In der Protestantischen Jugendkirche in Ludwigshafen-Süd herrscht geschäftiges Treiben: Jeden Mittag nehmen 60 bis 90 Kinder der Erich-Kästner-Grundschule an langen Tafeln Platz und genießen ein frisch zubereitetes Drei-Gänge-Menü. Was wie ein besonderes Event klingt, ist Teil der alljährlichen KinderVesperKirche, die 2024 bereits zum elften Mal stattfindet. Dieses Projekt setzt ein starkes Zeichen gegen Kinderarmut und für Chancengleichheit.
Kinderarmut in Deutschland: Ein unterschätztes Problem
Kinderarmut ist in Deutschland ein drängendes, jedoch oft übersehenes Problem. Laut aktuellen Studien lebt jedes fünfte Kind in Deutschland in relativer Armut. Die Folgen sind weitreichend: mangelnde Bildungschancen, soziale Isolation und gesundheitliche Beeinträchtigungen. Besonders betroffen sind Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Vierteln. In Ludwigshafen, einer Stadt mit hoher Arbeitslosenquote und vielfältiger Bevölkerungsstruktur, spiegelt sich dieses Problem deutlich wider.
Die Entstehung der KinderVesperKirche: Ein Gemeinschaftsprojekt
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, initiierte die Protestantische Jugendkirche Ludwigshafen vor elf Jahren die KinderVesperKirche. Unter der Leitung von Stadtjugendpfarrerin Florentine Zimmermann entstand ein Projekt, das Kindern aus benachteiligten Familien nicht nur eine warme Mahlzeit, sondern auch Gemeinschaft und Teilhabe bietet. Die Organisation stützt sich auf ein breites Netzwerk von Ehrenamtlichen, lokalen Unternehmen und Bildungseinrichtungen.
Hauptsponsor ist der Verein „Adler helfen Menschen e.V.“, weitere Unterstützer sind die Odenwald-Quelle und die Bäckerei Schirmer aus Ludwigshafen-Süd. Die Zubereitung der Mahlzeiten übernehmen Ehrenamtliche gemeinsam mit einer Gastronomie-Klasse der Berufsbildenden Schule Technik 2. Den Service leisten Mitarbeitende von Unternehmen wie BASF und ICL sowie Schülerinnen und Schüler der Karolina-Burger-Realschule plus, der IGS Edigheim und der Berufsbildenden Schule Technik 2. Wochenblatt Reporter
Ein Tag in der KinderVesperKirche: Mehr als nur ein Mittagessen
Nach dem Unterricht kommen die Kinder in die Protestantische Jugendkirche. Dort erwartet sie ein liebevoll zubereitetes Mittagessen, das die Speisevorschriften verschiedener Religionen berücksichtigt und auch in veganer Variante angeboten wird. Nach dem Essen können die Kinder an zwei Workshops teilnehmen, die von angehenden Erzieherinnen und Sozialassistenten der Anna-Freud-Schule, der Berufsbildenden Schule für Sozialwesen, Gesundheit und Hauswirtschaft, geplant und geleitet werden. Die Auswahl reicht von Backen und Basteln über Schmuckherstellung bis hin zu Tanz und Sportspielen wie Völkerball. Wochenblatt Reporter
Den Abschluss der zweiwöchigen Aktion bildet ein großes Familienfest, das in Kooperation mit der Berufsbildenden Schule Technik 2 gestaltet wird. Ein Posaunenchor sorgt für musikalische Untermalung, und sogar der Nikolaus schaut vorbei. Dank der Sponsoren ist das Fest für alle Teilnehmenden kostenfrei. Wochenblatt Reporter
Nachhaltige Wirkung: Angebote über den Aktionszeitraum hinaus
Die KinderVesperKirche versteht sich als Anwältin für Kinder, die am Rand der Gesellschaft stehen, weil sich ihre Familien eine Teilhabe nicht leisten können. Sie will ein Zeichen für Chancengleichheit und Mitmenschlichkeit setzen – und gegen Kinderarmut vor der eigenen Haustür. Deshalb lädt die Protestantische Jugendkirche einmal im Jahr ein oder zwei Grundschulen aus ihrer Nachbarschaft zu sich ein. So kann jedes Kind aus diesen Schulen während seiner Grundschulzeit mindestens einmal das Angebot nutzen. Wochenblatt Reporter
Nach der letzten KinderVesperKirche hat das Team die Schillerschule weiter unterstützt. Einmal im Monat gestaltete es mit Kooperationspartnern dort einen besonderen Nachmittag: Vereine, Initiativen und Organisationen stellten ihre Angebote vor und lieferten Lunch-Pakete. „Das kam gut an“, sagt die Stadtjugendpfarrerin. „Aber wir besitzen nicht genügend Personal, um das Angebot dauerhaft fortzusetzen“, bedauert sie. Dennoch will das Projekt KinderVesperKirche am regelmäßigen Kontakt zu den Kindern festhalten und über den eigentlichen Aktionszeitraum hinaus einen Anlaufpunkt bieten. Daher lädt es Kinder zu Bastel-Samstagen ein, die einmal im Monat stattfinden. Zwei Stunden wird gespielt und gebastelt, dann gibt es Nudeln mit Tomatensoße. Die Bastel-Samstage sollen nicht nur in der Protestantischen Jugendkirche, sondern an verschiedenen Orten in Ludwigshafen angeboten werden. Wochenblatt Reporter
Erfolgreiche Umsetzung: Ein Modell für gelebte Solidarität
Die KinderVesperKirche in Ludwigshafen zeigt eindrucksvoll, wie durch gemeinsames Engagement von Kirche, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und Ehrenamtlichen ein nachhaltiges Projekt entstehen kann, das Kinderarmut nicht nur thematisiert, sondern aktiv bekämpft. Es bietet Kindern einen Ort der Geborgenheit, des Lernens und der Freude – und setzt damit ein starkes Zeichen für Mitmenschlichkeit und Chancengleichheit.
Quellenangaben
- Wochenblatt-Reporter. (2024). KinderVesperKirche 2024: 630 Kinder der Erich-Kästner-Schule zu Gast. Verfügbar unter: https://www.wochenblatt-reporter.de/ludwigshafen/c-lokales/kindervesperkirche-2024-630-kinder-der-erich-kaestner-schule-zu-gast_a605631
- Evangelische Zeitung. (2024). Ludwigshafener Kindervesperkirche geht gegen Kinderarmut an. Verfügbar unter: https://www.evangelische-zeitung.de/ludwigshafener-kindervesperkirche-geht-gegen-kinderarmut-an
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