In Zeiten von Klimakrise und zunehmender Ressourcenknappheit suchen Unternehmen weltweit nach nachhaltigen Alternativen zu herkömmlichen Produktionsmethoden. Ein innovatives Beispiel kommt aus Hannover: Das Start-up eco:fibr setzt auf Pflanzenreste, insbesondere Ananasfasern, um Papier ressourcenschonend und umweltfreundlich herzustellen. Was auf den ersten Blick wie eine exotische Idee klingt, könnte eine dringend benötigte Lösung für ein gravierendes globales Problem bieten.
Das Problem: Wälder und Ressourcen am Limit
Die Papierindustrie gehört zu den ressourcenintensivsten Branchen weltweit. Laut dem Umweltbundesamt verbraucht die Produktion von Papier, Pappe und Karton jährlich immense Mengen an Holz, Wasser und Energie. Rund 40 Prozent der weltweit gefällten Bäume werden für die Herstellung von Zellstoff verwendet, dem Hauptbestandteil von Papier (Umweltbundesamt, o.D.).
Neben der Abholzung steht die Industrie auch wegen ihres hohen Chemikalieneinsatzes in der Kritik. Traditionelle Verfahren zur Zellstoffgewinnung setzen oft aggressive Chemikalien wie Chlor ein, die nicht nur Energie verbrauchen, sondern auch die Umwelt belasten. Die Folgen sind weitreichend: Verlust von Biodiversität, Zerstörung von Lebensräumen und die Verschärfung des Klimawandels durch die Freisetzung von CO₂ beim Abbau der Wälder.
Dabei wird Papier nicht weniger gefragt. Im Gegenteil: Der weltweite Papierkonsum steigt, nicht zuletzt durch den Onlinehandel und die Nachfrage nach Verpackungen. Gleichzeitig werden durch steigende Nachhaltigkeitsanforderungen Lösungen gesucht, die ressourcenschonender und umweltfreundlicher sind.
Die Lösung: Ananasfasern statt Holz
Hier setzt das hannoversche Start-up eco:fibr an. Ihre Idee: Zellstoff aus Pflanzenresten, speziell aus den Blättern der Ananaspflanze, zu gewinnen. Nach der Ernte der Ananasfrucht bleibt ein Großteil der Pflanze ungenutzt und wird meist entsorgt. Allein in Costa Rica, einem der größten Ananasproduzenten weltweit, entstehen jährlich Millionen Tonnen solcher Abfälle (Hannover.de, 2022).
Anstatt diese Reste zu verbrennen oder zu kompostieren, entwickelte eco:fibr ein Verfahren, um die Fasern der Ananasblätter für die Papierproduktion aufzubereiten. Die Vorteile sind offensichtlich:
- Nachhaltigkeit: Der Zellstoff aus Ananasfasern ersetzt Holz, wodurch Wälder geschont und die Biodiversität erhalten werden können.
- Abfallverwertung: Pflanzenreste, die ansonsten als Müll betrachtet werden, erhalten einen neuen Wert.
- Ressourceneffizienz: Der Prozess benötigt weniger Wasser und Chemikalien als herkömmliche Verfahren, was die Umwelt zusätzlich entlastet.
- Regionale Wertschöpfung: Vor allem in den Ananasproduktionsländern wie Costa Rica entsteht eine neue Einnahmequelle für lokale Landwirte, die die Pflanzenreste bisher als Abfall betrachteten.
Die Herausforderung lag darin, die Zellulose aus den robusten Fasern der Ananasblätter zu extrahieren. Nach jahrelanger Forschung und Entwicklung ist eco:fibr dies gelungen. Ihr Verfahren nutzt moderne Technologien, die umweltschonend und gleichzeitig kosteneffizient sind.
Der Ursprung: Eine studentische Idee wird zum Unternehmen
Hinter eco:fibr steht eine Gruppe junger Innovatoren, die sich ursprünglich an der Leibniz Universität Hannover zusammengefunden haben. Das Projekt begann im Rahmen von Enactus, einem internationalen Netzwerk von Studierenden, die sich für soziale und ökologische Projekte einsetzen. Die Idee, Pflanzenreste als Rohstoffquelle zu nutzen, wurde zunächst in kleinen Experimenten getestet.
Ein entscheidender Wendepunkt war der Zugang zu einem speziellen Forschungsreaktor, der es ermöglichte, die Fasern der Ananasblätter in größerem Maßstab zu extrahieren. Die Maschine, humorvoll „Jürgen“ getauft, wurde zum Herzstück der Entwicklung. „Jürgen hat uns die Möglichkeit gegeben, die ersten Prototypen herzustellen und die Qualität unseres Zellstoffs zu testen“, erinnert sich Mitgründerin Merit Ulmer.
Mit der Unterstützung von Mentoren der Universität und einem EXIST-Gründerstipendium in Höhe von 133.500 Euro konnte das Projekt professionalisiert und in ein Start-up überführt werden. Seit der offiziellen Gründung im Jahr 2022 arbeitet eco:fibr als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit einem kleinen, aber hochmotivierten Team an der Markteinführung ihrer Produkte.
Von der Vision zur Realität: Erfolgreiche Projekte in der Praxis
Eco:fibr hat bereits erste Pilotprojekte umgesetzt, um die Praxistauglichkeit ihres Ansatzes zu beweisen. In Zusammenarbeit mit Plantagenbetreibern in Costa Rica wurden mehrere Tonnen Ananasreste verarbeitet. Die daraus gewonnene Zellulose wurde an potenzielle Partner in der Papierindustrie geschickt, um Anwendungen in der Verpackungsherstellung und im Druckpapier zu testen.
Ein Beispiel für den Erfolg des Projekts ist die Kooperation mit einem nachhaltigen Verpackungshersteller. Hier wurde aus eco:fibr-Zellstoff eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Karton entwickelt. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Der aus Ananasfasern hergestellte Karton war nicht nur stabil und leicht, sondern überzeugte auch durch seine natürliche Optik, die auf dem Markt gut ankommt.
Die Vision: Ein globaler Wandel
Das Ziel von eco:fibr ist ambitioniert: Sie wollen die Papierindustrie revolutionieren und dabei nicht nur Ananasfasern, sondern auch andere Pflanzenreste wie Bananenstauden und Bambus als Rohstoffquelle erschließen. Die Gründer sehen großes Potenzial, vor allem in tropischen Ländern, in denen Pflanzenreste oft in großen Mengen verfügbar sind.
Langfristig plant eco:fibr, Produktionsanlagen direkt in den Herkunftsländern der Rohstoffe zu errichten. Dies würde nicht nur Transportwege und CO₂-Emissionen reduzieren, sondern auch die lokale Wirtschaft stärken. „Wir wollen zeigen, dass nachhaltige Innovationen nicht nur gut für die Umwelt sind, sondern auch ökonomisch sinnvoll“, betont Ulmer.
Herausforderungen und Zukunftsaussichten
Natürlich stehen die Gründer auch vor Herausforderungen. Die Skalierung der Produktion ist komplex und kostenintensiv. Zudem ist die Papierindustrie konservativ und oft zurückhaltend gegenüber neuen Rohstoffen. Um diese Hürden zu überwinden, setzt eco:fibr auf Partnerschaften mit etablierten Unternehmen und Förderprogramme.
Ein weiterer Aspekt ist die Akzeptanz bei Verbrauchern. Obwohl Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Thema wird, müssen Produkte aus alternativen Materialien oft mit Vorurteilen kämpfen – sei es wegen des Preises oder der vermeintlich geringeren Qualität. Hier setzen die Gründer auf Transparenz und Aufklärung, um das Bewusstsein für die Vorteile ihrer Methode zu stärken.
Ein Beispiel für den Wandel
Eco:fibr steht exemplarisch für eine neue Generation von Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Innovation miteinander verbinden. Durch ihre Arbeit zeigen sie, dass es möglich ist, wirtschaftliche Interessen und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Gleichzeitig inspirieren sie andere, neue Wege zu gehen und aus Abfall wertvolle Ressourcen zu schaffen.
Fazit
Das Start-up eco:fibr aus Hannover hat nicht nur eine vielversprechende Alternative zur traditionellen Papierproduktion entwickelt, sondern auch einen Weg gefunden, Pflanzenreste sinnvoll zu nutzen. Ihre Arbeit steht für eine Zukunft, in der Nachhaltigkeit nicht nur ein Ziel, sondern der Kern unternehmerischen Handelns ist. Wenn es gelingt, ihre Methode in der Papierindustrie zu etablieren, könnte eco:fibr einen bedeutenden Beitrag zum globalen Umweltschutz leisten – und das alles dank einer Idee, die einst in einem kleinen Studentenprojekt begann.
Quellenangaben
- Umweltbundesamt. (o.D.). Papierherstellung und Umweltbelastung. Abgerufen von https://www.umweltbundesamt.de
- Hannover.de. (2022). Ananasfasern als Rohstoff für umweltfreundliches Papier. Abgerufen von https://www.hannover.de
- Taz.de. (2022). Papier aus Ananas – ein Gründerprojekt aus Hannover. Abgerufen von https://taz.de
- Leibniz Universität Hannover. (2022). EXIST-Gründerstipendium für eco:fibr. Abgerufen von https://www.uni-hannover.de
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