Ein Zuhause aus Abfall: Wie ein britisches Paar die Zukunft des Bauens neu definiert

Mit Kreativität und Recycling gegen die Wegwerfgesellschaft

In der trockenen, sonnenverwöhnten Landschaft Almerías, einer Provinz im Südosten Spaniens, hat ein britisches Paar, Laura Davies und Dave Buchanan, ein architektonisches Meisterwerk geschaffen. Ihr Zuhause, ein sogenanntes „Earthship“, ist nicht nur ein Symbol für nachhaltiges Wohnen, sondern auch ein eindrucksvoller Beweis dafür, wie Müll zur Ressource werden kann. Doch wie entstand dieses Projekt? Was treibt die beiden an, und was können wir von ihnen lernen?

Das Problem: Ein Planet voller Müll

Der weltweite Abfallberg wächst rapide. Allein in der Europäischen Union fallen jährlich über 2,5 Milliarden Tonnen Müll an (Europäische Kommission, 2023). Neben Plastik und Glas sind es auch Materialien wie Autoreifen, die zu einer massiven Umweltbelastung führen. Ein herkömmlicher Reifen benötigt etwa 50 bis 80 Jahre, um sich in der Natur zu zersetzen (EPA, 2023). Gleichzeitig stehen wir vor einer Wohnungsbaukrise, bei der Ressourcen wie Sand und Beton immer knapper werden. Es stellt sich die drängende Frage: Wie können wir nachhaltig bauen und gleichzeitig den Müllberg verkleinern?

Die Lösung: Ein Earthship aus Almerías Wüstensand

Die Antwort von Laura Davies und Dave Buchanan liegt in einem Konzept, das der amerikanische Architekt Michael Reynolds in den 1970er-Jahren entwickelte. Reynolds hatte damals die Idee, Gebäude zu schaffen, die unabhängig von externen Ressourcen wie Strom oder Wasser funktionieren – und dabei Müll als Baumaterial nutzen. Earthships kombinieren recycelte und natürliche Materialien, um energieeffiziente, autarke Häuser zu bauen.

Laura und Dave setzten diese Vision in Almería in die Tat um. Die Hauptstruktur ihres Hauses besteht aus alten Autoreifen, die mit Erde gefüllt und fest gestampft werden. Diese Reifenwände sind nicht nur robust, sondern bieten auch eine ausgezeichnete Isolierung. Zwischenräume werden mit Schlamm und leeren Getränkedosen aufgefüllt, die Flächen anschließend glatt verputzt. Für die Innenwände verwendeten sie sogenannte Flaschensteine: Glasbehälter, die durch das Zusammenkleben von zwei Flaschen entstehen. Diese dienen nicht nur als Baumaterial, sondern schaffen auch bunte, lichtdurchflutete Muster.

Wie alles begann: Zwei Visionäre und ihre Mission

Laura Davies und Dave Buchanan, beide Mitte 40, kamen durch ihren gemeinsamen Wunsch nach einem einfacheren, nachhaltigeren Leben auf die Idee eines Earthships. Nach Jahren in Großbritannien, wo sie im sozialen und ökologischen Bereich tätig waren, suchten sie einen Weg, ihrem Alltag und der zunehmenden Konsumkultur zu entfliehen. Sie gründeten eine gemeinnützige Organisation namens „Earthship Almería“, die als rechtliche Grundlage für ihr Projekt dient und gleichzeitig Bildungsinitiativen für nachhaltiges Bauen anbietet.

Das Projekt begann 2015 und wurde größtenteils aus Eigenmitteln sowie durch Spenden und ehrenamtliche Unterstützung finanziert. Mit der Hilfe von Freiwilligen aus der ganzen Welt, die vor Ort Workshops über nachhaltige Bauweisen besuchten, konnten sie die Kosten für das Baumaterial drastisch senken. Heute dient ihr Earthship nicht nur als privates Zuhause, sondern auch als Lern- und Demonstrationsobjekt.

Erfolge und reale Beispiele: Vom Traum zur Realität

Laura und Dave haben mit ihrem Projekt nicht nur ein Zuhause geschaffen, sondern auch andere inspiriert.

Energieeffizienz und Ressourcenschonung: Dank Solarpanels, einer Regenwasserauffanganlage und einer biologischen Kläranlage ist ihr Earthship vollständig energieautark. Das Wasser wird mehrfach verwendet: Zuerst zum Trinken und Duschen, dann zur Bewässerung eines Gewächshauses, das in die Architektur integriert ist. Überschüssige Energie wird ins lokale Netz eingespeist.

Bildungsarbeit: Seit der Fertigstellung 2018 haben über 300 Menschen ihre Workshops besucht. Teilnehmer bauen gemeinsam kleinere Earthship-Strukturen und lernen dabei die Techniken, die Laura und Dave perfektioniert haben.

Inspirierende Anekdoten: Einer ihrer Teilnehmer, ein Architekturstudent aus Deutschland, baute später ein Mini-Earthship für einen Kindergarten in seiner Heimatstadt. Das Projekt wurde von der lokalen Regierung gefördert und zeigt, wie die Idee weltweit adaptiert werden kann.

Herausforderungen und Visionen

Natürlich war der Weg nicht immer einfach. Behördliche Hürden, insbesondere im Hinblick auf Baugenehmigungen, machten die Umsetzung kompliziert. Spanien hat strenge Vorschriften, die nachhaltige Bauweisen nicht immer berücksichtigen. Laura und Dave mussten nachweisen, dass ihr Earthship sicher und bewohnbar ist – ein Prozess, der über zwei Jahre dauerte.

Doch die Mühen haben sich gelohnt. Heute träumen sie davon, eine ganze Earthship-Siedlung in Almería zu errichten, die als Modellprojekt für nachhaltiges Wohnen in Europa dienen könnte.

Ein Vorbild für die Welt

Das Earthship von Laura Davies und Dave Buchanan ist mehr als ein Haus. Es ist ein Beweis dafür, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Ressourcenknappheit und Müllberge – mit Kreativität und Entschlossenheit bewältigen können. Ihr Projekt zeigt, wie altes Material zu neuem Leben erweckt wird und gleichzeitig eine bessere Zukunft möglich macht. In einer Welt, die nach Lösungen für die Klimakrise sucht, sind sie echte Pioniere.

Quellen

Europäische Kommission (2023): Waste Statistics. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/environment/topics/waste-and-recycling/waste-framework-directive_en
EPA (2023): How Long Does it Take for Trash to Decompose? Verfügbar unter: https://www.epa.gov/trash-facts
Earthship Biotecture (2023): What is an Earthship? Verfügbar unter: https://www.earthshipglobal.com/
Davies, L. & Buchanan, D. (2018): Building Our Earthship Journey. Blogartikel. Verfügbar unter: https://earthshipalmeria.com/blog

 

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