Senioren kochen im Hamburgs Restaurants das Mittagessen.

Ein Mittagstisch voller Nostalgie im Hamburger Schanzenviertel

Mitten im geschäftigen Treiben des Hamburger Schanzenviertels öffnet sich ein kleines, aber besonderes kulinarisches Refugium: der OmaLiebe Lunch Club. Dieses Pop-up-Restaurant hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur den Gaumen, sondern auch die Seele zu verwöhnen. Das Konzept? Jeden Mittag kocht eine Oma – oder ein Opa – ein Gericht aus ihrer eigenen Sammlung von traditionellen Familienrezepten. Für viele Gäste ist dies eine willkommene Auszeit aus dem Alltag, ein Stück Heimat und Kindheit auf dem Teller.

Warum wir Großmutters Küche brauchen

Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Zwischen schnellen Snacks, Tiefkühlprodukten und globalisierter Küche fehlt oft der Platz für die bodenständigen, hausgemachten Gerichte, die früher fester Bestandteil des Alltags waren.

Hinzu kommt, dass in vielen Familien die Weitergabe von Rezepten und kulinarischen Traditionen abnimmt. Die Lebensmittelindustrie bietet Fertiggerichte an, die das Kochen vermeintlich obsolet machen. Doch mit dieser Entwicklung geht auch ein Verlust einher: Geschmacklich, kulturell und emotional.

Die Sehnsucht nach Gerichten, die nicht nur sättigen, sondern auch Geschichten erzählen, wächst. Viele Menschen erinnern sich an den Duft von Hühnerfrikassee oder Eintöpfen, der durch die Küche ihrer Großmutter zog. Genau hier setzt der OmaLiebe Lunch Club an – und füllt nicht nur Teller, sondern auch Herzen.

Das Konzept: Wie alles begann

Der OmaLiebe Lunch Club wurde 2024 von drei engagierten Initiatoren ins Leben gerufen, die sich der Rettung von traditionellen Gerichten verschrieben haben:

  1. Monika Fuchs, Deutschlands älteste YouTube-Köchin, bekannt für ihre bodenständigen Rezepte und herzliche Art.
  2. Simone Lücking, Betreiberin des charmanten Café Lorenz, das sich als perfekte Kulisse für dieses Projekt erwies.
  3. Boris Rogosch, besser bekannt als der „Foodtalker“, ein Hamburger Podcaster mit einer großen Leidenschaft für Kulinarik.

Ihr gemeinsames Ziel: Vergessene Rezepte wieder aufleben zu lassen und gleichzeitig einen Raum für Begegnungen zwischen Generationen zu schaffen. Der Lunch Club öffnete im November 2024 seine Pforten im Café Lorenz und ist bis Dezember an drei Tagen pro Woche geöffnet.

Ein Mittagstisch wie bei Oma

Jeden Mittag steht eine andere Seniorin oder ein Senior am Herd, im Alter von 65 bis 86 Jahren. Mit viel Hingabe und Liebe zum Detail zaubern sie Gerichte, die sie oft über Jahrzehnte hinweg für ihre Familien gekocht haben. Auf den Tisch kommen Köstlichkeiten wie:

  • Hühnerfrikassee mit Reis
  • Gefüllte Paprikaschoten
  • Steckrübeneintopf mit Mettwurst
  • Borschtsch nach osteuropäischer Art

Die Gerichte werden traditionell in großen Schüsseln oder Terrinen serviert, sodass die Gäste am Tisch gemeinsam teilen und genießen können – wie früher bei Familienfesten. Für viele Gäste ist es eine Rückkehr zu einer Esskultur, die sie vermissen.

Die Bedeutung für die Seniorenköchinnen

Für die „Küchen-Omas und -Opas“ ist das Projekt weit mehr als nur eine Möglichkeit, ihre Rezepte weiterzugeben. Es gibt ihnen die Gelegenheit, ihre Erfahrungen zu teilen, Geschichten zu erzählen und Teil einer lebendigen Gemeinschaft zu sein. „Es ist schön zu sehen, dass meine Gerichte so gut ankommen. Es erinnert mich an die Zeiten, als die ganze Familie am Tisch saß“, erzählt Hilde, eine der Köchinnen.

Der Erfolg: Ausverkauftes Restaurant und strahlende Gesichter

Der OmaLiebe Lunch Club ist ein voller Erfolg. Bereits wenige Tage nach der Eröffnung waren die Tische vollständig ausgebucht. Gäste loben nicht nur die Qualität der Speisen, sondern auch die warme Atmosphäre, die an frühere Zeiten erinnert. „Man fühlt sich, als würde man bei der eigenen Großmutter sitzen“, schwärmt ein Besucher.

Eine besonders bewegende Anekdote stammt von einem älteren Gast, der zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder Steckrübeneintopf probierte. „Das ist genau wie damals bei meiner Mutter“, erzählte er gerührt. „Es weckt Erinnerungen an eine Zeit, die längst vorbei ist.“

Ein Blick hinter die Kulissen

Das Projekt ist nicht nur kulinarisch, sondern auch organisatorisch bemerkenswert. Die Gründer entschieden sich für eine gemeinnützige Rechtsform, um den sozialen Gedanken des Lunch Clubs zu unterstreichen. Die Einnahmen werden nicht nur zur Deckung der Kosten verwendet, sondern auch für lokale Projekte zur Förderung von Senior:innen und traditionellen Handwerkskünsten eingesetzt.

Die Köch:innen werden nicht für ihre Arbeit bezahlt – stattdessen erhalten sie die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Leidenschaft mit anderen zu teilen. Die Zutaten werden von regionalen Erzeugern bezogen, um die lokale Landwirtschaft zu unterstützen.

Pläne für die Zukunft

Angesichts des großen Erfolgs stehen die Gründer vor der Frage, wie es nach Dezember weitergehen soll. Eine Möglichkeit wäre, den Lunch Club als dauerhaftes Konzept in Hamburg zu etablieren oder ähnliche Veranstaltungen in anderen Städten zu starten. Auch die Idee eines Kochbuchs mit den beliebtesten Rezepten steht im Raum – ein weiterer Schritt, um die Gerichte für die nächsten Generationen zu bewahren.

Ein weiteres Ziel der Initiatoren ist es, die Geschichten hinter den Rezepten zu dokumentieren. Denn jedes Gericht hat eine Geschichte: von der Entstehung in schwierigen Zeiten bis hin zu besonderen Anlässen, für die sie zubereitet wurden.

Fazit: Ein Projekt mit Herz und Seele

Der OmaLiebe Lunch Club ist weit mehr als nur ein Restaurant. Er ist ein Ort, an dem Essen verbindet – über Generationen hinweg. Er zeigt, dass traditionelle Gerichte und die damit verbundene Kultur auch in einer modernen Gesellschaft ihren Platz haben. Vor allem aber erinnert er uns daran, dass Liebe durch den Magen geht – und dass ein Teller voller Erinnerungen manchmal genau das ist, was wir brauchen.

Quellenangaben

 

guteideen.org © 2024 by Gute Ideen ist lizenziert unter CC BY 4.0 . Kurz erklärt: Nutze alles und verlinke auf diesen Artikel.

 

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