Ein Grunderbe für die Zukunft: Wie eine Stiftung mit einem Grunderbe Chancengleichheit schaffen will

Die ungleiche Realität des Erbens in Deutschland – braucht es ein Grunderbe?

In Deutschland werden Milliarden vererbt – jedes Jahr. Zwischen 2015 und 2024 rechnet das Deutsche Institut für Altersvorsorge mit einem Erbschaftsvolumen von 3,1 Billionen Euro. Doch dieses Geld landet keineswegs gleichmäßig in den Händen der Bevölkerung. Ein Drittel der gesamten Summe entfällt auf gerade einmal zwei Prozent der Erbschaften. Gleichzeitig gehen bei jeder achten Erbschaft die Erben leer aus, zumindest was liquide Mittel betrifft. Für viele bedeutet das, auf Vermögen zu blicken, das sie weder nutzen noch veräußern können.

Diese Ungleichheit verstärkt bestehende soziale Disparitäten. Familien mit großem Vermögen können ihren Kindern nicht nur einen leichteren Zugang zu Bildung und Immobilien ermöglichen, sondern auch finanzielle Sicherheit bieten. Jene ohne Erbschaften hingegen starten oft mit Schulden ins Berufsleben oder kämpfen, um überhaupt wirtschaftlich Fuß zu fassen. Besonders junge Menschen, die gerade den Übergang ins Erwachsenenleben meistern wollen, spüren diese Lücke. Der Unterschied zwischen „Vermögen haben“ und „Vermögen schaffen müssen“ könnte kaum größer sein.

In diesem Kontext stellt sich eine drängende Frage: Was könnte getan werden, um mehr Chancengleichheit zu schaffen? Eine mögliche Antwort gibt ein Projekt, das in Deutschland einzigartig ist.

Ein Erbe für Jeden: Eine Stiftung mit einer klaren Mission

Christoph Prüm hat eine klare Vision. Der 74-jährige Rentner gründete 2010 gemeinsam mit seiner Familie die Stiftung „Ein Erbe für Jeden“. Die Idee hinter dem Projekt ist ebenso simpel wie revolutionär: Jeder Mensch sollte einen fairen Anteil am materiellen Wohlstand der Gesellschaft erhalten – unabhängig davon, ob er aus einer wohlhabenden Familie stammt oder nicht.

„Das Grunderbe ist dein Anteil an der materiellen Welt, in die du hineingeboren wurdest“, heißt es auf der Website der Stiftung. Konkret bedeutet das: Seit 2022 verlost die Stiftung jährlich drei Grunderbschaften à 20.000 Euro. Junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren können sich für die Verlosung anmelden. Die Gewinner:innen dürfen das Geld frei verwenden – sei es für die Ausbildung, den Erwerb einer Immobilie, den Aufbau eines Unternehmens oder die Altersvorsorge.

„Es geht uns darum, den Start ins Leben etwas gerechter zu gestalten“, erklärt Prüm. „Natürlich können wir nicht alle Ungleichheiten beseitigen. Aber wir können ein Signal setzen und zeigen, dass Vermögen auch geteilt werden kann.“

Wie alles begann: Die Entstehung der Stiftung

Die Idee zur Stiftung entstand aus einem persönlichen Anliegen von Christoph Prüm. Nach einer erfolgreichen Karriere als Unternehmer beschäftigte sich der Bonner zunehmend mit den gesellschaftlichen Folgen von Vermögensungleichheit. „Mir wurde klar, dass viele junge Menschen gar nicht die Chance haben, ihr Potenzial voll auszuschöpfen, weil ihnen schlicht die finanziellen Mittel fehlen“, erzählt er.

Gemeinsam mit seinen Kindern Elisabeth und Sebastian gründete Prüm 2010 die Stiftung „Ein Erbe für Jeden“. Finanziert wird die Stiftung durch Zustiftungen der Familie sowie durch Spenden von Unterstützer:innen. Mit einem Kapitalstock von rund 280.000 Euro, zum großen Teil gebunden im eigenen Stiftungsgebäude in Marktleugast-Neuensorg, operiert die Stiftung auf einer soliden Basis. Anerkannt als gemeinnützige Organisation, verfolgt sie das Ziel, ein Modell für mehr Chancengleichheit zu schaffen.

Die Stiftung agiert unabhängig, aber immer mit einem klaren Fokus: Sie will herausfinden, wie ein allgemeines Grunderbe funktionieren könnte und welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft hätte.

Die Umsetzung: Ein Grunderbe, das wirkt

Das Grunderbe-Projekt der Stiftung funktioniert nach einem zweistufigen Prinzip. Zunächst werden die Orte ausgelost, in denen die Grunderbschaften vergeben werden. Anschließend wird innerhalb dieser Orte eine Gewinnerin oder ein Gewinner ermittelt. Diese Methode stellt sicher, dass die Verteilung geografisch breit gestreut ist und möglichst viele junge Menschen die Chance auf ein Grunderbe erhalten.

Ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung ist die Verlosung im Landkreis Steinburg. 2024 wurde dort ein Grunderbe in Höhe von 20.000 Euro vergeben. „Es war ein wunderbarer Moment, als wir der Gewinnerin die Nachricht überbringen konnten“, berichtet Prüm. Die junge Frau, die anonym bleiben möchte, plant, das Geld in ein Studium zu investieren. „Ohne diese Unterstützung hätte ich mir das nicht leisten können“, sagt sie.

Ein weiteres Highlight des Projekts ist die öffentliche Auslosung, die bewusst transparent gestaltet wird. Interessierte können den Prozess verfolgen und so Einblick in die Arbeit der Stiftung erhalten.

Herausforderungen und Perspektiven

Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Die begrenzte Anzahl an Grunderbschaften bedeutet, dass viele junge Menschen leer ausgehen. Prüm sieht dies jedoch nicht als Grund zur Resignation, sondern als Ansporn. „Wir hoffen, dass unser Projekt Nachahmer findet“, sagt er. „Ob andere Stiftungen, Unternehmen oder sogar der Staat – jede Initiative, die zur Chancengleichheit beiträgt, ist ein Gewinn.“

Die Stiftung plant zudem, ihre Arbeit wissenschaftlich begleiten zu lassen. Welche langfristigen Auswirkungen hat ein Grunderbe auf die wirtschaftliche Situation der Empfänger:innen? Verändert es ihr Verhalten? Diese Fragen sollen in Zukunft beantwortet werden, um das Modell weiterzuentwickeln.

Langfristig träumt Prüm von einem allgemeinen Grunderbe, das allen jungen Menschen in Deutschland zugutekommt. „Es ist ein großes Ziel“, gibt er zu. „Aber große Veränderungen beginnen immer mit kleinen Schritten.“

Ein Signal für mehr Gerechtigkeit

„Ein Erbe für Jeden“ zeigt, dass es möglich ist, den Status quo zu hinterfragen und konkrete Alternativen zu schaffen. Die Stiftung ist zwar klein, aber ihre Botschaft ist groß: Chancengleichheit ist keine Utopie, sondern eine Frage des Willens.

Ob das Modell eines Grunderbes langfristig eine breitere Anwendung findet, bleibt abzuwarten. Doch eines steht fest: Projekte wie dieses eröffnen neue Perspektiven und regen zum Nachdenken an. Sie zeigen, dass es auch in einer von Ungleichheit geprägten Welt Hoffnung auf Veränderung gibt.

Literaturverzeichnis

Stiftung Ein Erbe für Jeden. (o.D.). Informationen zum Grunderbe. Abgerufen von: https://ein-erbe-fuer-jeden.de/das-grunderbe

Stiftung Ein Erbe für Jeden. (o.D.). Über die Stiftung. Abgerufen von: https://ein-erbe-fuer-jeden.de/stiftung

Stiftung Ein Erbe für Jeden. (o.D.). Projekte und Ziele. Abgerufen von: https://ein-erbe-fuer-jeden.de/das-projekt

Deutsches Institut für Altersvorsorge. (2023). Erbschaftsvolumen in Deutschland. Abgerufen von: https://www.dia-vorsorge.de

 

 

 

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