Energyfish: Das schwimmende Wasserkraftwerk aus Bayern

Die Herausforderung: Nachhaltige Energiegewinnung ohne ökologische Schäden

Wasserkraft zählt zu den ältesten Formen der Energiegewinnung und spielt weltweit eine bedeutende Rolle in der Stromerzeugung. Traditionelle Wasserkraftwerke, die auf Staudämme und große bauliche Eingriffe setzen, stehen jedoch zunehmend in der Kritik. Sie beeinträchtigen natürliche Flussökosysteme, behindern die Wanderung von Fischen und führen zu Veränderungen in der Sedimentverteilung. Zudem sind die Baukosten hoch, und der Eingriff in die Landschaft ist oft massiv. Angesichts des globalen Strebens nach nachhaltigen und umweltfreundlichen Energiequellen wächst der Bedarf an innovativen Lösungen, die erneuerbare Energie ohne solche negativen Auswirkungen bereitstellen können.

Die Lösung: Der Energyfish – ein schwimmendes Strömungskraftwerk

Das bayerische Startup Energyminer hat mit dem „Energyfish“ eine neuartige Technologie entwickelt, die das Potenzial hat, die Wasserkraftnutzung zu revolutionieren. Der Energyfish ist ein kompaktes, schwimmendes Strömungskraftwerk, das die kinetische Energie fließender Gewässer nutzt, um Strom zu erzeugen. Ohne die Notwendigkeit von Dämmen oder Betonbauwerken wird der Energyfish einfach im Fluss verankert und passt sich flexibel den Gegebenheiten des Gewässers an. Seine Konstruktion ist fischfreundlich und beeinträchtigt das Flussbiotop nicht. Zudem arbeitet das System geräuschlos und ist größtenteils unter Wasser verborgen, wodurch es das Landschaftsbild nicht stört. Ein weiterer Vorteil ist seine Grundlastfähigkeit: Der Energyfish produziert unabhängig von Wetterbedingungen kontinuierlich Strom und kann bei Hochwasser abtauchen, um Schäden zu vermeiden.

Die Gründer: Dr. Richard Eckl und Dr. Georg Walder

Hinter Energyminer stehen die beiden promovierten Ingenieure Dr. Richard Eckl und Dr. Georg Walder. Beide lernten sich während ihrer Promotion am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der Technischen Universität München kennen und arbeiteten im Bereich Elektromobilität zusammen – Eckl mit Schwerpunkt Maschinenbau, Walder in der Elektrotechnik. Bereits während dieser Zeit entwickelten sie innovative Technologien und gründeten gemeinsam das Startup Invenox, das sich auf Batteriekontaktierungs- und Managementsysteme spezialisierte. Nach erfolgreichen Exits beschlossen sie, ihre Expertise in ein neues Projekt zu investieren und gründeten 2021 die Energyminer GmbH, um sich voll und ganz der nachhaltigen Wasserkraft zu widmen. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Gröbenzell bei München und beschäftigt derzeit rund 14 Mitarbeiter.

Energieerzeugung und das Potenzial des Energyfish

Die Energieerzeugung des Energyfish basiert auf der Strömungsgeschwindigkeit und dem Wasserdurchfluss des jeweiligen Flusses. Die Technologie hat das Ziel, nachhaltige Energie in verschiedenen Szenarien bereitzustellen – von der Versorgung einzelner Haushalte bis hin zur Integration in größere Energienetze.

Kleine Prototypanlagen: Lokale Energieversorgung

In Flüssen mit moderater Strömungsgeschwindigkeit von etwa 1 bis 2 m/s erzeugen die ersten Prototypen des Energyfish 5-10 kW elektrische Leistung. Diese Kapazität reicht aus, um:

  • den Energiebedarf von 2 bis 5 Haushalten in Europa zu decken,
  • kleine, unabhängige Stromnetze in ländlichen Regionen zu unterstützen oder
  • isolierte Anwendungen wie Pumpensysteme oder Beleuchtungsanlagen zu betreiben.

Die Installation in kleineren Flüssen oder Seitenarmen bietet Gemeinden eine lokale, wartungsarme Lösung, die zudem unabhängig von fossilen Brennstoffen ist.

Größere Einheiten in Flüssen mit starker Strömung

In Gewässern mit starker Strömung, etwa 3 m/s oder mehr, kann ein einzelner Energyfish bis zu 25 kW Leistung erzeugen. Dies entspricht dem Energiebedarf von 10 bis 15 Haushalten und eignet sich daher für kleinere Gemeinden oder industrielle Anwendungen in Gebieten mit hohem Energiebedarf. Beispiele für Flüsse, die solche Strömungsgeschwindigkeiten bieten, finden sich in Mittelgebirgsregionen Europas oder an Standorten in Südamerika und Südostasien.

Pilotprojekt: Der Auer Mühlbach in München

Das Pilotprojekt im Auer Mühlbach, einem Nebenarm der Isar, hat eine Dauerleistung von 8 kW erreicht. Die erzeugte Energie versorgt:

  • mehrere Straßenlaternen,
  • eine kleine öffentliche Einrichtung und
  • teilweise ein benachbartes Wohngebäude.

Trotz der urbanen Lage war keine bauliche Veränderung des Bachbetts erforderlich. Der Energyfish wurde mithilfe eines einfachen Verankerungssystems installiert, wodurch die Umgebung weitgehend unberührt blieb. Die Wartung der Anlage ist minimal, da die Turbine und die schwimmende Plattform für den Betrieb unter Wasser optimiert wurden. Auch nach einem Jahr Betrieb gab es keine Störungen durch Treibgut oder mechanischen Verschleiß.

Schwarmkonzepte: Potenziale bei größeren Projekten

Die volle Leistungsfähigkeit des Energyfish zeigt sich in Schwarmkonzepten. Durch die parallele Installation mehrerer Einheiten in einem Fluss können größere Energiemengen generiert werden.

Ein geplantes Projekt am Lech bei Augsburg sieht die Installation von 10 bis 20 Energyfish-Einheiten vor. Mit einer Gesamtleistung von bis zu 500 kW könnte das System rund 200 Haushalte mit sauberem Strom versorgen. Diese modulare Bauweise ermöglicht es, die Energieerzeugung flexibel an die Anforderungen vor Ort anzupassen. Schwarminstallationen eignen sich besonders gut für Flüsse mit konstantem Durchfluss, wo eine gleichmäßige Energieproduktion gewährleistet ist.

Vergleich zu traditionellen Wasserkraftwerken

Traditionelle Wasserkraftwerke erzielen oft Leistungen im Bereich von Megawatt (MW) und werden für die großflächige Energieversorgung genutzt. Der Energyfish kann diese Leistung nicht ersetzen, bietet jedoch eine Reihe von Vorteilen:

  • Keine Eingriffe in die Natur: Es sind weder Dämme noch Flussumleitungen erforderlich.
  • Fischfreundlichkeit: Die Turbine ist so gestaltet, dass sie keine Gefahr für die Flussfauna darstellt.
  • Modularität: Der Energyfish kann in verschiedenen Größen und Konfigurationen eingesetzt werden, von Einzeleinheiten bis zu Schwärmen.
  • Dezentralität: Die Anlage eignet sich hervorragend für Regionen ohne Zugang zum Stromnetz oder als Ergänzung zu bestehenden Energiequellen.

Zukunftsaussichten: Effizienzsteigerung und neue Märkte

Energyminer arbeitet kontinuierlich an der Optimierung des Energyfish:

  • Effizienzsteigerung: Neue Designs und Materialien könnten die Leistung der Einheiten um bis zu 30 % erhöhen, indem sie Turbulenzen besser nutzen und Strömungsverluste minimieren.
  • Größere Schwärme: In größeren Flüssen wie dem Rhein oder der Donau wären Schwarminstallationen mit mehreren Megawatt Leistung denkbar, die ganze Stadtviertel versorgen könnten.
  • Internationale Expansion: Besonders in Ländern mit geringer Elektrifizierungsrate, wie Teilen Afrikas und Südasiens, könnten Energyfish-Systeme eine Schlüsselrolle bei der nachhaltigen Energieversorgung spielen.

Fazit: Energie der Zukunft

Der Energyfish kombiniert Effizienz mit Umweltfreundlichkeit und zeigt, wie dezentrale Wasserkraftsysteme als Ergänzung zu Wind- und Solarenergie eingesetzt werden können. Mit wachsender Akzeptanz und weiteren Innovationen hat diese Technologie das Potenzial, weltweit neue Standards für nachhaltige Energiegewinnung zu setzen.

Quellen

  1. Energyminer GmbH. (2023). Energyminer: Wasserkraft 2.0. Abgerufen von https://www.starting-up.de/geschaeftsideen/gruenderstorys/energyminer-wasserkraft-20.html
  2. Energyminer GmbH. (2023). Grundlastfähige saubere Energie. Abgerufen von https://energyminer.eu/
  3. Munich Startup. (2023). Energyminer GmbH. Abgerufen von https://www.munich-startup.de/startups/energyminer-gmbh/
  4. Abendzeitung München. (2023). Der Energyfish revolutioniert die Wasserkraft und schwimmt gegen den Strom der Behörden. Abgerufen von https://www.abendzeitung-muenchen.de/bayern/bayern-der-energyfish-revolutioniert-die-wasserkraft-und-schwimmt-gegen-den-strom-der-behoerden-art-1015380

 

guteideen.org © 2024 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert