Mitarbeiter retten ihre Firma: Wie die Belegschaft von Duralex den Traditionsbetrieb übernahm

Eine Ikone der französischen Industrie in der Krise

Die berühmten Bistrogläser von Duralex sind seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil französischer Cafés und Küchen. Ihre Robustheit und schlichte Eleganz haben sie weltweit bekannt gemacht. Doch hinter der glänzenden Fassade des Traditionsunternehmens, das in den 1940er Jahren gegründet wurde, zeichnete sich über Jahre hinweg eine düstere Realität ab. Sinkende Gewinne, veraltete Maschinen und zuletzt die Energiekrise 2022 setzten Duralex massiv unter Druck. Schließlich führte die Zahlungsunfähigkeit zu einem Produktionsstopp und der Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Rund 226 Arbeitsplätze standen auf dem Spiel.

Die Krise bei Duralex war kein Einzelfall. In ganz Europa kämpfen energieintensive Industrien mit steigenden Kosten und globaler Konkurrenz. Doch was in der Glashütte bei Orléans geschah, ist einzigartig: Die Mitarbeiter entschieden sich, ihre Firma selbst zu übernehmen und als Genossenschaft weiterzuführen.

Der Wendepunkt: Die Idee einer Genossenschaft

Im Laufe des Insolvenzverfahrens gab es zwei konkrete Übernahmeangebote von externen Investoren. Beide beinhalteten jedoch massive Stellenstreichungen. „Es wäre ein Todesstoß für die Mitarbeiter gewesen“, erklärt Suliman El Musawi, der seit fast 20 Jahren bei Duralex arbeitet. Als Mitglied der Gewerkschaft war er von Anfang an Teil der Gespräche über die Zukunft des Unternehmens. „Wir wollten nicht nur unsere Arbeitsplätze sichern, sondern auch unsere Identität und das, wofür Duralex steht.“

Die Lösung, die er und andere Gewerkschaftsvertreter vorschlugen, war radikal: Sie wollten das Unternehmen in eine Genossenschaft umwandeln, in der die Mitarbeiter die Eigentümer sind. Diese sogenannte SCOP (Société Coopérative et Participative) ist ein in Frankreich bekanntes Modell der Selbstverwaltung. Dabei wird der Betrieb demokratisch geführt, und jeder Mitarbeiter, der sich finanziell beteiligt, hat eine gleichwertige Stimme bei Entscheidungen.

Die Idee war ambitioniert, stieß jedoch auf gemischte Reaktionen. „Es war eine große Entscheidung, und nicht jeder war sofort überzeugt“, erinnert sich El Musawi. „Wir wussten, dass wir Risiken eingehen würden. Aber für viele war es eine Frage des Prinzips.“

Die finanzielle Herausforderung

Um die Genossenschaft zu gründen, mussten die Mitarbeiter Kapital aufbringen. Jeder teilnehmende Mitarbeiter zahlte 500 Euro in einen gemeinsamen Fonds ein – ein erheblicher Betrag für viele, die ohnehin durch die Unsicherheit der Insolvenz belastet waren. Parallel dazu sicherten sich die Gewerkschaften und Vertreter der Belegschaft finanzielle Unterstützung von regionalen und nationalen Behörden. Insgesamt erhielt Duralex 10 Millionen Euro an Krediten und Zuschüssen, um den Kauf der Produktionsanlagen und der Gebäude zu finanzieren.

„Ohne diese Unterstützung wäre es nicht möglich gewesen“, gibt El Musawi zu. „Aber der eigentliche Antrieb kam von uns, den Arbeitern. Wir haben uns zusammengeschlossen, um unsere Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.“

Am Ende stimmten über die Hälfte der Mitarbeiter für das Vorhaben, und im Juli 2022 genehmigte das Handelsgericht von Orléans den Plan. Duralex wurde offiziell zur Genossenschaft.

Ein neues Kapitel: Arbeiten für sich selbst

Die Umwandlung in eine Genossenschaft brachte eine spürbare Veränderung in der Arbeitskultur mit sich. „Wir arbeiten jetzt für uns selbst, und das motiviert ungemein“, erklärt Paret, die seit Jahren in der Versandabteilung tätig ist. „Natürlich haben wir immer hart gearbeitet, aber jetzt haben wir einen direkten Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens.“

Die Mitarbeiter wählte François Marciano, den ehemaligen Betriebsleiter, zum neuen Geschäftsführer. Marciano, der selbst aus der Region stammt und die Herausforderungen des Unternehmens gut kennt, setzt auf Teamarbeit und Transparenz. „Es gibt keine einfachen Lösungen, aber gemeinsam können wir es schaffen“, betont er.

Die ersten Schritte in eine unsichere Zukunft

Der Neustart als Genossenschaft brachte enorme Herausforderungen mit sich. Die Produktionsanlagen von Duralex sind veraltet und dringend modernisierungsbedürftig. Außerdem fehlen dem Unternehmen eigene Vertriebs- und Marketingabteilungen, da diese früher von externen Partnern übernommen wurden.

„Unser erster Schritt war, eine klare Strategie zu entwickeln“, erklärt Marciano. „Wir mussten neue Kunden gewinnen und gleichzeitig die Produktionskosten senken.“ Die Aufmerksamkeit, die die Rettung von Duralex in den Medien erregte, führte zu einem Anstieg der Bestellungen, was den Druck auf die Mitarbeiter erhöhte, schnell Ergebnisse zu liefern.

Doch nicht alle Mitarbeiter waren von Anfang an überzeugt. Der Glasbläser Wilfried Laub war einer der Skeptiker: „Ich wollte erst sehen, ob das Konzept funktioniert, bevor ich mich finanziell beteilige. Aber mittlerweile bin ich optimistischer.“

Unterstützung von außen

Die Transformation von Duralex zur Genossenschaft wäre ohne die Unterstützung von außen kaum möglich gewesen. Die Stadt Orléans, die Region Centre-Val de Loire und die französische Regierung spielten eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung finanzieller Mittel und der Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessengruppen.

„Es war beeindruckend zu sehen, wie viel Rückhalt wir hatten“, sagt El Musawi. „Aber am Ende liegt die Verantwortung bei uns. Wir müssen beweisen, dass unser Modell funktioniert.“

Der lange Weg zur Rentabilität

Duralex hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb von fünf Jahren wieder profitabel zu werden. Die Genossenschaft investiert in neue Produktionsanlagen, arbeitet an der Entwicklung innovativer Produkte und erschließt neue Märkte. Besonders im Ausland gibt es großes Interesse an der Marke, die durch die Krise noch mehr Aufmerksamkeit erlangt hat.

Doch der Weg ist steinig. Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind nach wie vor erheblich, und die Rückzahlung der Kredite lastet schwer auf dem Unternehmen. Gleichzeitig müssen die Mitarbeiter lernen, ihre neuen Rollen als Entscheidungsträger zu meistern. „Es ist nicht einfach, aber wir wachsen an den Herausforderungen“, sagt Marciano.

Mitarbeiter retten ihre Firma: Ein Modell für die Zukunft?

Die Geschichte von Duralex ist mehr als nur die Rettung eines Traditionsunternehmens. Sie ist ein Beispiel dafür, wie Mitarbeiter durch Solidarität und Engagement die Kontrolle über ihre Arbeitsplätze und ihre Zukunft übernehmen können. In einer Zeit, in der viele Unternehmen von globalen Konzernen oder Investmentfonds übernommen werden, bietet das Modell der Genossenschaft eine Alternative, die auf Eigenverantwortung und Gemeinschaft basiert.

„Es geht nicht nur darum, ein Unternehmen zu retten“, betont El Musawi. „Es geht darum, zu zeigen, dass es möglich ist, anders zu arbeiten – mit mehr Respekt für die Menschen, die das Unternehmen ausmachen.“

Unterstützen Sie die Duralex-Genossenschaft

Wenn Sie ein Stück französische Tradition in Ihrem Zuhause haben möchten und gleichzeitig die Arbeitergenossenschaft von Duralex unterstützen möchten, können Sie die berühmten Bistrogläser und viele weitere Produkte direkt erwerben. Besuchen Sie den offiziellen Duralex-Onlineshop unter https://eu.duralex.com/de-eu/collections/glaser und entdecken Sie die Vielfalt und Qualität der ikonischen Glaswaren. Jeder Kauf hilft, die Zukunft des Unternehmens und der Menschen, die dahinterstehen, zu sichern.

Fazit

Die Rettung von Duralex durch seine Mitarbeiter ist ein mutiges Experiment, das viele Herausforderungen birgt. Doch es zeigt auch, was möglich ist, wenn Menschen zusammenstehen und bereit sind, Risiken einzugehen. Für die Mitarbeiter ist es mehr als nur ein Job: Es ist ein Symbol für Hoffnung und Selbstbestimmung.


Quellen

  1. France24 (2023): „France’s Duralex glass factory saved by worker cooperative“. Verfügbar unter: https://www.france24.com/en
  2. Le Monde (2022): „Duralex: Comment les employés ont sauvé leur entreprise“. Verfügbar unter: https://www.lemonde.fr
  3. Euronews (2023): „How workers turned around a famous French glassmaker“. Verfügbar unter: https://www.euronews.com
  4. Regional Council of Centre-Val de Loire (2022): „Support for local industry“. Verfügbar unter: https://www.regioncentre-valdeloire.fr

 

 

guteideen.org © 2024 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert