Das große Herz von Regensburg: Wie die „Rengschburger Herzen e.V.“ Leben verändern

Die verborgene Not: Armut und Einsamkeit in Regensburg

Regensburg, eine Stadt mit historischem Charme und florierender Wirtschaft, birgt auch eine weniger sichtbare Seite. Hinter den prächtigen Fassaden und lebendigen Straßen leiden viele Menschen unter Armut und Einsamkeit. Diese Realität bleibt oft unbemerkt, doch sie betrifft eine Vielzahl von Menschen: Senioren mit geringen Renten, Alleinerziehende, Obdachlose und Familien, die trotz harter Arbeit kaum über die Runden kommen.

Armut in Deutschland ist vielschichtig. Sie zeigt sich nicht nur durch finanzielle Not, sondern auch durch soziale Isolation. Besonders ältere Menschen ziehen sich häufig zurück, weil sie sich ihrer finanziellen Situation schämen oder körperlich nicht mehr mobil sind. Studien belegen, dass Einsamkeit die psychische und körperliche Gesundheit beeinträchtigt, was den Kreislauf von sozialer Isolation und Not verstärkt. Hinzu kommt, dass viele Betroffene staatliche Hilfen nicht in Anspruch nehmen, da bürokratische Hürden oder Scham sie davon abhalten.

Auch Obdachlose kämpfen täglich mit Vorurteilen und der Herausforderung, Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu sichern. Gerade in Städten wie Regensburg, die von Touristen geprägt sind, verschwinden die Bedürftigen leicht aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Hier setzt der Verein „Rengschburger Herzen e.V.“ an, der diesen Menschen eine Stimme und praktische Unterstützung gibt.

Der Weg zur Gründung von Rengschburger Herzen: Wie aus persönlicher Not Hilfe für andere wurde

Hinter dem Verein steht eine inspirierende Persönlichkeit: Arno Birkenfelder, ein gebürtiger Regensburger, der die Herausforderungen der Armut aus eigener Erfahrung kennt. Seine Lebensgeschichte ist geprägt von Höhen und Tiefen, und gerade diese Erfahrungen machten ihn sensibel für die Bedürfnisse anderer. „Ich weiß, wie es ist, nichts zu haben“, sagt Birkenfelder. Diese Erkenntnis motivierte ihn, sich für diejenigen einzusetzen, die keine Unterstützung haben.

Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Monika Hölzl gründete er 2018 den Verein „Rengschburger Herzen e.V.“. Der Verein ist als gemeinnütziger eingetragener Verein organisiert und hat seinen Sitz in Pentling bei Regensburg. Was als kleine Initiative begann, hat sich inzwischen zu einem beachtlichen Netzwerk entwickelt: Über 130 Mitglieder engagieren sich regelmäßig ehrenamtlich, um benachteiligte Menschen in der Region zu unterstützen. Ihre Mission ist klar: praktische Hilfe leisten, wo staatliche Unterstützung an ihre Grenzen stößt, und gleichzeitig das Bewusstsein für Armut in der Gesellschaft schärfen.

Projekte mit Herz: Wie der Verein Menschen unterstützt

Die „Rengschburger Herzen“ verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz, um Menschen in Not auf vielfältige Weise zu helfen. Dabei stehen sowohl die Deckung materieller Bedürfnisse als auch die Förderung sozialer Kontakte im Fokus.

Lebensmittelverteilung: Essen für die Seele

Alle zwei Wochen organisiert der Verein Rengschburger Herzen eine Lebensmittelverteilung für Menschen mit geringem Einkommen. Dabei werden nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern auch frische Produkte wie Obst und Gemüse verteilt. Die Lebensmittel stammen aus Spenden von Supermärkten, Bäckereien und Privatpersonen. Was besonders hervorsticht, ist die Würde, mit der die Verteilung gestaltet wird. Es geht nicht darum, Almosen zu verteilen, sondern den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie wertgeschätzt werden.

Eine bewegende Geschichte erzählt von einer älteren Dame, die das erste Mal zur Lebensmittelausgabe kam. Mit zögerlichen Schritten trat sie an die Helfer heran und entschuldigte sich, dass sie Hilfe benötigte. Die Freiwilligen nahmen sie freundlich in Empfang, halfen ihr bei der Auswahl und luden sie ein, beim nächsten Mal wiederzukommen. „Es ist nicht nur das Essen, das hilft, sondern das Gefühl, gesehen zu werden“, erzählt Arno Birkenfelder.

Seniorencafés: Gemeinsam gegen die Einsamkeit

Einsamkeit ist vor allem für Senioren eine große Belastung. Um dem entgegenzuwirken, hat der Verein das Seniorencafé ins Leben gerufen. Zweimal pro Woche treffen sich ältere Menschen bei Kaffee und Kuchen, um zu plaudern, zu lachen und Gemeinschaft zu erleben. Diese Treffen sind weit mehr als ein nettes Beisammensein: Sie bieten einen sicheren Raum, in dem die Teilnehmer ihre Sorgen teilen und neue Freundschaften knüpfen können.

Ein Teilnehmer, Herr Müller, beschreibt es so: „Ich habe so lange alleine zu Hause gesessen. Jetzt freue ich mich jede Woche auf die Menschen, die ich hier treffe.“ Die Cafés werden von Ehrenamtlichen organisiert, die nicht nur für das leibliche Wohl sorgen, sondern auch ein offenes Ohr für die Gäste haben.

Fahrradwerkstatt: Mobilität für alle

Ein weiteres Highlight ist die Fahrradwerkstatt von Rengschburger Herzen. Hier werden gespendete Fahrräder repariert und kostenlos an Bedürftige weitergegeben. Mobilität ist ein Schlüssel zur Unabhängigkeit, und viele Menschen können sich kein eigenes Fahrrad leisten. Die Werkstatt bietet nicht nur praktische Hilfe, sondern fördert auch die Integration von Menschen in die Gesellschaft.

Ein Beispiel ist ein junger Mann, der durch die Spende eines Fahrrads eine Ausbildung antreten konnte, da er nun pünktlich zu seinem Arbeitsplatz gelangen konnte. „Ohne das Rad hätte ich die Stelle nicht annehmen können“, erzählt er dankbar.

Weihnachtsfeiern: Lichtblicke in schwierigen Zeiten

Besonders in der Weihnachtszeit, die für viele Menschen mit Einsamkeit verbunden ist, setzen die „Rengschburger Herzen“ ein starkes Zeichen. Jährlich organisieren sie eine große Weihnachtsfeier, zu der bis zu 300 Gäste eingeladen werden. Neben einem festlichen Essen gibt es musikalische Darbietungen, Geschenke und vor allem eine Atmosphäre des Zusammenhalts. Für viele Teilnehmer ist dies der einzige Lichtblick in einer ansonsten schwierigen Zeit.

Arno Birkenfelder erinnert sich an eine ältere Frau, die nach der Feier in Tränen ausbrach und sagte: „Das war das schönste Weihnachten, das ich je hatte.“ Solche Momente treiben die Ehrenamtlichen an, Jahr für Jahr neue Kraft in die Organisation dieser Veranstaltungen zu stecken.

Herausforderungen und Visionen: Der Weg in die Zukunft

Trotz aller Erfolge ist die Arbeit der „Rengschburger Herzen“ nicht ohne Hürden. Die Zahl der Bedürftigen steigt kontinuierlich, während die Ressourcen des Vereins begrenzt sind. Die Finanzierung der Projekte ist eine ständige Herausforderung, die ohne Spenden und das Engagement der Freiwilligen kaum zu bewältigen wäre. Hinzu kommt die Bürokratie, die die Umsetzung mancher Ideen erschwert.

Arno Birkenfelder und sein Team bleiben jedoch optimistisch. Ihre Vision ist es, das Netzwerk weiter auszubauen und noch mehr Menschen zu erreichen. Geplant sind unter anderem neue Projekte wie Schulungen für Betroffene, die ihnen helfen sollen, mit ihrer Situation umzugehen, und verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, um das Bewusstsein für Armut in der Gesellschaft zu schärfen.

„Es gibt so viele Menschen, die helfen wollen, aber nicht wissen, wie. Wir möchten eine Plattform sein, die diese Hilfe ermöglicht“, sagt Birkenfelder. Dabei setzt der Verein auf Solidarität und die Überzeugung, dass jeder Einzelne etwas bewirken kann.

Quellenangaben

 

 

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