Süßwasser ist eine der wertvollsten Ressourcen unserer Erde, doch ihre Verfügbarkeit und Qualität stehen zunehmend unter Druck. Seen, Flüsse und Feuchtgebiete liefern nicht nur Trinkwasser und Nahrung, sondern spielen auch eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Klimas und der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Trotz ihrer Bedeutung befinden sich Süßwasserökosysteme weltweit in einer Krise. Die „Freshwater Challenge“, eine internationale Initiative, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Degradierung dieser Systeme zu stoppen und ihre Wiederherstellung voranzutreiben. Dabei ist nachhaltige Seenbewirtschaftung ein essenzieller Bestandteil.
Die Krise der Süßwasserökosysteme: Ursachen und Folgen
Süßwasserökosysteme machen lediglich 1% der Erdoberfläche aus, beherbergen jedoch rund 10% der bekannten Artenvielfalt (WWF, 2023). Seit 1970 sind Populationen von Süßwasserarten jedoch um 83% zurückgegangen – ein alarmierender Rückgang, der schneller verläuft als in anderen Lebensräumen (Living Planet Report, 2022). Zu den Hauptursachen gehören Verschmutzung, Übernutzung, Lebensraumzerstörung und invasive Arten. Der Klimawandel verschärft die Probleme zusätzlich, indem er zu veränderten Niederschlagsmustern, Dürren und Überschwemmungen beiträgt (IPCC, 2023).
Die globale Abnahme von Süßwasserressourcen wird besonders durch Daten unterstrichen: 2015 verlor die Erde schätzungsweise 290 Kubikmeilen an Wasser, was dem 2,5-fachen Volumen des Eriesees entspricht. Diese Verluste wurden in den darauffolgenden Jahren nicht ausgeglichen (TIME, 2024). Der fortwährende Rückgang hat nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Konsequenzen. Besonders ärmere Gemeinschaften, die direkt von Süßwasserressourcen abhängig sind, leiden unter den Auswirkungen.
Die „Freshwater Challenge“: Ein globales Projekt für die Rettung
Im März 2023 wurde die „Freshwater Challenge“ auf der UN-Wasserkonferenz in New York ins Leben gerufen. Ziel der Initiative ist es, bis 2030 weltweit 300.000 Kilometer degradierter Flüsse und 350 Millionen Hektar Feuchtgebiete wiederherzustellen (UNEP, 2023). Das entspricht etwa dem 7-fachen der Länge des Amazonas und der Fläche Indiens. Die Initiative wird von sechs Ländern – Kolumbien, Demokratische Republik Kongo, Ecuador, Gabun, Mexiko und Sambia – getragen und setzt auf internationale Zusammenarbeit.
Das Besondere an der „Freshwater Challenge“ ist ihr ganzheitlicher Ansatz. Es geht nicht nur um die Wiederherstellung bereits geschädigter Ökosysteme, sondern auch um die Erhaltung intakter Süßwasserressourcen. Die Initiative ist ein Kernbestandteil der UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen (2021–2030) und fördert Synergien zwischen den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und dem Pariser Klimaschutzabkommen (UNEP, 2023).
Wie nachhaltige Seenbewirtschaftung die Ziele unterstützt
Seen sind ein wesentlicher Bestandteil der Süßwasserökosysteme. Sie speichern 90% des flüssigen Oberflächenwassers der Erde und erfüllen Funktionen wie die Trinkwasserversorgung, Energiegewinnung und den Hochwasserschutz (Umweltbundesamt, 2018). Nachhaltige Seenbewirtschaftung bedeutet, diese Ressourcen langfristig zu schützen und gleichzeitig ihren Nutzen für Menschen sicherzustellen.
Ein Beispiel für nachhaltige Bewirtschaftung ist die Integrierte Wasserressourcenbewirtschaftung (IWRM). Dieses Konzept berücksichtigt ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte, um eine ausgewogene Nutzung der Wasserressourcen zu gewährleisten. Länder wie die Schweiz und Schweden haben IWRM erfolgreich umgesetzt und gelten als Vorreiter in der nachhaltigen Wasserwirtschaft (OECD, 2023).
Erfolgreiche Projekte: Lehren aus der Praxis
Die „Freshwater Challenge“ baut auf den Erfolgen früherer Initiativen auf. Ein herausragendes Beispiel ist das Projekt zur Wiederherstellung des Pantanal-Gebiets in Brasilien. Dieses größte tropische Feuchtgebiet der Welt leidet unter den Folgen von Abholzung, Bergbau und unregulierter Landwirtschaft. Durch Wiederaufforstung, nachhaltige Landnutzung und Wasserregulierung konnten die Wasserqualität verbessert und gefährdete Tierarten geschützt werden (WWF, 2023).
Ein weiteres Beispiel ist das europäische AQUACROSS-Projekt, das von der EU im Rahmen von Horizon 2020 finanziert wurde. Ziel war es, ein ökosystembasiertes Management von Seen, Flüssen und Meeren zu fördern. In Deutschland konnte durch AQUACROSS der Zustand des Bodensees verbessert werden. Der See dient nicht nur als Trinkwasserreservoir für rund 4,5 Millionen Menschen, sondern ist auch ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Fischarten (Ecologic Institute, 2020).
Herausforderungen auf dem Weg zur Umsetzung
Die Ziele der „Freshwater Challenge“ sind ambitioniert, aber die Umsetzung ist nicht ohne Hürden. Eines der größten Probleme ist die Finanzierung. Nach Schätzungen des Global Environmental Facility (GEF) sind jährlich mindestens 26 Milliarden US-Dollar erforderlich, um die Degradierung von Süßwasserökosystemen weltweit zu stoppen (GEF, 2023). Zudem braucht es technisches Know-how, politische Unterstützung und das Engagement lokaler Gemeinschaften.
Ein weiteres Hindernis ist die Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren. Süßwasserökosysteme überschreiten oft nationale Grenzen, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Ländern erfordert. Ein positives Beispiel ist das Mekong River Commission, ein länderübergreifendes Gremium, das sich erfolgreich für den Schutz und die nachhaltige Nutzung des Mekong einsetzt (MRC, 2023).
Was können wir tun?
Auch Einzelpersonen und lokale Gemeinschaften können einen Beitrag leisten. Initiativen zur Renaturierung von Flussufern, der Einsatz von wassersparenden Technologien in der Landwirtschaft oder die Förderung von Umweltbildung sind nur einige Möglichkeiten, wie sich jeder beteiligen kann. Ein beeindruckendes Beispiel ist das Engagement von Freiwilligen bei der jährlichen Reinigung des Rheins. Allein 2023 konnten über 50 Tonnen Müll aus dem Fluss entfernt werden, ein Erfolg, der ohne die Mithilfe der lokalen Bevölkerung nicht möglich gewesen wäre (RheinCleanUp, 2023).
Fazit
Die „Freshwater Challenge“ ist ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der unsere Süßwasserressourcen wie nie zuvor bedroht sind. Ihre ambitionierten Ziele und die Einbindung unterschiedlichster Akteure zeigen, dass Veränderung möglich ist, wenn wir gemeinsam handeln. Von internationalen Projekten bis hin zu lokalen Initiativen – jeder Beitrag zählt. Die nachhaltige Seenbewirtschaftung ist dabei ein unverzichtbarer Baustein, um eine lebenswerte Zukunft für Mensch und Natur zu sichern. Jetzt ist es an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden.
Quellenangaben
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UNEP (2023). Largest river and wetland restoration initiative in history launched at UN. Verfügbar unter: https://www.unep.org/news-and-stories/press-release/largest-river-and-wetland-restoration-initiative-history-launched-un
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Umweltbundesamt (2018). Nachhaltige Wasserwirtschaft. Verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/wasser-bewirtschaften/nachhaltige-wasserwirtschaft
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WWF (2023). Freshwater species populations decline by 83% since 1970. Verfügbar unter: https://www.worldwildlife.org/stories/freshwater-species-populations-decline-by-83-since-1970
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TIME (2024). Global freshwater resources drop to troubling low. Verfügbar unter: https://time.com/7177603/global-freshwater-resources-drop-to-troubling-low/
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Ecologic Institute (2020). AQUACROSS: Ökosystembasiertes Management von aquatischen Lebensräumen. Verfügbar unter: https://www.ecologic.eu/de/12292
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