Deutschlandflora App 3.0: Wie eine App die Pflanzenvielfalt schützt und Bürgerwissenschaft fördert

Ein Blick auf ein wachsendes Problem

Die Biodiversität unserer Erde ist in Gefahr. Weltweit verschwinden Arten in rasantem Tempo, und auch Deutschland ist davon nicht ausgenommen. Die Ursachen für diesen Verlust sind vielfältig: Zerstörung von Lebensräumen durch Landwirtschaft, Bebauung und Infrastrukturprojekte, der Klimawandel, invasive Arten und der Einsatz von Pestiziden tragen ihren Teil dazu bei. Eine aktuelle Studie des Bundesamtes für Naturschutz zeigt, dass in Deutschland etwa 30 % aller Pflanzenarten gefährdet sind. Dies betrifft nicht nur exotische Arten, sondern auch zahlreiche heimische Gewächse, die einst unsere Landschaften prägten. Die Folgen gehen weit über den ästhetischen Verlust hinaus: Pflanzen sind essenzielle Bestandteile von Ökosystemen, die Sauerstoff produzieren, Böden stabilisieren und unzähligen Tieren Nahrung und Lebensraum bieten.

Doch wie lässt sich ein solches Problem lösen? Besonders die Erfassung von Daten über Pflanzenvorkommen gestaltet sich schwierig. Wissenschaftler können nicht allein alle Regionen abdecken, und traditionelle Kartierungsmethoden sind zeitaufwendig sowie teuer. Hier kommt die Bürgerwissenschaft ins Spiel – und ein innovatives Projekt namens Deutschlandflora.

Die Lösung: Bürgerwissenschaft durch Technologie

Die Deutschlandflora ist eine digitale Plattform, die von Bürgerwissenschaftlern und Naturfreunden genutzt werden kann, um Pflanzenfunde in Deutschland zu erfassen, zu teilen und zu analysieren. Mit der Deutschlandflora App 3.0 und einem ergänzenden Webportal wird die Erfassung und Kartierung von Pflanzenarten zugänglicher denn je. Die Idee: Menschen jeden Alters und aus allen Lebensbereichen können mitmachen, indem sie ihre Funde vor Ort dokumentieren – sei es in Wäldern, auf Wiesen oder sogar in städtischen Gebieten.

Gegründet wurde das Projekt vom Netzwerk Phytodiversität Deutschland, kurz NetPhyD, einem Zusammenschluss aus botanischen Vereinen und Institutionen, die sich für den Schutz und die Förderung der pflanzlichen Biodiversität einsetzen. Der Verein agiert als gemeinnützige Organisation und wurde vor über zehn Jahren ins Leben gerufen. Mit rund 20 aktiven Mitgliedern, darunter Biologen, Softwareentwickler und Kommunikationsspezialisten, ist NetPhyD ein eher kleiner, aber äußerst engagierter Verein. Die Deutschlandflora selbst startete als Pilotprojekt 2015 und hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Die jüngste Überarbeitung, die App 3.0, bringt nicht nur technische Verbesserungen, sondern auch ein modernes Design und neue Funktionen mit sich.

Wie funktioniert die Deutschlandflora App 3.0?

Die Nutzung der App ist denkbar einfach. Nach einer einmaligen Registrierung können Nutzer Pflanzenfunde direkt in die App eintragen, Fotos hochladen und zusätzliche Informationen wie Standort, Wachstumsbedingungen oder Blütezeiten hinzufügen. Für Einsteiger bietet die App auch eine automatische Pflanzenbestimmung anhand von Fotos – eine Funktion, die besonders bei seltenen Arten hilfreich ist.

Alle Daten werden zentral gesammelt und in einer umfangreichen Datenbank gespeichert. Diese Informationen sind nicht nur für die Nutzer selbst einsehbar, sondern auch für Wissenschaftler, die sie für Studien und Schutzmaßnahmen verwenden können. So entsteht eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen Laien und Experten. Besonders erwähnenswert sind die Verbreitungskarten, die mithilfe der erfassten Daten erstellt werden. Diese Karten zeigen, wo bestimmte Pflanzenarten vorkommen – oder wo sie bereits verschwunden sind. Dies ist ein wichtiges Instrument, um gefährdete Arten gezielt zu schützen oder invasive Arten zu überwachen.

Erfolgsgeschichten: Die Deutschlandflora App 3.0 in der Praxis

Seit dem Start der Deutschlandflora App 3.0 wurden zahlreiche Meilensteine erreicht. Ein beeindruckendes Beispiel ist die Wiederentdeckung des Sumpf-Herzblatts (Parnassia palustris), einer seltenen Pflanze, die lange als verschollen galt. Dank der App konnte ein Hobby-Botaniker einen Fund dokumentieren, der später von Experten bestätigt wurde. Mittlerweile wird die Art in einem Schutzprojekt gezielt gefördert.

Ein weiteres Beispiel ist die Dokumentation des drastischen Rückgangs von Orchideenarten in bestimmten Regionen. Mithilfe der App konnten Bürgerwissenschaftler und Fachleute zusammenarbeiten, um die Gründe für den Rückgang zu identifizieren – darunter veränderte Landnutzungspraktiken und Entwässerungsmaßnahmen. Diese Erkenntnisse führten zu neuen Schutzmaßnahmen, etwa der Wiedervernässung von Feuchtgebieten.

Die Plattform hat mittlerweile über 50.000 registrierte Nutzer, und es wurden mehr als eine Million Pflanzenfunde gemeldet. Die Datenbank wächst täglich und ist heute eine der umfassendsten ihrer Art in Europa. Dieser Erfolg zeigt, wie digitale Technologien und gemeinschaftliches Engagement dazu beitragen können, große ökologische Herausforderungen zu bewältigen.

Herausforderungen und Perspektiven

Trotz des Erfolgs steht die Deutschlandflora App 3.0 vor Herausforderungen. Eine davon ist die Datenqualität: Nicht jeder Nutzer verfügt über botanische Kenntnisse, was zu Fehlern in den Einträgen führen kann. Hier hilft ein Team aus ehrenamtlichen Experten, die die Daten regelmäßig überprüfen. Zudem arbeitet NetPhyD daran, die Algorithmen zur automatischen Pflanzenbestimmung weiter zu verbessern.

Ein weiteres Hindernis ist die Finanzierung. Obwohl das Projekt von Fördergeldern und Mitgliedsbeiträgen getragen wird, reicht dies oft nicht aus, um langfristige Entwicklungen zu sichern. Umso wichtiger ist es, die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger von der Bedeutung solcher Initiativen zu überzeugen. Die Vision für die Zukunft ist klar: NetPhyD möchte die Plattform international erweitern und die Zusammenarbeit mit anderen Ländern stärken. Außerdem soll die App um Funktionen erweitert werden, die den Schutz von Pflanzenarten noch effektiver gestalten – etwa durch Echtzeit-Warnungen für bedrohte Lebensräume.

Fazit: Gemeinsam für die Pflanzenvielfalt

Die Deutschlandflora App 3.0 zeigt, dass Technologie, Gemeinschaftssinn und Engagement große Veränderungen bewirken können. Indem Menschen dazu ermutigt werden, ihre Umgebung genauer zu beobachten und ihre Erkenntnisse zu teilen, wird nicht nur das Bewusstsein für die Natur gestärkt, sondern auch ein aktiver Beitrag zum Schutz der Biodiversität geleistet. Das Projekt ist ein Paradebeispiel dafür, wie Bürgerwissenschaft in der Praxis funktionieren kann – und es ist ein Aufruf an uns alle, die Schönheit und Vielfalt unserer Natur zu bewahren.

Quellen

  1. Bundesamt für Naturschutz (2023): „Bericht zur Lage der Biodiversität in Deutschland“. Verfügbar unter: https://www.bfn.de
  2. NetPhyD – Netzwerk Phytodiversität Deutschland (2024): „Über uns“. Verfügbar unter: https://www.netphyd.de
  3. Deutschlandflora Portal (2024): „Startseite“. Verfügbar unter: https://www.deutschlandflora.de
  4. Natur und Umwelt Magazin (2023): „Bürgerwissenschaft im Fokus“. Verfügbar unter: https://www.natur-und-umwelt.de

 

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