Erste Hilfe für die Seele: Wie ein Verein Grundschülern hilft, Traumata zu überwinden

Erste Hilfe für die Seele gibt es für Kinder oft nicht.

Traumatische Erlebnisse können Menschen in jedem Alter treffen, doch besonders verletzlich sind Kinder. Ob es ein Unfall ist, der Verlust eines Elternteils, Gewalterfahrungen oder Flucht und Vertreibung – die Auswirkungen auf die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft sind tiefgreifend. Gerade Grundschulkinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren verfügen oft noch nicht über die notwendigen Werkzeuge, um mit solch erschütternden Erlebnissen umzugehen. Sie ziehen sich zurück, entwickeln Ängste, Schlafstörungen oder Konzentrationsprobleme. All dies bleibt oft unbemerkt, denn die Anzeichen sind subtil und werden leicht als „schwieriges Verhalten“ oder „typische Entwicklungsprobleme“ abgetan. Doch hinter diesen Symptomen stecken oft echte Nöte, die langfristige Folgen haben können.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) erlebt etwa jedes dritte Kind in Deutschland ein potenziell traumatisches Ereignis, das seine psychische Entwicklung beeinträchtigen kann. Dennoch gibt es kaum flächendeckende Angebote, die spezifisch auf diese Altersgruppe ausgerichtet sind. Hier setzt die Akademie für Resilienz und Traumaberatung e.V. (A.R.T. e.V.) an: Mit ihrem Programm „Erste Hilfe für die Seele“ wollen sie jenen Kindern helfen, wieder Sicherheit und Vertrauen in die Welt zu gewinnen.

Die Lösung: Erste Hilfe für die Seele vom  A.R.T. e.V.

Die „Erste Hilfe für die Seele“ ist eine Resilienz und Traumaberatung für traumatisierte Grundschulkinder. Hier werden Kinder durch kindgerechte Methoden wie Gesprächsrunden, kreative Ausdrucksformen und spielerische Elemente dabei unterstützt, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Dabei geht es nicht darum, in die Tiefe zu graben, sondern den Kindern zu helfen, Strategien zu entwickeln, um mit dem Erlebten umzugehen und ihr Vertrauen in sich und ihre Umwelt zurückzugewinnen.

Hinter dem Projekt „Erste Hilfe für die Seele“ steht der Verein Akademie für Resilienz und Traumaberatung e.V., kurz A.R.T. e.V., der 2018 von einem interdisziplinären Team aus Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeitern gegründet wurde. Der Verein hat seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen und arbeitet bundesweit mit Schulen, Jugendämtern und Beratungsstellen zusammen. Akademie für Resilienz und Traumaberatung e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich durch Spenden, Projektförderungen und Ehrenamtliche finanziert. Die Vereinsgründer erkannten früh, dass gerade im Bereich der Traumaberatung für Kinder eine große Lücke klafft.

Die Idee zur „Erste Hilfe für die Seele“ entstand aus der Praxis: In ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stießen die Gründer immer wieder auf junge Menschen, die ihre traumatischen Erfahrungen allein bewältigen mussten. Der Bedarf war da, aber Angebote fehlten. So wurde das Projekt Schritt für Schritt entwickelt und seitdem erfolgreich in mehreren Bundesländern umgesetzt. Der Erfolg gibt ihnen recht: Seit 2019 haben bereits mehr als 500 Kinder an den Programmen teilgenommen.

„Erste Hilfe für die Seele“: Praxisnahe und kindgerechte Hilfe

Das Besondere an der „Erste Hilfe für die Seele“ ist die unmittelbare Praxisnähe. In enger Kooperation mit Schulen werden Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter eingebunden, um die Bedürfnisse der Kinder genau zu erkennen. Eine Schulpsychologin aus Münster berichtet von einer Situation, in der ein achtjähriger Junge nach einem schweren Autounfall kaum noch sprach und sich vollkommen zurückzog. „Nach einigen Wochen im Programm ‘Erste Hilfe für die Seele’ begann er wieder, zu malen und kleine Geschichten zu erzählen. Seine Eltern konnten kaum glauben, wie schnell er Vertrauen gefasst hat.“

Die Methoden sind so einfach wie wirkungsvoll: Kinder dürfen malen, Geschichten schreiben, Rollenspiele ausprobieren oder gemeinsam Erlebnisse besprechen. In all diesen Aktivitäten liegt ein großer Schatz: Kreative Ausdrucksformen helfen Kindern, das Unsagbare sichtbar zu machen. Während Erwachsene oft auf verbale Kommunikation angewiesen sind, brauchen Kinder diesen körperlichen und kreativen Zugang, um Traumata zu verarbeiten.

Ein weiterer Baustein des Programms „Erste Hilfe für die Seele“ ist die sogenannte Resilienzförderung. Resilienz bedeutet psychische Widerstandsfähigkeit – also die Fähigkeit, Krisen und schwierige Lebensereignisse zu überstehen und gestärkt daraus hervorzugehen. Die Arbeit des Vereins zeigt, dass gerade frühzeitige Unterstützung die Weichen für ein gesundes, stabiles Erwachsenenleben stellen kann.

Geschichten, die Mut machen

Dass die Arbeit von A.R.T. e.V. wirkt, zeigen viele Geschichten. So berichtet eine Lehrerin aus Essen von einem Mädchen, das nach dem Tod ihrer Mutter kaum noch zur Schule ging. „Im Projekt lernte sie, über ihre Gefühle zu sprechen und wieder Kontakte zu knüpfen. Heute ist sie eine lebhafte Schülervertreterin und strahlt viel Selbstbewusstsein aus.“ Solche Erfolgsgeschichten sind es, die die Macher von A.R.T. e.V. antreiben. Auch die Zahlen sprechen für sich: Laut einer internen Auswertung fühlt sich der Großteil der teilnehmenden Kinder nach dem Programm besser verstanden und weniger ängstlich.

Ein zentraler Faktor für den Erfolg ist die Kombination aus Fachwissen und Empathie. Alle Betreuer sind speziell in Traumapädagogik ausgebildet und bringen sowohl Fachkompetenz als auch eine besondere Sensibilität mit, um mit den Kindern behutsam zu arbeiten.

Zukunftspläne und Herausforderungen

Obwohl A.R.T. e.V. bereits große Erfolge verzeichnet, gibt es noch viel zu tun. Die Nachfrage nach Unterstützung ist hoch, und der Verein arbeitet daran, das Programm in noch mehr Schulen zu bringen. Auch die Finanzierung bleibt eine Herausforderung: „Wir würden gerne noch mehr Fachkräfte einstellen und unser Angebot flächendeckend ausbauen, aber dafür sind wir auf Spenden angewiesen“, erklärt eine der Mitgründerinnen. Aktuell ist A.R.T. e.V. dabei, Kooperationen mit Stiftungen und Unternehmen zu vertiefen, um das Angebot nachhaltig zu sichern.

Ein wichtiger Beitrag zur Gesellschaft

In einer Welt, die immer schneller und komplexer wird, sind Projekte wie die „Erste Hilfe für die Seele“ von unschätzbarem Wert. Sie zeigen, wie wichtig es ist, Kinder in schwierigen Lebenslagen nicht allein zu lassen. Denn jedes Kind, das lernt, ein Trauma zu verarbeiten, hat die Chance auf ein selbstbestimmtes und glückliches Leben.

A.R.T. e.V. hat es geschafft, ein wichtiges Thema in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken und dabei nicht nur über Lösungen zu reden, sondern konkrete Hilfe anzubieten. Ein Vorbild dafür, wie Gesellschaft im Kleinen große Veränderungen bewirken kann.


Quellen

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). (2020). Traumatische Erlebnisse bei Kindern. Verfügbar unter: https://www.dgppn.de

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (2021). Psychische Gesundheit von Kindern. Verfügbar unter: https://www.kindergesundheit-info.de

Akademie für Resilienz und Traumaberatung e.V. (2023). Erste Hilfe für die Seele. Verfügbar unter: https://www.art-ev.de

Statistisches Bundesamt (Destatis). (2022). Lebenslagen von Kindern in Deutschland. Verfügbar unter: https://www.destatis.de

 

 

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