Die Herausforderung: Schichtdienst und Familie
Pflegekräfte sind das Rückgrat des Gesundheitssystems. Ihre Arbeit erfordert nicht nur fachliche Kompetenz, sondern auch hohe Flexibilität, da Krankenhäuser rund um die Uhr besetzt sein müssen. Doch unregelmäßige Schichtmodelle mit Früh-, Spät- und Nachtdiensten kollidieren oft mit familiären Verpflichtungen, besonders für Mütter.
Die Betreuung von Kindern, insbesondere in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden, wird für viele zur organisatorischen Mammutaufgabe. Als Folge reduzieren zahlreiche Pflegekräfte ihre Arbeitszeit oder verlassen den Beruf ganz. Der Fachkräftemangel in der Pflege verschärft dieses Dilemma weiter und macht innovative Ansätze notwendig (Marienkrankenhaus Soest, 2024).
Die Entstehung der „Muttischicht“
Vor fünf Jahren stand Corinna Schmidt, dreifache Mutter und Pflegekraft im Marienkrankenhaus Soest, vor genau diesem Problem. Mit dem zweiten Kind wurde der reguläre Schichtdienst für sie unvereinbar mit ihren familiären Verpflichtungen. Statt den Beruf aufzugeben, suchte sie das Gespräch mit der Krankenhausleitung. Gemeinsam entwickelten sie das sogenannte „Pflegepool-Modell“, das intern liebevoll als „Muttischicht“ bezeichnet wird (Soester Anzeiger, 2024).
Das Modell ermöglicht es Pflegekräften, ihre Arbeitszeiten flexibel zu gestalten, ohne feste Station zugeteilt zu sein. Stattdessen springen sie dort ein, wo kurzfristig Bedarf besteht. Diese Flexibilität erleichtert nicht nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern bietet dem Krankenhaus auch größere Planungssicherheit (WDR, 2024).
Das Konzept der „Muttischicht“
Das „Pflegepool-Modell“ ist auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zugeschnitten. Pflegekräfte können ihre Dienstpläne individuell schreiben und an ihre familiären Verpflichtungen anpassen. Ein Beispiel: Corinna Schmidt arbeitet drei Tage pro Woche, jeweils von 8:00 bis 13:30 Uhr – genau passend zu den Schulzeiten ihrer Kinder.
Für das Krankenhaus bedeutet das Modell eine bessere Abdeckung von personellen Engpässen. Pflegedirektor Martin Krampe sieht in dem Modell einen Gewinn für beide Seiten: „Die Flexibilität hilft unseren Mitarbeiterinnen und sichert zugleich die Qualität der Patientenversorgung“ (Marienkrankenhaus Soest, 2024).
Erfolgreiche Umsetzung und Expansion
Was als Lösung für eine einzelne Mitarbeiterin begann, hat sich zu einem festen Bestandteil der Personalstrategie des Marienkrankenhauses entwickelt. Mittlerweile profitieren ein Dutzend Pflegekräfte von der „Muttischicht“. Durch die positiven Erfahrungen wird das Modell auch auf andere Bereiche ausgeweitet, etwa in Funktionsbereiche wie die Intensivstation oder die Notaufnahme (Soester Anzeiger, 2024).
Ein zentraler Vorteil ist die höhere Mitarbeiterzufriedenheit. Pflegekräfte berichten, dass sie durch die flexiblen Arbeitszeiten Beruf und Familie besser unter einen Hut bekommen. Einige kehrten sogar nach längerer Elternzeit in den Beruf zurück, weil sie die Möglichkeit der „Muttischicht“ hatten.
Positive Resonanz und mediale Aufmerksamkeit
Die „Muttischicht“ hat nicht nur intern Anerkennung gefunden, sondern auch überregional Aufmerksamkeit erregt. Die WDR-Sendung „Frau TV“ widmete dem Konzept einen Beitrag und begleitete Corinna Schmidt und ihre Kolleginnen durch ihren Alltag. Der Beitrag hob hervor, wie Arbeitszeitmodelle wie die „Muttischicht“ zur Entlastung von berufstätigen Eltern beitragen können (WDR, 2024).
Ausblick und Weiterentwicklung
Die positive Resonanz ermutigt die Leitung des Marienkrankenhauses, das Modell weiter auszubauen. Ziel ist es, flexible Arbeitszeiten nicht nur für Mütter, sondern auch für andere Pflegekräfte mit besonderen Anforderungen zugänglich zu machen. Zudem plant das Krankenhaus Schulungen, um neue Mitarbeiter schnell in den „Pflegepool“ zu integrieren (Papershift, 2024).
Das Modell könnte auch als Vorbild für andere Krankenhäuser dienen, die mit ähnlichen Problemen kämpfen. Angesichts des Fachkräftemangels ist es dringend notwendig, die Attraktivität des Pflegeberufs durch innovative Ansätze wie diese zu erhöhen.
Fazit
Die „Muttischicht“ am Marienkrankenhaus Soest zeigt, wie durch ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mitarbeiter nachhaltige Lösungen gefunden werden können. Dieses Modell verbessert nicht nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sondern trägt auch zur langfristigen Bindung qualifizierter Pflegekräfte bei. Es ist ein Beispiel dafür, wie Arbeitszeitmodelle an die moderne Lebensrealität angepasst werden können.
Quellenangaben
- Marienkrankenhaus Soest. (2024). Maximale Flexibilität in der Arbeitszeitplanung für Mütter. Verfügbar unter: https://www.marienkrankenhaus-soest.de/aktuelles-details/maximale-flexibilitaet-in-der-arbeitszeitplanung-fuer-muetter.html
- Soester Anzeiger. (2024). „Muttischicht“ am Marienkrankenhaus. Verfügbar unter: https://www.soester-anzeiger.de/lokales/soest/muttischicht-am-marienkrankenhaus-92983680.html
- WDR. (2024). „Muttischicht“ bringt Familie und Beruf unter einen Hut. Verfügbar unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/dienstplan-marienkrankenhaus-soest-muttischicht-arbeitszeitmodell-100.amp
- Papershift. (2024). Familie und Arbeit vereinbaren: neues Schichtmodell macht es möglich. Verfügbar unter: https://www.papershift.com/blog/familie-und-arbeit-unter-einen-hut-bringen-neues-schichtmodell-macht-es-moeglich
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