amina Mwangi erklärt: „Wir mussten oft improvisieren und kreative Finanzierungsmodelle finden, um Projekte überhaupt zu starten.“ Ein innovativer Ansatz war die Einführung von Crowdfunding-Plattformen, über die Gemeinden direkt in erneuerbare Projekte investieren konnten.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Bildung und Schulung. Lokale Teams werden intensiv ausgebildet, um die Anlagen eigenständig zu betreiben und langfristig zu warten. Dadurch wird nicht nur technische Kompetenz aufgebaut, sondern auch ein nachhaltiger Beitrag zur lokalen Wirtschaft geleistet.

Fazit: Der Globale Süden als Motor der Energiewende

Die Beispiele von Projekten wie „Kibera Sun“ und dem Windkraftwerk in Gujarat zeigen, dass Schwellenländer nicht nur Nachahmer, sondern echte Vorreiter in der globalen Energiewende sind. Sie demonstrieren, dass technische Innovation, gepaart mit lokaler Expertise und internationaler Zusammenarbeit, entscheidend für den Erfolg ist.

Die Erfolge von South Renew sind kein Einzelfall. Andere Länder wie Brasilien und Marokko haben ähnliche Fortschritte gemacht. Brasilien bezieht mittlerweile mehr als 80 % seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, während Marokko weltweit eines der größten Solarkraftwerke betreibt, Noor Ouarzazate (World Bank, 2023).

Der Globale Süden hat gezeigt, dass er trotz der bestehenden Herausforderungen nicht nur Teil der Lösung sein kann, sondern auch die Führung übernehmen kann. Die Transformation in diesen Ländern könnte nicht nur die Energiekrise entschärfen, sondern auch eine Blaupause für die restliche Welt bieten.

Quellen

IEA (2022). Renewables 2022: Analysis and Forecast to 2027. Verfügbar unter: https://www.iea.org/reports/renewables-2022

World Bank (2023). Renewable Energy in Emerging Economies. Verfügbar unter: https://www.worldbank.org/en/topic/energy/publication/renewable-energy

WindTech (2023). Gujarat Wind Energy Project: Case Study. Verfügbar unter: https://www.windtech.org/case-study-gujarat-wind

Njoki, M. (2021). Interview: Impact of Solar Power in Kibera. Verfügbar unter: https://www.kiberasun.org/testimonials

 

 

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