Das Problem: Die dunkle Seite des Online-Shoppings
Der Boom des Online-Handels hat unser Einkaufsverhalten revolutioniert. Die bequeme Möglichkeit, Kleidung und Accessoires mit nur wenigen Klicks zu bestellen, führt jedoch zu einem oft übersehenen Problem: Retouren. Besonders im Modebereich ist die Rücksendequote hoch – je nach Anbieter werden bis zu 50 % der bestellten Artikel wieder zurückgeschickt. Kund*innen bestellen oft mehrere Größen oder Farben eines Kleidungsstücks, um sie zu Hause anzuprobieren, und senden den Rest zurück. Für Händler bedeutet dies immense Kosten und eine logistische Herausforderung.
Die Retouren haben jedoch auch gravierende ökologische Konsequenzen. Studien zeigen, dass ein beträchtlicher Anteil der zurückgesandten Ware nicht erneut in den Verkauf gelangt. Stattdessen wird sie entsorgt oder verbrannt – nicht etwa, weil sie unbrauchbar ist, sondern weil die Prüfung und Wiederaufbereitung oft teurer ist als die Entsorgung. Dies führt zu einem enormen Ressourcenverbrauch: Wasser, Energie und Rohstoffe, die in die Herstellung der Kleidung fließen, werden verschwendet, während die Umwelt durch Müll und CO₂-Emissionen zusätzlich belastet wird. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Retourenmanagement verursachen allein Retouren in Deutschland jährlich über 400.000 Tonnen CO₂.
Die Lösung: Nachhaltigkeit durch Aufbereitung – ACS Clothing Ltd.
Inmitten dieser Krise zeigt ein schottisches Unternehmen, dass es auch anders geht. ACS Clothing Ltd., mit Sitz in Glasgow, hat sich darauf spezialisiert, Retouren nicht nur zu managen, sondern sie nachhaltig aufzubereiten. Gegründet 1997 von Anthony Burns und Partnern, begann das Unternehmen zunächst als Anbieter von Mietkleidung, bevor es sich ab 2005 zunehmend auf die Wiederaufbereitung von Textilien fokussierte. Heute beschäftigt ACS über 200 Mitarbeiter*innen und arbeitet mit führenden Modemarken wie ASOS, Next und Zalando zusammen.
Die Firma hat die Rechtsform einer Limited Company (Ltd.) und ist damit in Großbritannien als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert. Mit über 25 Jahren Erfahrung hat sich ACS zu einem Vorreiter der Kreislaufwirtschaft im Modebereich entwickelt.
Wie ACS arbeitet: Vom Rückläufer zum neuwertigen Produkt
Der Prozess bei ACS beginnt mit der Ankunft der Retouren. Jedes Kleidungsstück wird individuell geprüft und sortiert. Kleinere Mängel wie offene Nähte, fehlende Knöpfe oder kleine Risse werden in einer spezialisierten Reparaturabteilung behoben. Kleidungsstücke, die sich nicht für eine direkte Wiederaufbereitung eignen, werden gegebenenfalls recycelt oder an wohltätige Organisationen weitergegeben.
Nach der Reparatur erfolgt die Reinigung der Artikel. ACS nutzt dabei innovative, umweltfreundliche Verfahren, darunter den Einsatz von Ozon zur Desinfektion. Diese Methode ist nicht nur effizient, sondern verbraucht auch weniger Wasser und Energie im Vergleich zu herkömmlichen Reinigungsverfahren. Anschließend werden die Kleidungsstücke neu verpackt und wieder in den Bestand des jeweiligen Modeunternehmens eingegliedert, bereit für den nächsten Verkauf.
Dieser geschlossene Kreislauf verlängert die Lebensdauer der Kleidung und reduziert die Abhängigkeit von Neuware. Zudem bietet ACS seinen Partnern Berichte über die Aufbereitungserfolge, die sie wiederum nutzen können, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu kommunizieren.
Erfolgsbeispiele: Nachhaltigkeit in der Praxis
Ein anschauliches Beispiel für die Arbeit von ACS ist die Zusammenarbeit mit dem britischen Modehändler ASOS. ASOS, bekannt für sein riesiges Angebot und hohe Retourenraten, entschied sich, die Rückläufer nicht länger extern zu entsorgen, sondern sie durch ACS aufbereiten zu lassen. Dadurch konnten zehntausende Kleidungsstücke, die sonst möglicherweise verbrannt oder auf Mülldeponien gelandet wären, zurück in den Verkauf gebracht werden. Diese Partnerschaft hat nicht nur den CO₂-Ausstoß von ASOS signifikant reduziert, sondern auch deren Kosten für Retourenmanagement gesenkt.
Ein weiteres erfolgreiches Projekt von ACS betrifft eine große Einzelhandelskette, die sich auf Festtagskleidung spezialisiert hat. Vor Einführung des ACS-Systems wurden jährlich mehrere Tonnen unverkaufter oder retournierter Artikel entsorgt. Heute werden diese Artikel gereinigt, repariert und in einem „Pre-Loved“-Segment neu verkauft – ein Geschäftsmodell, das bei umweltbewussten Kund*innen großen Anklang findet.
Die Bedeutung für die Modeindustrie
Die Arbeit von ACS hat nicht nur die Partnerunternehmen überzeugt, sondern auch Aufmerksamkeit in der gesamten Modebranche erregt. Angesichts des wachsenden Drucks, nachhaltiger zu wirtschaften, suchen immer mehr Unternehmen nach Lösungen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern. ACS zeigt eindrucksvoll, dass wirtschaftlicher Erfolg und Umweltbewusstsein kein Widerspruch sein müssen.
Die Bedeutung solcher Initiativen wird durch politische Entwicklungen verstärkt. In der Europäischen Union wird derzeit an einer Richtlinie für die erweiterte Herstellerverantwortung gearbeitet, die Unternehmen dazu verpflichten könnte, für die Entsorgung und das Recycling ihrer Produkte aufzukommen. Firmen wie ACS könnten eine Schlüsselrolle spielen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Trotz der Erfolge gibt es auch Herausforderungen. Der Prozess der Wiederaufbereitung ist zeit- und arbeitsintensiv, insbesondere wenn Kleidungsstücke stark beschädigt sind. Zudem erfordert die Kooperation mit großen Unternehmen ein hohes Maß an Koordination und technischer Integration, um sicherzustellen, dass die Retouren effizient verwaltet werden können.
Die Zukunft von ACS und ähnlichen Unternehmen scheint dennoch vielversprechend. Mit dem wachsenden Bewusstsein für die Umweltfolgen des Konsums steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen. ACS plant, seine Kapazitäten in den nächsten Jahren weiter auszubauen und neue Technologien einzusetzen, um den Prozess der Textilaufbereitung noch effizienter zu gestalten.
Fazit
ACS Clothing zeigt, dass nachhaltige Alternativen im Modebereich möglich sind. Indem das Unternehmen retournierten Kleidungsstücken eine zweite Chance gibt, trägt es nicht nur zur Reduzierung von Abfall und CO₂-Emissionen bei, sondern bietet auch ein Geschäftsmodell, das ökologisch und ökonomisch überzeugt. Die Arbeit von ACS ist ein Beispiel dafür, wie innovative Ansätze dazu beitragen können, die Modebranche nachhaltiger zu gestalten – und das in einer Zeit, in der dies dringender denn je ist.
Quellenangaben
- ZDFheute. (2024). Nachhaltigkeit im Online-Handel: Wie eine schottische Firma Retouren rettet. Abgerufen von https://newstral.com/de/article/de/1260508493/nachhaltigkeit-im-online-handel-wie-eine-schottische-firma-retouren-rettet
- Apiando. (2024). Retouren Fulfillment – so läuft es ab. Abgerufen von https://apiando.com/know-how/retouren-fulfillment-so-lauft-es-ab/
- Fashion Changers. (2021). Das Retouren-Geschäft: Wie klimaschädlich sind retournierte Onlinebestellungen? Abgerufen von https://fashionchangers.de/das-retouren-geschaeft-wie-klimaschaedlich-sind-retournierte-onlinebestellungen/
- Circular Glasgow. (2023). ACS Clothing: Circular Economy Success Story. Abgerufen von https://www.circularglasgow.com/case-studies/acs-clothing/
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