Hecken sind die stillen Helfer in der Landschaft. Sie filtern die Luft, speichern Kohlenstoff, schützen vor Hochwasser und bieten Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Doch warum gibt es sie in der deutschen Agrarlandschaft kaum noch, und wie können sie helfen, den Klimawandel zu bekämpfen? Ein Blick auf ein ehrgeiziges Projekt in Augsburg liefert Antworten.
Das Verschwinden der Hecken: Ein Problem mit tiefen Wurzeln
Die Geschichte des Heckensterbens beginnt in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Durch die Flurbereinigung wurden große Teile der Agrarlandschaft in Deutschland neu organisiert, um die Effizienz der Landwirtschaft zu steigern. Dabei mussten Hecken weichen, denn sie behinderten die Arbeit mit großen Maschinen. Felder wurden vergrößert, Monokulturen etabliert und die einst überall präsenten Hecken verschwanden nahezu vollständig. Heute gibt es in Deutschland schätzungsweise nur noch zehn Prozent der Hecken, die vor 100 Jahren existierten.
Das Problem: Mit den Hecken gingen wichtige Ökosystemleistungen verloren. Hecken sind wahre Alleskönner. Sie speichern Kohlenstoff, bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen, verhindern Bodenerosion und regulieren das Mikroklima. Laut einer Studie der Universität Göttingen können Hecken entlang von Feldern bis zu 20 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge retten, indem sie die Windgeschwindigkeit reduzieren und die Bodenfeuchtigkeit bewahren.
Die Flurbereinigung hatte jedoch nicht nur ökologische, sondern auch soziale Folgen. Die Landschaft verlor ihre Struktur und Vielfalt. Viele Menschen empfinden die weiten Monokulturen als eintönig und seelenlos. Doch die Folgen gehen noch weiter: Ohne Hecken fehlt ein natürlicher Puffer gegen Stürme und Hochwasser, beides Phänomene, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten.
Ein Projekt in Augsburg: Zurück zur Vielfalt
In Augsburg hat der Landschaftspflegeverband ein ambitioniertes Ziel: Die Hecken sollen zurückkehren. Hinter dem Projekt steht Nicolas Liebig, Geschäftsführer des Verbandes, der sich seit Jahren für den Erhalt natürlicher Lebensräume einsetzt. Gegründet 1991 als eingetragener Verein, hat der Landschaftspflegeverband Augsburg bereits zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt, darunter die Wiedervernässung von Mooren und den Schutz von Streuobstwiesen. Aktuell arbeiten dort rund 15 Mitarbeiter, unterstützt von freiwilligen Helfern und lokalen Landwirten.
Das aktuelle Projekt, das 2023 gestartet wurde, hat das Ziel, auf landwirtschaftlichen Flächen im Stadtgebiet und im Umland neue Hecken anzulegen. „Wir müssen diese Struktur wieder in die Landschaft bringen“, erklärt Liebig. Finanziert wird das Vorhaben durch EU-Fördermittel sowie Mittel des Bayerischen Umweltministeriums. Bisher wurden 12 Kilometer neue Hecken gepflanzt, weitere 20 Kilometer sind bis 2026 geplant.
Doch warum gerade Hecken? „Hecken sind richtige Multitalente“, so Liebig. Forschungen zeigen, dass eine Hecke mit einer Länge von 750 Metern und vier Metern Breite so viel CO2 speichert, wie ein Mensch im Durchschnitt in zehn Jahren verursacht. Gleichzeitig bieten sie Lebensraum für bis zu 1.000 Tierarten, darunter Wildbienen, Vögel und kleine Säugetiere. Besonders beeindruckend: Hecken wachsen schnell und sind damit effektiver als viele Aufforstungsprojekte.
Erfolgreiche Umsetzung: Fakten und Geschichten aus dem Projekt
Die ersten Ergebnisse des Projekts sind vielversprechend. Landwirt Hans Gruber, der in der Nähe von Augsburg einen Hof betreibt, hat auf seinen Feldern mehrere Hecken angelegt. „Am Anfang war ich skeptisch“, gesteht er. „Ich dachte, die Hecken nehmen mir wertvolle Anbaufläche weg.“ Doch das Gegenteil war der Fall. Die Hecken schützten seine Felder vor Wind und verminderten die Bodenerosion. Gruber konnte in den letzten zwei Jahren sogar einen leichten Anstieg seiner Erträge verzeichnen.
Eine weitere Erfolgsgeschichte erzählt Karin Meier, die als Biologin im Projektteam arbeitet. Beim Anlegen einer Hecke nahe eines kleinen Dorfs wurde bereits im ersten Jahr ein seltener Vogel, der Neuntöter, gesichtet. „Es ist unglaublich, wie schnell die Natur auf solche Maßnahmen reagiert“, schwärmt Meier.
Besonders eindrucksvoll sind die Zahlen: Laut einer Analyse des Bayerischen Landesamts für Umwelt können die neu gepflanzten Hecken in Augsburg jährlich bis zu 150 Tonnen CO2 speichern. Gleichzeitig dienen sie als Barrieren gegen Hochwasser, indem sie Wasser aufnehmen und langsam an den Boden abgeben. „In Zeiten, in denen Starkregenereignisse zunehmen, sind Hecken ein unschlagbares Mittel“, sagt Liebig.
Ein Modell für andere Regionen?
Das Augsburger Projekt könnte Vorbildcharakter haben. Angesichts der Erfolge gibt es Überlegungen, ähnliche Programme auch in anderen Regionen Bayerns zu starten. Kritiker werfen jedoch ein, dass die Finanzierung solcher Projekte nicht langfristig gesichert sei. „Es braucht eine klare Strategie auf Bundes- und EU-Ebene, um solche Initiativen dauerhaft zu unterstützen“, fordert Liebig.
Dennoch zeigt das Beispiel Augsburg, dass der Wiederaufbau von Hecken machbar ist und konkrete Vorteile bringt. Die Herausforderung besteht nun darin, die Landwirte flächendeckend zu überzeugen. Schulungen, finanzielle Anreize und eine bessere Aufklärung sollen dazu beitragen, dass sich mehr Landwirte dem Projekt anschließen.
Fazit: Kleine Hecken mit großer Wirkung
Hecken sind nicht nur ökologische Multitalente, sondern auch ein Schlüssel im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Das Augsburger Projekt zeigt, wie alte Strukturen wiederbelebt werden können und welche positiven Auswirkungen dies auf Mensch und Natur hat. Doch um diese Entwicklung voranzutreiben, braucht es politischen Willen und die Bereitschaft, alte Fehler zu korrigieren. Denn eines ist klar: Ohne Hecken wird die Landschaft nicht nur eintöniger, sondern auch verletzlicher.
Quellen
- Universität Göttingen (2023). Studie zu Hecken und landwirtschaftlichen Erträgen. Verfügbar unter: https://www.uni-goettingen.de/hecken-studie
- Bayerisches Landesamt für Umwelt (2024). Hecken als Kohlenstoffspeicher. Verfügbar unter: https://www.lfu.bayern.de/klima/hecken
- Landschaftspflegeverband Augsburg (2023). Projektberichte. Verfügbar unter: https://www.lpv-augsburg.de/projekte
- NABU Deutschland (2022). Bedeutung von Hecken für die Artenvielfalt. Verfügbar unter: https://www.nabu.de/natur/artenvielfalt/hecken
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