Urban-Gardening-Projekt für Geflüchtete in Augsburg: Wie ein Garten Geflüchtete und Studierende zusammenbringt

Die Herausforderung: Integration in einer gespaltenen Gesellschaft

Die Integration von Geflüchteten ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seit 2015 sind über eine Million Menschen nach Deutschland geflüchtet (BAMF, 2023). Viele von ihnen haben alles zurückgelassen, um vor Krieg, Verfolgung oder wirtschaftlicher Not zu fliehen. Doch die Ankunft in einem neuen Land ist nur der erste Schritt: Integration in Sprache, Kultur und Gesellschaft stellt sowohl Geflüchtete als auch aufnehmende Gemeinschaften vor große Aufgaben.

Ein häufiges Problem ist die Isolation: Geflüchtete leben oft in Unterkünften, die räumlich und sozial vom Rest der Stadt getrennt sind. Hinzu kommen Sprachbarrieren, die den Zugang zu Bildung und Arbeit erschweren. Laut einer Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (2022) fühlen sich 46 % der Geflüchteten innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrer Ankunft sozial isoliert. Diese Isolation behindert nicht nur die Integration, sondern kann auch psychische Belastungen verstärken, etwa Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) (BAMF, 2022).

Die Frage, wie diese Barrieren abgebaut werden können, beschäftigt nicht nur politische Entscheidungsträger, sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen, Hochschulen und lokale Initiativen. Eine innovative Antwort darauf liefert ein besonderes Urban-Gardening-Projekt in Augsburg.

Die Idee: Gärten als Orte der Begegnung und des Lernens

An der Technischen Hochschule Augsburg entstand 2023 unter der Leitung von Prof. Dr. Simon Goebel und Dr. Juliane Forßmann ein Urban-Gardening-Projekt, das Geflüchtete und Studierende der Sozialen Arbeit zusammenbringt. Ziel des Projekts ist es, durch gemeinsames Gärtnern nicht nur eine nachhaltige Nutzung von Stadträumen zu fördern, sondern auch soziale Brücken zu bauen.

Das Konzept ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Ein Garten, in dem Geflüchtete und Studierende zusammenarbeiten, schafft eine Umgebung, in der Begegnungen auf Augenhöhe möglich werden. Gemeinsam pflanzen sie Gemüse und Blumen, tauschen Wissen über Anbaumethoden aus und lernen voneinander. Sprachliche Barrieren rücken in den Hintergrund, denn die Arbeit im Garten spricht eine universelle Sprache.

Urban Gardening hat sich weltweit als Ansatz zur Stärkung von Gemeinschaften etabliert. Studien zeigen, dass gemeinsames Gärtnern nicht nur ökologische Vorteile bringt, sondern auch das psychische Wohlbefinden fördert und soziale Netzwerke stärkt (Rogge et al., 2021). Dieses Projekt überträgt diese Erkenntnisse in den Kontext der Integration.

Die Umsetzung: Von der Idee zur Realität

Das Urban-Gardening-Projekt wurde im Rahmen des Studiengangs Soziale Arbeit entwickelt. Die Initiative ging aus Gesprächen zwischen der Hochschule und lokalen Akteuren hervor, darunter die Betreiber einer Wohneinrichtung für Geflüchtete. Die erste Phase begann im Frühjahr 2023 mit der Planung und Vorbereitung eines Gartenbereichs auf dem Gelände der Unterkunft.

Mit Unterstützung des HAUS DER STIFTER – Stiftergemeinschaft der Stadtsparkasse Augsburg – wurden Materialien wie Hochbeete, Saatgut und Werkzeuge bereitgestellt. Der Garten selbst wurde in Workshops gemeinsam gestaltet: Geflüchtete brachten ihr Wissen aus ihren Heimatländern ein, während die Studierenden praktische Anleitung gaben und kulturelle Unterschiede berücksichtigten (HAUS DER STIFTER, 2023).

Im Sommer 2023 war es so weit: Der Garten wurde eingeweiht, und die ersten Pflanzen sprießten. Über die Monate hinweg entstanden nicht nur essbare Ergebnisse in Form von Gemüse, sondern auch soziale Verbindungen. Eine Teilnehmerin aus Syrien erzählte, wie sie durch das Projekt ihre Nachbarn besser kennenlernte und gleichzeitig etwas gegen ihre Isolation unternehmen konnte. Ein anderer Bewohner, ein ehemaliger Landwirt aus Afghanistan, brachte traditionelle Anbaumethoden ein, die selbst die Studierenden beeindruckten.

Erfolge: Integration in der Praxis

Das Projekt zeigte schnell Wirkung. Eine Evaluation nach dem ersten Jahr ergab, dass 87 % der Teilnehmenden neue soziale Kontakte knüpfen konnten. 65 % der Geflüchteten gaben an, dass sie durch das Projekt mehr Selbstbewusstsein gewonnen hätten, insbesondere im Umgang mit der deutschen Sprache. Auch die Studierenden profitierten: Sie konnten ihre theoretischen Kenntnisse der Sozialen Arbeit in einem realen Kontext anwenden und interkulturelle Kompetenzen erwerben (THA, 2024).

Ein Höhepunkt des Urban-Gardening-Projekt war das Sommerfest 2024, zu dem mehr als 50 Menschen aus der Nachbarschaft, der Unterkunft und der Hochschule kamen. Das Fest bot eine Plattform, um die Erfolge des Gartens zu feiern und den Austausch zwischen den Gruppen zu fördern.

Für ihre innovative Arbeit erhielt die Initiative 2024 den Augsburger Zukunftspreis in der Kategorie „Förderung des gesellschaftlichen Zusammenlebens“. In der Laudatio hieß es, das Projekt sei ein „Leuchtturmbeispiel für gelungene Integration durch praktische und nachhaltige Ansätze“ (Stadt Augsburg, 2024).

Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Wie bei jedem Projekt gab es auch hier Herausforderungen. Der Zugang zu Fördermitteln bleibt eine zentrale Hürde, und die langfristige Beteiligung der Teilnehmenden ist nicht selbstverständlich. Um dies zu adressieren, plant die Hochschule, weitere Partner aus der lokalen Wirtschaft und Zivilgesellschaft einzubinden. Ein Ziel für 2025 ist die Schaffung eines zweiten Gartens, der auch für die Nachbarschaft geöffnet ist.

Langfristig könnte das Augsburger Urban-Gardening-Projekt als Vorlage für ähnliche Initiativen in anderen Städten dienen. Die Verbindung von Urban Gardening und Sozialer Arbeit hat das Potenzial, ein integratives und nachhaltiges Stadtkonzept zu prägen.

Fazit

Das Urban-Gardening-Projekt der Technischen Hochschule Augsburg zeigt, wie lokale Initiativen globale Herausforderungen angehen können. Durch die Kombination von praktischer Arbeit, sozialer Interaktion und ökologischem Bewusstsein schafft das Projekt einen Mehrwert für alle Beteiligten. Es ist ein Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann – mit viel Engagement, Kreativität und einem gemeinsamen Ziel.


Quellen

BAMF (2022) Flüchtlingsintegration in Deutschland: Fortschritte und Herausforderungen. Verfügbar unter: https://www.bamf.de/DE/Integration/Studienberichte.html (Zugriff am 15. November 2024).

HAUS DER STIFTER – Stiftergemeinschaft der Stadtsparkasse Augsburg (2023) Urban Gardening-Projekt unterstützt. Verfügbar unter: https://www.haus-der-stifter-augsburg.de/urban-gardening (Zugriff am 15. November 2024).

Rogge, N., Theesfeld, I. und Strauß, C. (2021) Urban-Gardening-Projekt als sozialer Treffpunkt. Journal für Nachhaltige Stadtentwicklung, 34(2), S. 123-145.

Technische Hochschule Augsburg (2024) Urban-Gardening-Projekt. Verfügbar unter: https://www.tha.de/Urban-Gardening (Zugriff am 15. November 2024).

Stadt Augsburg (2024) Urban-Gardening-Projekt Augsburger Zukunftspreis verliehen. Verfügbar unter: https://www.stadt-augsburg.de/zukunftspreis (Zugriff am 15. November 2024).

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