Der hohe Ressourcenverbrauch in der Papierindustrie: die Lösung Papier aus Hanf
Die Papierindustrie zählt zu den ressourcenintensivsten Branchen weltweit. Der immense Bedarf an Holz führt zu erheblichen ökologischen Herausforderungen, darunter Abholzung, Verlust der Biodiversität und erhebliche CO₂-Emissionen. Deutschland gehört mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 600 Gramm Papier täglich zu den Spitzenreitern im Papierkonsum (Statista, 2023). Dieser hohe Verbrauch erfordert nicht nur große Mengen an Holz, sondern auch erhebliche Wasser- und Energieaufwendungen. Zwar setzt die Industrie zunehmend auf Recycling, doch die Qualität der Papierfasern nimmt mit jedem Recyclingzyklus ab, was den Bedarf an Frischfasern weiterhin hoch hält.
Zudem stammen viele der importierten Zellstoffe aus Ländern wie Brasilien, Schweden und Portugal, wo die Papierproduktion oft mit ökologischen und sozialen Problemen einhergeht. In Brasilien beispielsweise werden für Eukalyptus-Plantagen, die zur Zellstoffgewinnung dienen, häufig Regenwälder gerodet, was gravierende Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung hat. In Portugal verdrängen Eukalyptus-Monokulturen heimische Baumarten, was zu trockenen Böden und einem erhöhten Risiko für Waldbrände führt (WWF, 2020).
Die Lösung: Papier aus Hanf als nachhaltige Alternative
Angesichts dieser Herausforderungen hat die Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee einen innovativen Ansatz entwickelt: die Herstellung von Papier aus Hanf. Hanf, eine der ältesten Nutzpflanzen der Welt, bietet zahlreiche ökologische Vorteile gegenüber Holz. Die Pflanze wächst innerhalb eines Jahres bis zu vier Meter hoch und kann bis zu dreimal jährlich geerntet werden, während Bäume mehrere Jahre benötigen, um eine vergleichbare Biomasse zu erreichen. Ein Hanffeld liefert somit vier- bis fünfmal mehr Papier als ein gleich großer Wald (Bund Naturschutz, 2021).
Zudem ist Hanf äußerst robust: Die Pflanze ist schädlingsresistent, benötigt weniger Pestizide und Herbizide und verbessert durch ihre tiefen Wurzeln die Bodenstruktur. Die Fasern des Hanfs sind länger und stabiler als Holzfasern, was zu einer höheren Reiß- und Zugfestigkeit des Papiers führt. Ein weiterer Vorteil ist die Recyclingfähigkeit: Hanfpapier kann häufiger recycelt werden als herkömmliches Papier, da die langen Fasern weniger schnell an Qualität verlieren (Greenpeace, 2021).
Die Büttenpapierfabrik Gmund: Tradition trifft Innovation
Die Büttenpapierfabrik Gmund wurde 1829 von Johann Nepomuk Haas gegründet und befindet sich seit 1904 im Besitz der Familie Kohler. Heute wird das Unternehmen in vierter Generation von Florian Kohler geleitet. Mit rund 120 Mitarbeitern produziert die Fabrik etwa 6.000 Tonnen holz- und säurefreie Designpapiere pro Jahr und exportiert 75 Prozent ihrer Produkte in über 70 Länder (Büttenpapierfabrik Gmund, 2023).
Gmund Papier legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Bis zu 75 Prozent des Energiebedarfs werden durch eigene regenerative Quellen wie Wasserkraft, Sonnenenergie und Kraft-Wärme-Kopplung gedeckt. Das Wasser wird in einer weltweit einzigartigen Ozonreinigungsanlage chemikalienfrei aufbereitet und bis zu achtmal wiederverwendet, bevor es in die Kläranlage gelangt. Zudem sind alle Papiere aus Hanf FSC®-zertifiziert, was eine nachhaltige Forstwirtschaft garantiert (Büttenpapierfabrik Gmund, 2023).
Die Entwicklung des Papiers aus Hanf
Die Idee, Papier aus Hanf herzustellen, entstand aus dem Bestreben, ökologische Alternativen zu herkömmlichen Papierrohstoffen zu finden. Obwohl Hanf historisch als Papierrohstoff genutzt wurde, galt die industrielle Herstellung von reinem Hanfpapier aufgrund der langen und widerspenstigen Fasern als technisch herausfordernd. Nach umfassenden Recherchen und zahlreichen Tests gelang es den Technikern von Gmund Papier jedoch, diesen „Verspinnungseffekt“ zu überwinden und ein neuartiges Material zu schaffen, das sowohl fest in der Struktur als auch weich in der Haptik ist (Büttenpapierfabrik Gmund, 2023).
Das innovative Gmund Hanf 100 % wird ohne Farbstoffe produziert, wodurch die natürliche, wolkige Oberfläche des Papiers erhalten bleibt. Zudem verbessert Hanf den Recyclingprozess, da die robusten Langfasern mehrfache Recyclingzyklen ermöglichen. Die Kollektion umfasst verschiedene Varianten: Gmund Hanf 100 % besteht vollständig aus Hanffasern, Gmund Hanf 50 % enthält recycelte Papierfasern, und Gmund Hanf 10 % wird mit reinem Zellstoff produziert.
Erfolgreiche Umsetzung und Auszeichnungen
Die Einführung des Papiers aus Hanf stieß auf großes Interesse und Anerkennung. Im Jahr 2021 wurde Gmund Papier mit dem Sonderpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises ausgezeichnet, einer der renommiertesten Auszeichnungen für ökologisches und soziales Engagement in Deutschland (Deutscher Nachhaltigkeitspreis, 2021). Diese Ehrung unterstreicht die Innovationskraft und das Engagement des Unternehmens für nachhaltige Produktionsmethoden.
Ein anschauliches Beispiel für den Erfolg des Hanfpapiers ist seine Verwendung in hochwertigen Druckerzeugnissen und Verpackungen. Die natürliche Optik und Haptik des Papiers verleihen Produkten eine besondere Wertigkeit und unterstreichen das ökologische Bewusstsein der Hersteller. Zudem berichten Druckereien von hervorragenden Druckeigenschaften und einer hohen Weiterverarbeitungsqualität des Hanfpapiers.
Ein Blick in die Zukunft für Papier aus Hanf
Die Entwicklung von Papier aus Hanf durch die Büttenpapierfabrik Gmund zeigt, dass Tradition und Innovation Hand in Hand gehen können. Die Kombination aus ökologischer Verantwortung, technischer Expertise und einem klaren Fokus auf Qualität hat Gmund Papier zu einem Vorreiter der Branche gemacht. Das Hanfpapier ist mehr als nur ein umweltfreundliches Produkt – es ist ein Symbol für die Möglichkeiten nachhaltiger Innovationen.
Quellenangaben
- Büttenpapierfabrik Gmund (2023). Papier aus Hanf Nachhaltigkeit. [Online] Verfügbar unter: https://www.gmund.com/de_de/nachhaltigkeit/nachhaltige-produktion [Zugriff am 16. Dezember 2024].
- Deutscher Nachhaltigkeitspreis (2021). Sonderpreis für Gmund Papier aus Hanf. [Online] Verfügbar unter: https://www.nachhaltigkeitspreis.de/sonderpreise/gmund [Zugriff am 16. Dezember 2024].
- Greenpeace (2021). Hanf: Eine ökologische Alternative für Papier aus Hanf. [Online] Verfügbar unter: https://www.greenpeace.de/themen/ressourcen/hanf-alternative [Zugriff am 16. Dezember 2024].
- WWF (2020). Papierproduktion und ihre Folgen. [Online] Verfügbar unter: https://www.wwf.de/themen-projekte/waelder/papierproduktion [Zugriff am 16. Dezember 2024].
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