Liuzhou, die chinesische Waldstadt: Eine urbane Revolution für eine grünere Zukunft

Die Welt steht vor einer der größten Herausforderungen der Menschheitsgeschichte: der rasanten Urbanisierung. Besonders in China, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt, haben die letzten Jahrzehnte einen beispiellosen Anstieg urbaner Siedlungen gebracht. Dies führte nicht nur zu wirtschaftlichem Fortschritt, sondern auch zu erheblichen Umweltproblemen. Luftverschmutzung, Lärm, Überbevölkerung und ein drastischer Verlust der Biodiversität prägen den Alltag vieler Chinesen. Doch mitten in diesen Herausforderungen entsteht ein außergewöhnliches Projekt, das die Grenzen moderner Stadtplanung neu definiert: die Liuzhou, die chinesische Waldstadt.

Die Probleme der Urbanisierung in China

China ist weltweit berüchtigt für die erschreckenden Luftqualitätswerte in seinen Städten. Peking und Shanghai sind nur zwei Beispiele für Metropolen, die regelmäßig mit Smog-Grenzwerten kämpfen. Verantwortlich dafür sind Industrieemissionen, Kohlekraftwerke und der rapide Anstieg von Fahrzeugen. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich Hunderttausende Menschen in China an den Folgen von Luftverschmutzung.

Neben der Luftverschmutzung leidet das Land unter einer rapide wachsenden Urbanisierung, die natürliche Landschaften zerstört. Wälder werden abgeholzt, Flüsse verschmutzt und natürliche Lebensräume von Tieren und Pflanzen gehen verloren. Die Biodiversität, ein entscheidender Faktor für das ökologische Gleichgewicht, ist in Gefahr. Hinzu kommen soziale Probleme wie die Abkopplung von Stadtbewohnern von der Natur, was das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigt.

Eine Vision der Hoffnung: Die Entstehung der Liuzhou Forest City

Inmitten dieser drängenden Probleme wurde die Idee der Liuzhou Forest City geboren. Das Projekt ist eine Antwort auf die dringenden Umweltprobleme und das Bedürfnis nach nachhaltigen urbanen Lösungen. Es wurde vom renommierten italienischen Architekten Stefano Boeri und seinem Team bei Stefano Boeri Architetti entwickelt. Boeri hatte bereits mit seinem Projekt „Bosco Verticale“ (Vertikaler Wald) in Mailand internationales Ansehen erlangt. Dort wurden Hochhäuser mit üppiger Vegetation versehen, um Luftqualität und Lebensqualität zu verbessern.

Die Vision für Liuzhou ist ambitioniert: eine vollständig begrünte Stadt, die nicht nur Menschen, sondern auch der Natur ein Zuhause bietet. Das Projekt wurde 2017 ins Leben gerufen und wird in Zusammenarbeit mit der Stadtregierung von Liuzhou sowie internationalen Partnern umgesetzt. Die Stadt entsteht in der südchinesischen Provinz Guangxi entlang des Liujiang-Flusses, einer Region, die für ihre malerische Karstlandschaft bekannt ist.

Die Grundidee für die chinesische Waldstadt

Liuzhou, die chinesische Waldstadt soll auf einer Fläche von 175 Hektar gebaut werden und rund 30.000 Menschen beherbergen. Doch diese Stadt unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen urbanen Gebieten. Jedes Gebäude – von Wohnhäusern über Büros bis hin zu Hotels, Krankenhäusern und Schulen – wird mit einer Vielzahl von Pflanzen bedeckt sein. Insgesamt sollen 40.000 Bäume und fast eine Million Pflanzen aus mehr als 100 Arten gepflanzt werden. Diese grüne Infrastruktur wird nicht nur die Luftqualität erheblich verbessern, sondern auch Lärm reduzieren, das Mikroklima regulieren und die biologische Vielfalt fördern.

Die chinesische Waldstadt wird eine CO₂-neutrale Energieversorgung anstreben. Solarzellen und geothermische Energiequellen werden die Gebäude versorgen. Elektrofahrzeuge und ein Hochgeschwindigkeitszug, der die Waldstadt mit der bestehenden Stadt Liuzhou verbindet, sollen für eine nachhaltige Mobilität sorgen.

Die Vorteile dieses Konzepts sind enorm. Es wird erwartet, dass die Pflanzen jährlich rund 10.000 Tonnen Kohlendioxid absorbieren und 57 Tonnen Schadstoffe filtern. Gleichzeitig produziert die , die chinesische Waldstadt etwa 900 Tonnen Sauerstoff pro Jahr, was sie zu einem Modellprojekt für grüne Städte weltweit macht (ArchDaily).

 

Herausforderungen und erste Erfolge

Die Umsetzung eines Projekts dieser Größenordnung ist jedoch alles andere als einfach. Die Integration von Pflanzen in die Architektur stellt Ingenieure und Planer vor einzigartige Herausforderungen. Die Bepflanzung muss so gestaltet werden, dass die Gebäude strukturell sicher bleiben und die Pflanzen ausreichend gepflegt werden können. Zudem benötigt eine solche Stadt ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, um den Wasserverbrauch effizient zu gestalten.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es bereits erste positive Ergebnisse. Die Bauarbeiten haben begonnen, und einige Gebäude sind bereits in ihrer Struktur erkennbar. Die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und internationalen Experten hat dazu beigetragen, Hindernisse zu überwinden. Stefano Boeri selbst betont, dass die Waldstadt nicht nur ein Bauprojekt, sondern auch eine kulturelle Bewegung ist. Sie soll das Bewusstsein für die Bedeutung von Natur in urbanen Räumen fördern (Stefano Boeri Architetti).

Erfolgsgeschichten aus der Waldstadt-Bewegung

Das Konzept der grünen Architektur hat bereits an anderen Orten der Welt Früchte getragen. Ein Beispiel ist der Bosco Verticale in Mailand, der 2014 fertiggestellt wurde. Die beiden Wohnhochhäuser beherbergen rund 800 Bäume, 5.000 Sträucher und 15.000 Pflanzen und haben die Luftqualität in ihrer Umgebung deutlich verbessert. Die Gebäude sind nicht nur ein Vorbild für nachhaltige Architektur, sondern auch ein beliebtes Wohnquartier geworden.

Auch kleinere Projekte wie begrünte Bürogebäude in Singapur oder vertikale Gärten in Mexiko-Stadt zeigen, dass die Integration von Pflanzen in die Architektur nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Diese Projekte haben dazu beigetragen, das Konzept der Waldstadt global bekannt zu machen und die Akzeptanz für solche Ideen zu erhöhen.

Ein Blick in die Zukunft

Die chinesische Waldstadt Liuzhou ist mehr als nur ein Bauprojekt – sie ist ein Symbol für die Möglichkeit, urbane Lebensräume mit der Natur in Einklang zu bringen. Sie zeigt, dass es möglich ist, Städte zu schaffen, die nicht nur für Menschen, sondern auch für die Umwelt lebenswert sind. Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnte es als Modell für andere Städte weltweit dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Die Vision von Stefano Boeri und seinem Team gibt Hoffnung, dass Städte nicht zwangsläufig Betonwüsten sein müssen, sondern auch grüne Oasen sein können. Die chinesische Waldstadt Liuzhou oder Forest City ist ein Schritt in Richtung einer nachhaltigeren, gesünderen und harmonischeren urbanen Zukunft.

Quellenangaben

  1. Stefano Boeri Architetti. „Liuzhou, die chinesische Waldstadt.“ Verfügbar unter: https://www.stefanoboeriarchitetti.net/en/project/liuzhou-forest-city/
  2. ArchDaily. „World’s First Vertical Forest City Breaks Ground in China.“ Verfügbar unter: https://www.archdaily.com/874364/worlds-first-vertical-forest-city-breaks-ground-in-china
  3. Trends der Zukunft. „Liuzhou Forest City: In China entsteht die erste vollständig begrünte Stadt.“ Verfügbar unter: https://www.trendsderzukunft.de/liuzhou-forest-city-in-china-entsteht-die-erste-vollstaendig-begruente-stadt/
  4. Timber Pioneer. „Die chinesische Waldstadt ist die Stadt der Zukunft.“ Verfügbar unter: https://www.timber-pioneer.de/china-baut-die-stadt-der-zukunft/

 

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