Die Herausforderungen des Biogemüseanbaus
Die Nachfrage nach Bioprodukten wächst seit Jahren kontinuierlich, doch der Markt bleibt für die Produzenten schwierig. Der ökologische Gemüseanbau erfordert nicht nur eine sorgfältige Planung, sondern ist auch mit erheblichen Risiken verbunden. Wetterextreme, Schädlinge und Krankheiten können die Ernte binnen Tagen zerstören. Hinzu kommen Preisdruck durch konventionelle Produkte und gestiegene Anforderungen an Qualität und Zertifizierungen. Gerade kleinere Betriebe müssen kreativ sein, um wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben.
Ein weiteres Problem ist die oft mangelnde Planbarkeit. Während Supermärkte große Mengen zu festen Preisen verlangen, bleibt für kleine Betriebe nur der Wochenmarkt oder die Direktvermarktung. Doch auch dort ist die Konkurrenz groß. Viele Verbraucher wissen die Qualität von handwerklich erzeugtem Biogemüse zwar zu schätzen, sind aber nicht bereit, die höheren Preise dauerhaft zu zahlen.
Björn Friedrichsen aus Eichdorf hat einen innovativen Ansatz gefunden, um diese Hürden zu überwinden. Mit dem Eichdorfer Vielfaltsgarten geht er neue Wege und setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der Gastronomie sowie auf außergewöhnliche Gemüsesorten, die kaum jemand sonst anbaut.
Entstehung und Philosophie des Vielfaltsgartens
Der Eichdorfer Vielfaltsgarten wurde 2019 von Björn Friedrichsen gegründet. Der ausgebildete Landwirt stammt aus einer landwirtschaftlichen Familie und entschied sich, den Hof seiner Großmutter im niedersächsischen Eichdorf in eine Marktgärtnerei umzuwandeln. Schon während seiner Ausbildung hatte er erkannt, dass die konventionelle Landwirtschaft für ihn keine Option war. „Die Böden leiden, und die Vielfalt bleibt auf der Strecke. Ich wollte das anders machen“, erklärt Friedrichsen in einem Interview (Lüneburg Aktuell, 2024).
Der Vielfaltsgarten ist ein kleiner Betrieb mit drei festangestellten Mitarbeitern und mehreren saisonalen Kräften. Der Fokus liegt auf dem Anbau von alten und seltenen Gemüsesorten. Darunter sind Spezialitäten wie Schwarzkohl, Rübstiel, Ringelbeete und mehr als zwölf verschiedene Kürbissorten, darunter auch Exoten wie der blau-graue „Blue Banana“. Mit einer Anbaufläche von etwa fünf Hektar ist der Betrieb überschaubar, doch gerade diese Größe ermöglicht es, flexibel auf die Anforderungen der Kunden einzugehen.
Die Philosophie des Vielfaltsgartens ist klar: Nachhaltigkeit, Qualität und Vielfalt stehen im Mittelpunkt. „Unser Ziel ist es, die Böden zu schützen und das Ökosystem zu fördern, anstatt es auszubeuten“, sagt Friedrichsen. Der Betrieb ist nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus zertifiziert und arbeitet mit dem Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Niedersachsen zusammen (Zero Foodprint DE, o.D.).
Zusammenarbeit mit der Gastronomie als Schlüssel zum Erfolg
Eine Besonderheit des Eichdorfer Vielfaltsgartens ist die enge Kooperation mit regionalen Restaurants. Vor jeder Saison setzt sich Friedrichsen mit Köchen zusammen, um die Anbaupläne individuell abzustimmen. Diese „Anbau auf Bestellung“-Strategie hat mehrere Vorteile: Die Restaurants bekommen genau die Gemüsesorten, die sie benötigen, und der Vielfaltsgarten kann seine Anbauflächen optimal planen. Dadurch wird nicht nur die Verschwendung minimiert, sondern auch eine langfristige Partnerschaft aufgebaut.
Ein Beispiel für diese Zusammenarbeit ist das Lüneburger Restaurant FRIEDAs, das für seine kreativen, saisonalen Gerichte bekannt ist. Hier stehen regelmäßig ungewöhnliche Gemüsesorten aus Eichdorf auf der Speisekarte, wie der seltene Butterkohl. „Der Butterkohl ist ein echter Hingucker und ein geschmackliches Highlight“, sagt Küchenchef Tobias Meier. Auch die Hobenköök in Hamburg bezieht regelmäßig Produkte aus dem Vielfaltsgarten (Agrar-TVNews, 2024).
Die enge Zusammenarbeit mit der Gastronomie hat zudem dazu geführt, dass Friedrichsen neue Gemüsesorten ausprobiert, die auf dem Wochenmarkt kaum Abnehmer finden würden. Dazu zählt zum Beispiel der „Blauer Schwede“, eine alte Kartoffelsorte, die mit ihrer intensiven Farbe und ihrem nussigen Geschmack vor allem in gehobenen Restaurants gefragt ist.
Erfolgsbeispiele und die Bedeutung der Vielfalt
Die Strategie des Eichdorfer Vielfaltsgartens geht auf. Die Kombination aus seltenen Sorten, nachhaltigem Anbau und kreativer Vermarktung hat dem Betrieb in kurzer Zeit einen hervorragenden Ruf eingebracht. Besonders erfolgreich war der Anbau von Ringelbeete, einer farbenfrohen Variante der klassischen Roten Bete. Nachdem Friedrichsen die Sorte erstmals auf dem Lüneburger Wochenmarkt angeboten hatte, war die Nachfrage so groß, dass er im nächsten Jahr die Anbaufläche verdoppelte. Auch in der Gastronomie kommt die Ringelbeete gut an, da sie sowohl optisch als auch geschmacklich überzeugt.
Ein weiteres Beispiel ist der bereits erwähnte Butterkohl. Dieser großblättrige Kohl war in Deutschland lange vergessen, erlebt aber dank Initiativen wie dem Vielfaltsgarten ein Comeback. Nachdem die erste Aussaat von Schädlingen vernichtet worden war, startete Friedrichsen einen zweiten Versuch – diesmal mit Erfolg. Der Kohl entwickelte sich prächtig, und die Kunden waren begeistert. „Es ist immer ein Risiko, mit neuen Sorten zu experimentieren, aber die Resonanz zeigt, dass es sich lohnt“, so Friedrichsen (Agrar-TVNews, 2024).
Nachhaltigkeit und Agroforstsysteme
Neben der engen Zusammenarbeit mit der Gastronomie setzt der Eichdorfer Vielfaltsgarten auch auf langfristige ökologische Maßnahmen. Seit 2022 arbeitet Friedrichsen an einem Agroforstsystem, das den Anbau von Gemüse mit Baumreihen kombiniert. Auf einer Länge von 150 Metern wurden Obstbäume wie Äpfel, Birnen und Zwetschgen gepflanzt, ergänzt durch Baumhaseln, Walnüsse und Esskastanien. Diese Gehölze sollen nicht nur CO₂ binden, sondern auch das Mikroklima verbessern und die Bodengesundheit fördern (Zero Foodprint DE, o.D.).
Das Projekt wird vom Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau Niedersachsen begleitet und dient als Modell für andere Betriebe. „Agroforstsysteme sind eine der effektivsten Möglichkeiten, Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten“, erklärt Friedrichsen. Die Baumreihen bieten Schutz vor Wind und Erosion, speichern Wasser und schaffen Lebensraum für Tiere und Insekten.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist der Humusaufbau. Durch die gezielte Einbringung von Kompost und Zwischenfrüchten wird der Boden fruchtbarer gemacht und gleichzeitig Kohlenstoff gebunden. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Landwirtschaft widerstandsfähiger gegen Klimaveränderungen zu machen.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der Erfolge bleibt der Biogemüseanbau eine Herausforderung. Wetterextreme wie die Hitzewellen der letzten Jahre machen auch vor dem Vielfaltsgarten nicht halt. Zudem ist die Arbeit in einer kleinen Marktgärtnerei körperlich anspruchsvoll und erfordert ein hohes Maß an Organisation. Friedrichsen sieht jedoch optimistisch in die Zukunft. „Wir können nicht alles kontrollieren, aber wir können unser Bestes tun, um flexibel zu bleiben und mit der Natur zu arbeiten, anstatt gegen sie“, sagt er.
Ein großes Potenzial sieht er in der Weiterentwicklung des Agroforstsystems sowie in der Direktvermarktung über regionale Netzwerke. Der Ausbau von Solaranlagen und die Anschaffung eines elektrischen Lieferwagens stehen ebenfalls auf der Agenda. „Nachhaltigkeit hört nicht beim Anbau auf. Es geht darum, den gesamten Betrieb umweltfreundlich zu gestalten“, so Friedrichsen.
Fazit
Der Eichdorfer Vielfaltsgarten zeigt, wie Landwirtschaft im 21. Jahrhundert aussehen kann: vielfältig, nachhaltig und in enger Kooperation mit der Gastronomie. Björn Friedrichsen hat bewiesen, dass auch kleine Betriebe erfolgreich sein können, wenn sie bereit sind, neue Wege zu gehen. Sein Ansatz, seltene Sorten anzubauen und langfristige Partnerschaften aufzubauen, könnte ein Modell für viele andere Landwirte sein. Die Kombination aus Innovationsgeist und ökologischem Bewusstsein macht den Vielfaltsgarten zu einem Vorbild für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.
Quellenangaben
- Agrar-TVNews. (2024). Gemüseanbau auf Bestellung – Ein Biobauer geht neue Wege. Abgerufen am 28. November 2024, von https://www.agrar-tvnews.de/sendungen/gemueseanbau-auf-bestellung-ein-biobauer-geht-neue-wege/
- Lüneburg Aktuell. (2024). Der Gemüsebauer und sein Weg. Abgerufen am 28. November 2024, von https://www.lueneburgaktuell.de/artikel/dergemuesebauerundsienweg/
- Zero Foodprint DE. (o.D.). Eichdorfer Vielfaltsgarten. Abgerufen am 28. November 2024, von https://www.zerofoodprint.de/project/eichdorfer-vielfaltsgarten/
- Eichdorfer Vielfaltsgarten. (o.D.). Über uns. Abgerufen am 28. November 2024, von https://www.eichdorfervielfaltsgarten.de/ueber-uns/
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