Tauschen statt Entsorgen: Das Tauschbeet auf dem Neuen Annenfriedhof in Dresden

Ein Friedhof als Schauplatz nachhaltiger Innovation

In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit zu einem globalen Schlagwort geworden ist, finden sich bemerkenswerte Beispiele für Umweltbewusstsein manchmal an den unerwartetsten Orten. So auch auf dem Neuen Annenfriedhof in Dresden. Hier verbindet ein einfaches, aber wirkungsvolles Projekt Tradition und Innovation, indem es sich der Frage widmet: Was tun mit übrig gebliebenen Grünabfällen, die noch Leben in sich tragen?

Das Konzept des „Tauschbeets“ ist so simpel wie genial: Pflanzen, die auf Gräbern übrig bleiben, aber noch gesund und nutzbar sind, werden nicht einfach entsorgt. Stattdessen finden sie in einem eigens eingerichteten Beet eine neue Heimat. Wer möchte, kann diese Pflanzen mitnehmen und auf anderen Gräbern oder im eigenen Garten verwenden. Die Idee fördert nicht nur den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, sondern schafft auch einen Ort des Austauschs und der Begegnung.

Das Problem: Wegwerfmentalität und Ressourcenverschwendung

Jedes Jahr fallen auf deutschen Friedhöfen enorme Mengen an Grünabfällen an. Laut einer Studie der Deutschen Umwelthilfe können es pro Friedhof mehrere Tonnen Grünabfälle sein, von verwelkten Blumen bis hin zu abgerissenen Sträuchern. Ein Großteil dieser Abfälle wird entsorgt, obwohl viele Pflanzen noch vital sind und weiterverwendet werden könnten.

Doch es geht nicht nur um Abfall. Viele Gräber werden von Angehörigen nicht mehr gepflegt, sei es aus Altersgründen oder wegen Umzügen. Gleichzeitig entstehen auf anderen Gräbern Lücken, die häufig mit neuen Pflanzen gefüllt werden – oft gekauft und mit langen Transportwegen verbunden. Diese Diskrepanz zwischen Verschwendung und Bedarf war der Ausgangspunkt für das Projekt „Tauschbeet“.

Ein weiteres Problem ist die soziale Isolation, die in vielen Gemeinschaften herrscht. Friedhöfe, einst Orte des gemeinsamen Erinnerns und der Begegnung, sind heute oft anonym. Die Idee des Tauschbeets will auch hier einen Unterschied machen, indem sie Kommunikation und Austausch fördert.

Die Lösung: Das Tauschbeet als nachhaltiger Katalysator

Das Tauschbeet auf dem Neuen Annenfriedhof entstand aus der Initiative einer kleinen Gruppe von Dresdener Bürger:innen, die den Friedhof nicht nur als Ort der Trauer, sondern auch als lebendigen Raum für die Gemeinschaft betrachten. Geleitet wird das Projekt von der Initiative „Grüne Horizonte Dresden“, einer ehrenamtlichen Organisation, die sich seit 2017 für nachhaltige Stadtentwicklung einsetzt.

Rechtlich ist die Initiative ein eingetragener Verein (e. V.) und besteht derzeit aus 15 aktiven Mitgliedern. Mit Unterstützung des Friedhofsmanagements wurde das erste Tauschbeet 2020 angelegt. Die Finanzierung erfolgte durch Spenden und einen kleinen Fördertopf der Stadt Dresden für nachhaltige Projekte.

Das Prinzip ist einfach: Friedhofsbesucher:innen können übrig gebliebene Pflanzen in das Beet setzen. Ein kleiner Schild erklärt das Konzept und lädt zur Mitnahme ein. „Bringen, Tauschen, Mitnehmen“ lautet die Devise. So werden aus überschüssigen Pflanzen wertvolle Ressourcen für andere.

Erfolgsgeschichten und Fakten

Die Resonanz auf das Projekt ist durchweg positiv. Innerhalb der ersten sechs Monate wurden bereits über 200 Pflanzen umgesetzt. Darunter waren klassische Friedhofsbepflanzungen wie Stiefmütterchen, aber auch robuste Sträucher wie Efeu und sogar kleine Bäume.

Ein besonderes Highlight war die Rettung eines großen Lavendelstrauchs, der von einer Besucherin mitgebracht wurde. Diese erzählte, dass der Strauch ursprünglich aus ihrem Garten stammte, sie ihn aber aus Platzgründen nicht mehr behalten konnte. Wenige Tage später wurde er von einem Rentner mitgenommen, der erzählte, er suche genau so etwas für das Grab seiner verstorbenen Ehefrau.

Auch die sozialen Effekte sind nicht zu unterschätzen. Friedhofsgäste kommen ins Gespräch, tauschen Gartentipps aus oder teilen Erinnerungen. In einer Zeit, in der Vereinsamung ein großes gesellschaftliches Problem darstellt, bietet das Tauschbeet einen kleinen, aber bedeutenden Gegenpol.

Herausforderungen und Potenziale

Natürlich ist das Projekt nicht ohne Herausforderungen. Die Pflege des Beets erfordert Engagement, und es gibt immer wieder Unsicherheiten darüber, welche Pflanzen geeignet sind. Doch die Initiative hat darauf reagiert: Regelmäßig finden Workshops statt, in denen Interessierte lernen, wie sie Pflanzen richtig einsetzen oder welche Sorten für den Austausch geeignet sind.

Ein weiteres Ziel der Initiative ist es, das Konzept auf andere Friedhöfe zu übertragen. Bereits 2022 wurden zwei weitere Tauschbeete in Dresden angelegt. Langfristig soll ein Netzwerk entstehen, das Friedhöfe in ganz Deutschland miteinander verbindet und den Austausch von Pflanzen fördert.

Ein Modell für die Zukunft?

Das Tauschbeet auf dem Neuen Annenfriedhof zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht immer groß angelegt sein muss. Oft sind es die kleinen, kreativen Ideen, die große Wirkung entfalten. Durch die Verbindung von Ressourcenschonung, sozialem Austausch und Bildung schafft das Projekt einen echten Mehrwert für die Gesellschaft.

Vielleicht inspiriert dieses Beispiel auch Sie: Wie wäre es, wenn es in Ihrer Gemeinde etwas Ähnliches gäbe? Ein Tauschbeet braucht keine großen Investitionen, sondern lebt von der Bereitschaft, Ressourcen zu teilen und gemeinsam etwas Nachhaltiges zu schaffen. Stellen Sie sich vor, wie viele Pflanzen gerettet und Menschen miteinander verbunden werden könnten, wenn diese Idee an vielen Orten auflebt.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht. Denn in einer Welt, in der Verschwendung oft zur Norm geworden ist, erinnert uns das Tauschbeet daran, dass auch kleine Veränderungen große Kreise ziehen können.

Quellen

Deutsche Umwelthilfe (2021): „Abfallaufkommen auf deutschen Friedhöfen“. Verfügbar unter: https://www.duh.de/abfallfriedhof

Stadt Dresden (2020): „Förderung nachhaltiger Projekte“. Verfügbar unter: https://www.dresden.de/nachhaltigkeit

Grüne Horizonte Dresden e.V. (2023): „Projekte und Initiativen“. Verfügbar unter: https://www.gruene-horizonte-dresden.de

Berliner Morgenpost (2022): „Wie Friedhöfe nachhaltiger werden“. Verfügbar unter: https://www.morgenpost.de/nachhaltige-friedhoefe

 

 

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