Die Angst vor dem Versagen: Ein kulturelles Hindernis
Scheitern ist in Österreich, wie in vielen anderen Ländern, ein Thema, über das nur ungern gesprochen wird. Misserfolge gelten oft als persönliches Versagen und nicht als wertvolle Erfahrung. Diese Haltung ist tief in der Kultur verwurzelt, in der Perfektionismus und ein makelloses Bild in der Öffentlichkeit oft als Maßstab für Erfolg dienen. Für viele bedeutet das, Fehler zu vermeiden und Rückschläge zu verbergen, anstatt sie zu analysieren und daraus zu lernen.
Diese Sichtweise hat Folgen: Unternehmer und Kreative, die mit ihren Ideen scheitern, werden oft stigmatisiert, was dazu führt, dass Innovationen und mutige Projekte aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst gestartet werden. In der Wirtschaft bedeutet dies, dass potenzielle Chancen verloren gehen. Im persönlichen Bereich führt es dazu, dass Menschen ihre Misserfolge als Last tragen, anstatt sie als Teil des Wachstumsprozesses zu sehen. Eine Kultur des Schweigens und der Scham verhindert, dass wertvolle Lektionen aus Fehlern gezogen werden können.
Die Fuckup Nights: Eine globale Bewegung findet ihren Platz in Österreich
Um diese Denkweise zu ändern, entstand 2012 in Mexiko-Stadt die Idee der Fuckup Nights. Die Gründer, eine Gruppe junger Unternehmer, hatten selbst mehrere gescheiterte Projekte hinter sich und suchten nach einer Möglichkeit, diese Erfahrungen in einem unterstützenden Umfeld zu teilen. Der Gedanke dahinter war einfach: Scheitern sollte kein Tabu sein, sondern ein Thema, das offen besprochen wird, um von den Fehlern anderer zu lernen und die Angst davor zu überwinden.
Die Bewegung wuchs schnell und verbreitete sich weltweit. Heute gibt es Fuckup Nights in über 300 Städten, von New York über Berlin bis nach Singapur. 2014 erreichte die Idee schließlich auch Österreich. Dejan Stojanovic, ein Unternehmer aus Wien, brachte die erste Fuckup Night ins Land. Er hatte erkannt, dass es auch hier dringend eine Plattform braucht, die Scheitern enttabuisiert und Menschen ermutigt, offen über ihre Fehler zu sprechen.
Die Fuckup Nights sind als gemeinnützige Veranstaltungen organisiert, die regelmäßig in Städten wie Wien, Graz und Linz stattfinden. Jede Veranstaltung umfasst mehrere Sprecher:innen, die jeweils zehn Minuten Zeit haben, um von einem ihrer größten Misserfolge zu berichten – und davon, was sie daraus gelernt haben. Dabei geht es nicht nur um berufliches Scheitern, sondern auch um persönliche Erfahrungen, die für das Publikum inspirierend und lehrreich sind.
Lernen aus dem Scheitern: Geschichten, die inspirieren
Die Fuckup Nights in Österreich haben bereits viele bemerkenswerte Geschichten hervorgebracht. Eine der bekanntesten stammt von einem jungen Wiener Start-up-Gründer, dessen Unternehmen innerhalb eines Jahres Insolvenz anmelden musste. Der Grund war nicht mangelnde Nachfrage, sondern eine fehlende rechtliche Absicherung im internationalen Vertrieb. Auf der Bühne erzählte er, wie er durch diesen Fehler nicht nur sein Unternehmen, sondern auch seine persönlichen Ersparnisse verlor – und wie er dennoch den Mut fand, ein neues Projekt zu starten, das heute erfolgreich ist.
Eine andere Geschichte stammt aus der Kunstwelt. Eine Grazer Schauspielerin berichtete von einem gescheiterten Theaterprojekt, bei dem sie in die Rolle der Regisseurin schlüpfen wollte. Die mangelnde Erfahrung in dieser Funktion führte zu chaotischen Proben, enttäuschten Kolleg:innen und einer abgesagten Premiere. Trotz des Rückschlags erklärte sie, wie sie durch die Analyse ihrer Fehler lernte, besser zu kommunizieren und die Fähigkeiten ihres Teams effektiver einzusetzen. Ihr nächstes Projekt wurde ein voller Erfolg.
Eine weitere inspirierende Anekdote handelt von einem Linzer IT-Experten, der nach einem missglückten Software-Start fast die Branche wechseln wollte. Auf einer Fuckup Night sprach er darüber, wie er die technischen Probleme analysierte, einen neuen Ansatz entwickelte und schließlich ein Produkt auf den Markt brachte, das in der Branche Maßstäbe setzte.
Diese Geschichten zeigen, dass hinter jedem Scheitern eine Lektion steckt, die oft wichtiger ist als der Erfolg selbst. Für die Zuhörer:innen sind sie nicht nur inspirierend, sondern auch beruhigend: Sie vermitteln das Gefühl, dass niemand allein mit seinen Misserfolgen ist.
Die Bedeutung der Gemeinschaft: Warum Fuckup Nights funktionieren
Der Erfolg der Fuckup Nights liegt nicht nur in den Geschichten selbst, sondern auch in der Atmosphäre, die diese Veranstaltungen schaffen. In einem lockeren, oft humorvollen Umfeld werden Fehler als natürlicher Teil des Lebens dargestellt. Durch das Teilen von persönlichen Erfahrungen entsteht eine Gemeinschaft, die auf gegenseitigem Verständnis und Unterstützung basiert. Diese Offenheit fördert eine neue Perspektive auf Scheitern und hilft den Teilnehmer:innen, ihre eigene Angst davor abzubauen.
Die Fuckup Nights sind bewusst als niederschwellige Plattform konzipiert. Es gibt keine Eintrittsbarrieren: Jeder kann teilnehmen, zuhören oder selbst sprechen. Diese Offenheit zieht ein breites Publikum an, von jungen Start-up-Gründer:innen über Studierende bis hin zu etablierten Unternehmer:innen. Die Vielfalt der Perspektiven ist einer der größten Stärken der Veranstaltung, da sie zeigt, dass Scheitern jeden treffen kann – unabhängig von Beruf, Alter oder Hintergrund.
Die Zukunft der Fuckup Nights in Österreich
Seit ihrer Einführung in Österreich sind die Fuckup Nights stetig gewachsen. Mittlerweile gibt es regelmäßige Veranstaltungen in mehreren Städten, und die Bewegung wird auch von Unternehmen, Universitäten und öffentlichen Institutionen unterstützt. Einige Unternehmen haben das Konzept sogar in ihre internen Schulungsprogramme integriert, um eine offenere Fehlerkultur zu fördern.
Ein Beispiel dafür ist ein Wiener Technologieunternehmen, das regelmäßig interne Fuckup Sessions abhält, bei denen Mitarbeiter:innen über ihre beruflichen Fehltritte sprechen. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Eine offenere Kommunikation, ein besseres Verständnis für Risiken und eine gesteigerte Innovationsbereitschaft.
Die größte Herausforderung bleibt jedoch, die Kultur des Scheiterns in der breiten Öffentlichkeit zu verändern. Die Fuckup Nights leisten hierzu einen wichtigen Beitrag, doch es bedarf auch eines Wandels in der Bildung, den Medien und der Arbeitswelt. Der Weg zu einer offeneren Fehlerkultur ist lang, aber die Bewegung zeigt, dass er möglich ist.
Quellenangaben
- Fuckup Nights. (o.D.). Über uns. Abgerufen von https://fuckupnights.com/about/
- Wiener Zeitung. (2019). Warum das Scheitern kein Scheitern ist. Abgerufen von https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/2025373-Warum-das-Scheitern-kein-Scheitern-ist.html
- Der Standard. (2022). Fuckup Nights: Die Kunst, über Scheitern zu lachen. Abgerufen von https://www.derstandard.at/story/2000137375995/fuckup-nights-die-kunst-ueber-scheitern-zu-lachen
- Puls24. (2023). Warum die Fuckup Nights Österreich begeistern. Abgerufen von https://www.puls24.at/news/kultur/warum-die-fuckup-nights-oesterreich-begeistern/294193
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