Das Problem: Verkehr, Umweltbelastung und Gesundheit
Der tägliche Verkehr in deutschen Städten ist geprägt von Staus, Lärmbelästigung und überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln. Besonders Berufspendler leiden unter langen Fahrzeiten und Stress, die durch die Abhängigkeit vom Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln verursacht werden. Die Umwelt leidet ebenfalls: Der Verkehrssektor ist einer der größten Verursacher von CO₂-Emissionen in Deutschland, was den Klimawandel vorantreibt und die Luftqualität in Städten verschlechtert (UBA, 2022).
Die Universität Potsdam sah sich vor einer ähnlichen Herausforderung. Als eine der größten Hochschulen Brandenburgs ist sie auf drei große Standorte verteilt – Golm, Griebnitzsee und Neues Palais. Mitarbeitende und Studierende pendeln täglich zwischen diesen Standorten oder fahren zu externen Terminen. Oftmals griffen sie dabei auf private Autos zurück, da andere Optionen umständlich oder zeitaufwendig waren. Diese Situation führte nicht nur zu erhöhten Emissionen, sondern auch zu gestressten Mitarbeitenden und hohen Kosten für Fahrt- und Parkplatzmanagement.
Die Entstehung einer Idee: Mobilitätswende auf dem Campus
Vor diesem Hintergrund entwickelte die Universität Potsdam ein innovatives Mobilitätskonzept, um die Umweltauswirkungen zu reduzieren und den Komfort für ihre Beschäftigten zu erhöhen. Im Jahr 2019 begann die Planung für ein neues Fahrradverleihsystem, inspiriert von ähnlichen Initiativen an anderen deutschen Universitäten. Ziel war es, eine kostenlose, unkomplizierte und nachhaltige Alternative für die Fortbewegung auf kurzen Strecken anzubieten.
Die Initiative, die später als „Campusräder“ bekannt wurde, wurde maßgeblich von der Universitätsleitung, dem betrieblichen Gesundheitsmanagement und engagierten Mitarbeitenden entwickelt. Federführend war die Nachhaltigkeitsbeauftragte Karin Sumpf, die den Anspruch der Universität, als umweltbewusste Institution wahrgenommen zu werden, entscheidend vorantrieb.
Nach einer einjährigen Planungsphase startete das Projekt im Mai 2020 mit einer kleinen Flotte von zunächst zehn Fahrrädern. Diese wurden strategisch an verschiedenen Standorten der Universität verteilt und durch ein Patenschaftskonzept verwaltet. Mitarbeitende konnten die Fahrräder während der Arbeitszeit kostenlos ausleihen und für dienstliche Zwecke nutzen.
Wie das Konzept funktioniert
Das System der Campusräder ist bewusst einfach gehalten, um die Nutzung so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten. Jede Fahrradstation wird von sogenannten Fahrradpaten betreut – Mitarbeitende der Universität, die sich freiwillig für die Organisation der Räder an ihrem Standort engagieren. Sie sind die zentralen Ansprechpartner für die Ausleihe und kümmern sich um kleinere organisatorische Aufgaben wie die Übergabe von Schlüsseln und Helmen.
Mitarbeitende, die ein Campusrad nutzen möchten, melden sich einfach bei der zuständigen Patin oder dem zuständigen Paten und vereinbaren einen Abholtermin. Mit der Übergabe erhalten sie auch einen Fahrradhelm sowie ein Hygienenetz. Die Rückgabe erfolgt unkompliziert am selben Tag, sodass die Räder für den nächsten Nutzer bereitstehen. Für die regelmäßige Wartung ist eine externe Fahrradwerkstatt verantwortlich, die Schäden behebt und sicherstellt, dass die Räder jederzeit einsatzbereit sind.
Neben klassischen Fahrrädern umfasst die Flotte auch einige E-Bikes, um den Bedürfnissen von Mitarbeitenden mit längeren Distanzen oder körperlichen Einschränkungen gerecht zu werden.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Wie bei vielen neuen Projekten gab es auch bei den Campusrädern anfängliche Herausforderungen. So mussten zunächst die Mitarbeitenden von der neuen Mobilitätslösung überzeugt werden. Viele waren an das Auto als primäres Fortbewegungsmittel gewöhnt und skeptisch, ob Fahrräder im Arbeitsalltag praktikabel sind. Schulungen und gezielte Informationskampagnen halfen, die Vorbehalte abzubauen. Zudem wurden Erfahrungsberichte von Pilotnutzern veröffentlicht, die die Vorteile des Projekts betonten.
Ein weiterer Punkt war die Sicherheit. Um sicherzustellen, dass die Räder nicht gestohlen oder beschädigt werden, investierte die Universität in robuste Schlösser und versicherte die Flotte. Auch die Fahrradpaten wurden geschult, um potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und zu melden.
Die Erfolgsgeschichte der Campusräder
Trotz dieser Herausforderungen entwickelte sich das Projekt schnell zu einer Erfolgsgeschichte. Innerhalb der ersten sechs Monate nutzten bereits über 200 Mitarbeitende regelmäßig die Campusräder. Die Resonanz war so positiv, dass die Flotte im Dezember 2021 auf 18 Fahrräder erweitert wurde. Diese sind nun an allen großen Standorten verfügbar und decken die Bedürfnisse von Verwaltung, Wissenschaft und Technik gleichermaßen ab.
Eine besonders bemerkenswerte Entwicklung ist die Integration der Campusräder in die betrieblichen Gesundheitsmaßnahmen der Universität. Studien zeigen, dass regelmäßiges Radfahren nicht nur die körperliche Fitness verbessert, sondern auch Stress reduziert und die Konzentrationsfähigkeit erhöht (WHO, 2020). Die Universität fördert das Radfahren daher aktiv, etwa durch Informationsveranstaltungen oder Kooperationen mit lokalen Fahrradwerkstätten.
Ein Beispiel für den Erfolg des Projekts ist die Geschichte von Dr. Johannes Meier, einem Physiker, der regelmäßig zwischen Golm und Griebnitzsee pendelt. „Früher habe ich oft den Bus genommen, aber das dauerte ewig und war oft überfüllt. Mit dem Campusrad bin ich nicht nur schneller, sondern auch entspannter unterwegs“, erzählt er.
Ein Blick in die Zukunft
Die Universität Potsdam plant, das Projekt weiter auszubauen. So wird überlegt, die Campusräder auch für Studierende verfügbar zu machen oder das System mit dem öffentlichen Fahrradverleih „PotsdamRad“ zu verknüpfen. Auch die Anschaffung weiterer E-Bikes steht zur Diskussion, um längere Strecken noch einfacher zu machen. Zudem soll die Infrastruktur für Radfahrende verbessert werden, etwa durch zusätzliche Fahrradabstellplätze und Ladestationen für E-Bikes.
Langfristig sieht die Universität die Campusräder als Teil einer umfassenden Mobilitätsstrategie, die auch den Ausbau von Carsharing-Angeboten und die Förderung von Homeoffice-Optionen umfasst. Ziel ist es, die CO₂-Bilanz der Universität weiter zu verbessern und eine Vorbildfunktion für andere Institutionen zu übernehmen.
Fazit
Mit den Campusrädern zeigt die Universität Potsdam, wie nachhaltige Mobilität in der Praxis aussehen kann. Das Projekt verbindet Umweltbewusstsein, Gesundheitsförderung und praktische Lösungen für den Arbeitsalltag. Es ist ein Beispiel dafür, wie einfache Maßnahmen große Wirkungen entfalten können – sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Umwelt.
Quellen
Universität Potsdam (2020). Aufsatteln – Mit dem Campusrad von Golm nach Griebnitzsee. Verfügbar unter: https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2020-05-07-aufsatteln-mit-dem-campusrad-von-golm-nach-griebnitzsee
Universität Potsdam (2021). Flotte der Campusräder vergrößert – Konzept der Patenschaften hat sich bewährt und wird fortgesetzt. Verfügbar unter: https://www.uni-potsdam.de/de/nachrichten/detail/2021-12-14-flotte-der-campusraeder-vergroessert
nextbike (2024). CAMPUSbike – nextbike Potsdam. Verfügbar unter: https://www.nextbike.de/potsdam/de/campusbike/
UBA (2022). CO₂-Emissionen im Verkehrssektor. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/verkehr-emissionen
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