Der Hintergrund: Die Sahara wächst, die Hoffnung schwindet
Die Sahara ist die größte heiße Wüste der Welt und umfasst etwa 9,2 Millionen Quadratkilometer – eine Fläche fast so groß wie die Vereinigten Staaten. Doch die Sahara bleibt nicht stehen: Seit Jahrzehnten dehnt sie sich aus, insbesondere nach Süden in die sogenannte Sahelzone, den Puffer zwischen Wüste und fruchtbarerem Land. Rund 135 Millionen Menschen in dieser Region sind direkt von der wachsenden Desertifikation betroffen.
Die Ursachen dafür sind komplex und verstärken sich gegenseitig. Klimawandel führt zu längeren und intensiveren Dürreperioden. Gleichzeitig setzen Überweidung, Abholzung und intensiver Ackerbau den Böden zu. Bäume werden gefällt, um Feuerholz zu gewinnen oder landwirtschaftliche Flächen zu schaffen, wodurch die schützende Vegetationsdecke verschwindet. Ohne diese Deckschicht werden Böden von Wind und Wasser erodiert. Was bleibt, ist eine unfruchtbare Landschaft, in der die Landwirtschaft scheitert und das Leben zur Existenzfrage wird.
Die soziale Dimension dieses Problems ist immens. Nahrungsmittel- und Wasserknappheit treiben Konflikte und Migration an. Ganze Gemeinschaften verlassen ihre Heimat in der Hoffnung, anderswo eine bessere Zukunft zu finden. Dieser Kreislauf aus ökologischer Zerstörung, wirtschaftlicher Not und sozialer Unsicherheit fordert eine Lösung – und zwar schnell.
Die Idee der „Großen Grünen Wand“: Ein neuer Ansatz für ein altes Problem
Bereits in den 1950er-Jahren hatten Forscher und Aktivisten die Idee, Wüsten mit einem „grünen Wall“ aus Bäumen aufzuhalten. Doch erst 2007 wurde dieser Traum mit der Initiative der „Großen Grünen Wand“ konkret. Die Afrikanische Union rief das Projekt ins Leben, um die ökologischen und sozialen Probleme der Sahelzone umfassend zu bekämpfen. Ziel war es, einen 8.000 Kilometer langen und bis zu 15 Kilometer breiten Gürtel aus Vegetation zu schaffen, der sich vom Atlantik bis zum Roten Meer erstreckt.
Dieser Ansatz wurde später erweitert: Heute geht es nicht mehr nur darum, Bäume zu pflanzen, sondern um eine ganzheitliche Wiederherstellung von Landschaften. Das schließt den Schutz von Biodiversität, die Wiederherstellung von landwirtschaftlich nutzbaren Böden und die Förderung nachhaltiger Lebensgrundlagen für die lokale Bevölkerung ein.
Die Große Grüne Wand ist nicht nur ein ökologisches Projekt, sondern auch ein soziales. Es schafft Arbeitsplätze, fördert Bildung und stärkt die Position von Frauen. Akteur:innen vor Ort – von kleinen Gemeinden bis zu nationalen Regierungen – arbeiten Hand in Hand mit internationalen Organisationen wie der UNCCD (Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung) und der Weltbank. Mit der Unterstützung von mehr als 20 afrikanischen Ländern und einem finanziellen Rahmen von mehreren Milliarden US-Dollar gilt die Große Grüne Wand als das ambitionierteste Aufforstungsprojekt der Welt.
Fortschritte: Mehr als nur ein Symbol
Nach 17 Jahren Arbeit zeigt die Initiative Ergebnisse, die Hoffnung geben. Laut der Afrikanischen Union wurden bis heute etwa 20 Millionen Hektar degradierter Boden wiederhergestellt – eine Fläche fast so groß wie das gesamte Staatsgebiet von Großbritannien. In Ländern wie Senegal und Äthiopien blühen ehemals vertrocknete Regionen auf.
In Senegal etwa gedeihen Akazienbäume, die den Boden vor Erosion schützen und den Grundwasserspiegel stabilisieren. Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist enorm: Das Harz der Akazien wird als Rohstoff für Kaugummi und pharmazeutische Produkte genutzt, was den Gemeinden Einkommen verschafft. In Äthiopien, wo große Aufforstungskampagnen organisiert wurden, ist es gelungen, die Biodiversität in zuvor kargen Gebieten wiederherzustellen. Laut Satellitenbildern zeigen auch Regionen rund um das Tschadbecken und den Senegalsee sichtbare Zunahmen von Grünflächen.
Doch nicht alles läuft reibungslos. Länder wie der Niger oder Mali kämpfen mit politischen Instabilitäten, die die Fortschritte behindern. Hinzu kommen die extremen klimatischen Bedingungen: Längere Trockenperioden und steigende Temperaturen machen das Überleben der Pflanzen zur Herausforderung. Zudem steht das Projekt oft in Konkurrenz zu kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen, etwa der Ausweitung von Agrarflächen oder Holzgewinnung.
Wer treibt die Vision voran?
Hinter der Großen Grünen Wand stehen verschiedenste Akteur:innen. Auf internationaler Ebene koordinieren Institutionen wie die Afrikanische Union und die UNCCD die strategische Ausrichtung und Finanzierung. Nationale Regierungen setzen individuelle Pläne um, unterstützt durch NGOs, Forschungsinstitute und private Organisationen. Lokale Gemeinschaften, oft die ärmsten und am meisten von Desertifikation betroffenen Menschen, übernehmen die praktische Umsetzung.
Ein herausragendes Beispiel für lokale Initiativen ist die Arbeit von Yacouba Sawadogo in Burkina Faso. Der Bauer nutzt traditionelle Anbautechniken, um unfruchtbare Böden wiederherzustellen. Seine „Zaï-Technik“ – bei der Mulden gegraben und mit Kompost gefüllt werden – hat bereits hunderte Hektar Land fruchtbar gemacht und dient als Inspiration für die Region.
Finanziert wird das Projekt aus einer Mischung öffentlicher und privater Mittel. 2021 kündigten internationale Geldgeber, darunter die Weltbank und Frankreich, zusätzliche 14 Milliarden US-Dollar an, um die Initiative bis 2030 voranzutreiben. Doch die benötigten Summen sind immens: Schätzungen zufolge wird das Projekt bis zur Vollendung rund 33 Milliarden US-Dollar kosten.
Zukunftsausblick: Zwischen Hoffnung und Hürden
Die Ziele der Großen Grünen Wand sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen 100 Millionen Hektar degradierter Boden wieder fruchtbar gemacht und 250 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden werden. Außerdem sollen zehn Millionen Arbeitsplätze geschaffen und 25 Millionen Menschen von Armut und Hunger befreit werden. Gelingt dies, könnte die Initiative ein Modell für andere Regionen der Welt werden, etwa in Zentralasien oder Südasien, wo Desertifikation ebenfalls ein wachsendes Problem ist.
Doch die Große Grüne Wand ist nicht nur ein Umweltprojekt. Sie ist eine Antwort auf einige der drängendsten Fragen unserer Zeit: Wie können wir den Klimawandel aufhalten? Wie können wir Migration reduzieren, ohne Menschen ihre Perspektiven zu nehmen? Wie kann nachhaltige Entwicklung in besonders vulnerablen Regionen aussehen?
Die Herausforderungen bleiben enorm. Ohne eine langfristige Finanzierung, politische Stabilität und die Einbindung der lokalen Bevölkerung wird das Projekt scheitern. Auch die extremen klimatischen Bedingungen in der Sahelzone stellen das Projekt immer wieder auf die Probe. Wissenschaftler:innen warnen, dass die durchschnittliche Temperatur in der Region bis 2100 um bis zu 4 °C steigen könnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden. Dies würde die Arbeit der letzten Jahrzehnte gefährden.
Inspiration für die Welt
Die Große Grüne Wand ist mehr als nur ein ökologisches Programm – sie ist ein Symbol für Widerstandsfähigkeit und den Glauben daran, dass Veränderungen möglich sind. Sie zeigt, dass es trotz der Herausforderungen möglich ist, ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele miteinander zu verbinden. Wenn das Projekt seine Ziele erreicht, könnte es nicht nur Afrika, sondern auch die Welt verändern. Denn die Lehren aus der Sahelzone könnten helfen, ähnliche Probleme in anderen Regionen zu lösen.
Der Weg ist noch lang, aber jeder neu gepflanzte Baum und jede gerettete Hektar Land ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Große Grüne Wand wächst – und mit ihr die Hoffnung auf eine Zukunft, in der die Sahara nicht nur als Synonym für Wüste, sondern auch für Widerstandsfähigkeit und Wiedergeburt gilt.
Quellenangaben
- Afrikanische Union, „The Great Green Wall Initiative“, verfügbar unter: https://au.int/en/ggw
- UNCCD, „The Great Green Wall Initiative – Facts and Figures“, verfügbar unter: https://www.unccd.int/actions/great-green-wall-initiative
- FAO, „Great Green Wall Progress Report“, verfügbar unter: https://www.fao.org/3/ca7721en/ca7721en.pdf
- The Guardian, „The man who stopped the desert“, verfügbar unter: https://www.theguardian.com/environment/2010/aug/11/man-stopped-desert-yacouba-sawadogo
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