Das Zero Impact Haus oder ZiHaus. Ein Haus ohne Heizung: Wie ein fränkischer Architekt die Bauwelt herausfordert

Die Herausforderung: Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich

Der Gebäudebereich ist einer der größten Energieverbraucher weltweit. In Deutschland fließen rund 35 % des gesamten Energieverbrauchs in Gebäude, vor allem in ihre Beheizung und Kühlung. Trotz Fortschritten bei der Dämmung und energieeffizienten Technik bleibt die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ein gravierendes Problem. Heizsysteme wie Öl- oder Gasheizungen dominieren immer noch, und selbst moderne Wärmepumpen benötigen Strom, der oft nicht vollständig aus erneuerbaren Quellen stammt. Die Folgen sind nicht nur hohe Kosten für Verbraucher, sondern auch ein erheblicher CO₂-Ausstoß, der den Klimawandel befeuert.

Dazu kommt die saisonale Diskrepanz bei erneuerbaren Energien: Im Sommer wird oft mehr Solarenergie produziert, als genutzt werden kann, während im Winter, wenn der Bedarf steigt, die Produktion abfällt. Der Wunsch, den überschüssigen Sommerstrom für den Winter zu speichern, ist seit Langem ein Ziel, doch praktikable Lösungen fehlen vielerorts.

Hans-Günther Schwarz, ein erfahrener Architekt aus Altdorf bei Nürnberg, hat sich dieser Herausforderung angenommen. Sein Ziel: Ein Wohnhaus, das völlig ohne konventionelle Heizsysteme auskommt, dabei aber behaglich bleibt – und das zu vertretbaren Baukosten.

Die Lösung: Das ZiHaus – ein Meilenstein in der Architektur

Ein radikaler Ansatz: Wohnen ohne Heizkörper. Das sogenannte ZiHaus – eine Abkürzung für „Zero-Impact-Haus“ – ist das Ergebnis jahrelanger Überlegungen und praktischer Umsetzung. Es handelt sich um ein 60 Quadratmeter großes Wohngebäude, das durch kluge Materialwahl und innovative Bauweise das Konzept „Wärme speichern statt erzeugen“ realisiert. Schwarz verzichtete vollständig auf Heizkörper, Kamine oder Wärmepumpen. Weder fossile Brennstoffe noch komplizierte Technologien wie Lüftungssysteme kommen zum Einsatz.

Das Herzstück des Projekts ist ein 70 Tonnen schwerer Ziegelblock, der unter dem Haus eingelassen ist. Dieses massive Speichermedium absorbiert in den Sommermonaten Wärme aus der Umgebungsluft und der Sonneneinstrahlung und speichert diese Energie für den Winter. Die Abgabe erfolgt dann langsam und gleichmäßig, wodurch die Raumtemperatur auch bei kalten Außentemperaturen angenehm bleibt. Unterstützt wird der Wärmespeicher durch eine außergewöhnlich dicke Gebäudehülle mit einer Wandstärke von 75 Zentimetern. Diese sorgt für minimale Wärmeverluste und dient gleichzeitig als Schutz vor sommerlicher Überhitzung.

Die Entstehung: Wie aus einer Idee ein Vorzeigeprojekt wurde

Hans-Günther Schwarz ist kein Unbekannter in der Architekturszene. Mit über 40 Jahren Erfahrung hat er rund 1.000 Bauprojekte betreut, darunter Schulen, Gewerbebauten und Wohnhäuser. Doch das ZiHaus ist nicht nur ein weiteres Projekt – es ist das persönliche Anliegen des Architekten, inspiriert von seiner eigenen Lebenssituation. Als er vor einigen Jahren seine kranke Frau pflegte, begann er über ein Wohnkonzept nachzudenken, das möglichst einfach und dennoch komfortabel ist. Die Idee: ein Haus, das ohne komplizierte Technik auskommt und gleichzeitig den steigenden Anforderungen an Klimaschutz und Energieeffizienz gerecht wird.

Schwarz finanzierte das ZiHaus als privates Forschungsprojekt. Dabei setzte er auf sein umfassendes Wissen über traditionelle Materialien wie Ziegel und kombinierte diese mit neuesten Erkenntnissen der Gebäudetechnik. Die Rechtsform blieb bewusst privat, um die Entwicklung unabhängig und flexibel zu gestalten.

Technische Details: Wie funktioniert das ZiHaus?

Der Wärmespeicher im Boden ist das Herz des ZiHauses. Schwarz nutzte einfache Physik: Ziegelsteine haben eine hohe Wärmespeicherkapazität. Über die Sommermonate werden die Ziegel durch Sonneneinstrahlung und thermische Leitung erwärmt. Diese gespeicherte Energie reicht aus, um das Gebäude in der kalten Jahreszeit zu beheizen. Wärmeverluste durch das Erdreich oder die Außenwände werden durch die massive Bauweise minimiert. Neben den Ziegeln sorgt die 75 Zentimeter dicke Wand aus einer Kombination von Dämmmaterialien und Mauerwerk dafür, dass der Innenraum nahezu vollständig thermisch isoliert bleibt.

Das ZiHaus nutzt passive Sonnenenergie, indem es über große Fensterflächen Wärme ins Innere lässt. Gleichzeitig sorgt die Ausrichtung des Hauses dafür, dass im Sommer keine Überhitzung stattfindet. Ergänzt wird dieses Konzept durch natürliche Belüftung, die auch ohne Klimaanlage für ein angenehmes Raumklima sorgt.

Erste Erfolge und Herausforderungen

Die Bauweise stieß zunächst auf Misstrauen. „Ein Haus ohne Heizung, das im Winter warm bleibt? Das klingt nach einer verrückten Idee,“ erinnert sich Schwarz an die frühen Gespräche mit Bauherren und Kollegen. Doch der Prototyp in Altdorf bei Nürnberg beweist, dass das Konzept funktioniert.

Das ZiHaus hat bereits mehrere renommierte Preise erhalten, darunter die Iconic Awards in den Kategorien „Innovative Materials“ und „Energy Solutions“. Fachmagazine und Baukonferenzen beschäftigen sich zunehmend mit dem Projekt, das mittlerweile als Vorbild für nachhaltiges Wohnen gilt.

Die Zukunft: Kann das ZiHaus zum Standard werden?

Trotz des Erfolgs gibt es Herausforderungen: Die Baukosten für ein ZiHaus sind aktuell noch hoch, da es sich um einen Prototyp handelt. Zudem erfordert die Planung ein hohes Maß an Präzision und technisches Know-how, das nicht jedes Architekturbüro leisten kann. Dennoch sehen Experten Potenzial für eine breitere Anwendung. Besonders in Neubaugebieten könnten ähnliche Konzepte dazu beitragen, den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren.

Das ZiHaus steht exemplarisch für eine neue Denkweise in der Architektur: Ressourcen schonen, ohne auf Komfort zu verzichten. Hans-Günther Schwarz hat gezeigt, dass nachhaltiges Bauen nicht zwangsläufig teuer oder kompliziert sein muss. Mit etwas Mut und Innovation lassen sich Lösungen entwickeln, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll sind.

Fazit

Das ZiHaus ist mehr als nur ein architektonisches Experiment. Es ist ein Beweis dafür, dass ein nachhaltiges, klimaneutrales Wohnen ohne fossile Brennstoffe möglich ist. Hans-Günther Schwarz hat mit seinem visionären Projekt eine Diskussion angestoßen, die weit über die Grenzen der fränkischen Region hinausreicht. Angesichts der aktuellen Klimakrise könnte das ZiHaus eine Blaupause für die Bauindustrie der Zukunft sein.

Quellen

  1. BR24 (2023). Nachhaltig Heizen: neue Ideen aus Franken. Verfügbar unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/nachhaltig-heizen-ideen-aus-franken%2CUSCAssj
  2. N-Land.de (2023). Das Haus ohne Heizung des Altdorfer Architekten Hans-Günther Schwarz räumt zwei Preise ab. Verfügbar unter: https://n-land.de/top-story/das-haus-ohne-heizung-des-altdorfer-architekten-hans-guenther-schwarz-raeumt-zwei-preise-ab
  3. Efahrer.chip.de (2023). Heizen ohne Heizung: Die Wärme kommt aus 70 Tonnen Ziegelsteinen. Verfügbar unter: https://efahrer.chip.de/news/heizen-ohne-heizung-die-waerme-kommt-aus-70-tonnen-ziegelsteinen_1023389
  4. Sunstyle.com (2023). Innovatives ZiHaus: Architektur, Technik und Nachhaltigkeit vereint. Verfügbar unter: https://www.sunstyle.com/de/portfolio/zihaus-innovatives-zihaus-architektur-technik-und-nachhaltigkeit-vereint/

 

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