Reparieren statt wegwerfen: Wie ein Start-up aus Merseburg das USB-Kabel revolutioniert

Ein universelles Problem: Warum USB-Kabel oft scheitern

Wer kennt es nicht? Das Smartphone blinkt „Akku schwach“, man greift nach dem Ladekabel, und plötzlich zeigt sich: Es ist defekt. Ein Wackelkontakt, ein gebrochener Stecker oder ein beschädigter Kabelmantel – und schon landet ein weiteres USB-Kabel auf dem Müll. Millionen solcher Kabel werden jährlich entsorgt. Die meisten sind Massenware, in China produziert und zu Niedrigpreisen verkauft. Dabei könnten sie mit der richtigen Bauweise viel länger halten. Doch Langlebigkeit ist in der Zubehörindustrie selten das Ziel. Ersatz statt Reparatur lautet das gängige Motto.

Diese Wegwerfmentalität belastet nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt. Laut dem Umweltbundesamt werden allein in Deutschland jährlich mehr als 1,5 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert, ein großer Teil davon sind kleine Elektrogeräte und Zubehörteile wie Kabel. Und oft fehlt es an Alternativen. Doch Herman Hetzer, ein Unternehmer aus Merseburg in Sachsen-Anhalt, wollte das nicht hinnehmen. Seine Idee: ein reparierbares USB-Kabel, das nicht nur funktional, sondern auch nachhaltig ist.

Der Ursprung von recable: Vision eines nachhaltigen Zubehörs

Herman Hetzer, Gründer des Start-ups recable, ist kein Unbekannter in der Welt nachhaltiger Elektronik. Bereits 2010 startete er einen Online-Shop für reparierbare Produkte, darunter das inzwischen bekannte Fairphone. Seine Leidenschaft: Elektronik, die nicht nur funktioniert, sondern auch repariert und aufgewertet werden kann. Mit recable wollte Hetzer diese Idee auf ein alltägliches Problem anwenden – kaputte Ladekabel.

„Das Ziel war ein faires, nachhaltiges und langlebiges Ladekabel als Antwort auf die noch immer sehr konservative Zubehörindustrie“, erklärt Hetzer. Gemeinsam mit einem kleinen Team aus Technik- und Nachhaltigkeitsexperten begann er, an der Idee zu tüfteln. Das Ergebnis war ein innovatives Produkt: ein USB-Kabel, das sich kinderleicht reparieren lässt und in weiten Teilen aus nachhaltigen Materialien besteht.

Wie recable das USB-Kabel neu denkt

Das recable-Kabel unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von herkömmlichen Ladekabeln. Der Unterschied steckt im Detail. Die Kabel sind modular aufgebaut, was bedeutet, dass jedes einzelne Teil ausgetauscht werden kann. Vom Stecker über die Leitungen bis hin zum Mantel – alles ist so gestaltet, dass es sich einfach reparieren lässt. Dabei setzt recable auf Materialien, die nicht nur langlebig, sondern auch umweltfreundlich sind. Der Kabelmantel besteht aus recyceltem Kunststoff, und 90 Prozent der Materialien stammen aus einem Umkreis von 500 Kilometern um Merseburg.

Die einzige Ausnahme bilden die Stecker, die derzeit noch aus China importiert werden. Hier arbeitet das Team allerdings bereits an einer Lösung, um auch diese Bauteile lokal oder zumindest in Europa produzieren zu lassen. Hetzer gibt zu, dass dies noch eine Herausforderung ist, da die Herstellung von USB-Steckern spezialisierte Maschinen und Materialien erfordert, die derzeit nur schwer in der Region verfügbar sind.

Besonders bemerkenswert ist, dass recable den Reparaturprozess so einfach gestaltet hat, dass keinerlei Fachwissen nötig ist. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung auf der Website erklärt, wie das Kabel auseinandergebaut und repariert wird. „Wir wollten sicherstellen, dass wirklich jeder sein Kabel selbst reparieren kann“, so Hetzer. Für diejenigen, die sich dennoch unsicher fühlen, bietet recable einen Reparaturservice an. Das Unternehmen sieht dies allerdings nur als Notlösung, da der Versand eines Kabels den ökologischen Fußabdruck erhöht.

Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell

Recable ist nicht nur ein Produkt, sondern auch ein Statement. Das Unternehmen möchte zeigen, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch sein müssen. Seit der Markteinführung im Jahr 2020 konnte recable nicht nur zahlreiche Kunden überzeugen, sondern auch in der Fachwelt Aufmerksamkeit erregen. Das Start-up wurde für mehrere Innovationspreise nominiert und arbeitet inzwischen eng mit anderen nachhaltigen Unternehmen zusammen.

Die Preise für die Kabel liegen zwar über dem Marktdurchschnitt, doch die Kunden wissen, wofür sie zahlen. Ein Kabel von recable ist darauf ausgelegt, ein Leben lang zu halten. Zudem setzt das Unternehmen auf eine faire Produktion, bei der alle Beteiligten entlang der Lieferkette angemessen entlohnt werden. Das macht recable zu einer echten Alternative für alle, die mehr Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit legen.

Erfolgsgeschichten aus der Praxis

Ein Beispiel für die positive Wirkung von recable ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die auf nachhaltige Büroausstattung setzen. So rüstete ein mittelständisches IT-Unternehmen aus Leipzig sein gesamtes Büro mit recable-Kabeln aus. „Für uns war es eine logische Entscheidung. Wir haben uns für Nachhaltigkeit verpflichtet, und recable passt perfekt zu unseren Werten“, erklärt der Geschäftsführer. Das Unternehmen berichtet, dass seit der Umstellung kein einziges Kabel mehr ersetzt werden musste, was nicht nur Ressourcen spart, sondern auch die Betriebskosten senkt.

Auch im privaten Bereich kommen die Kabel gut an. Ein recable-Kunde aus Hamburg erzählt, wie er sein Kabel selbst repariert hat, nachdem sein Hund es angekaut hatte. „Es war wirklich einfach. Früher hätte ich das Kabel weggeschmissen, aber mit recable konnte ich es in zehn Minuten reparieren.“

Die Herausforderungen und der Blick in die Zukunft

Trotz aller Erfolge steht recable vor Herausforderungen. Der Markt für Elektronikzubehör wird von großen Playern dominiert, die mit günstigen Preisen und aggressivem Marketing punkten. Nachhaltige Alternativen haben es schwer, in diesem Umfeld Fuß zu fassen. Dennoch ist Hetzer optimistisch. „Wir sehen, dass immer mehr Menschen nachhaltige Produkte nachfragen. Das gibt uns die Motivation, weiterzumachen.“

Für die Zukunft plant recable, sein Sortiment zu erweitern. Neben USB-Kabeln sollen auch andere Zubehörteile reparierbar gemacht werden. Außerdem möchte das Unternehmen den Anteil lokal produzierter Materialien weiter erhöhen, um den ökologischen Fußabdruck noch weiter zu reduzieren.

Fazit: Kleine Veränderungen mit großer Wirkung

Mit recable zeigt ein kleines Start-up aus Sachsen-Anhalt, dass es möglich ist, die Elektronikindustrie nachhaltig zu gestalten. Ein simples Produkt wie ein USB-Kabel wird hier zum Symbol für eine größere Bewegung: weg von der Wegwerfgesellschaft, hin zu mehr Verantwortung und Bewusstsein. Herman Hetzer und sein Team haben bewiesen, dass Veränderung möglich ist – wenn man bereit ist, alte Muster zu durchbrechen.


Quellen

  1. Umweltbundesamt: Elektroschrott in Deutschland, https://www.umweltbundesamt.de/themen/elektroschrott
  2. Offizielle Website von recable: Reparaturanleitung und Produktinfos, https://www.recable.it/pages/reparatur-usb-a-kabel
  3. Innovationspreis Mitteldeutschland: Vorstellung von recable, https://www.innovationspreis-mitteldeutschland.de
  4. Nachhaltigkeitsbericht eines IT-Unternehmens: Erfahrungen mit recable-Kabeln, https://www.sustainability-it-leipzig.de

 

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